2002-09-08 - 23:40 - Sorry, no upgrade available

Ich bin unmittelbar nach dem Abitur zuhause ausgezogen und erst nach Afrika, dann nach Hamburg gegangen. Das hatte allerdings nichts mit dem Verh�ltnis zu meinen Eltern zu tun. Ich wollte vielmehr so eine Art Neustart. Ich wollte irgendwo hin, wo mich niemand kannte. Wollte wieder ein wei�es Blatt sein. Wollte, da� man mich neu entdeckt, neu kennenlernt. Mich so sieht, wie ich bin und nicht wie andere mich seit der f�nften Klasse sehen.

Niemand wollte das so recht verstehen. Ich habe versucht zu erkl�ren, da� die meisten Menschen einfach starr an dem Bild festhalten, das sie sich irgendwann mal gemacht haben. Egal, ob das nun aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Ver�nderung geschieht. Ich hatte das Gef�hl, dort zu ersticken, mich nicht frei entwickeln und ver�ndern zu k�nnen. Es ist schwierig, sich zu entfalten, wenn die meisten sich weigern, eine Ver�nderung auch nur zur Kenntnis zu nehmen und sich unbeirrbar an alte Urteile und Vorurteile klammern.

Das Vertraute gab mir keine Sicherheitsleine, sondern wirkte wie die ber�chtigten Betonstiefel an meinen Beinen. Ich brauchte den Kopfsprung ins kalte Wasser, um wieder richtig wach zu werden, mich zu sp�ren. Erstaunlicherweise waren es eher Bekannte und vermeintliche Freunde und nicht etwa die Eltern, die mir das Gef�hl gaben, keinen Freiraum zu haben. Also mu�te ich schleunigst raus, auch wenn das �berwiegend mit Kopfsch�tteln quittiert wurde.

Und heute, etliche Jahre sp�ter, kann ich feststellen, da� mein Gef�hl richtig war. Ich hatte damals relativ schnell alte Verbindungen durchtrennt, hab nur zu meinen Eltern engen Kontakt gehalten. Ich bin bei Heimatbesuchen kaum vor die T�r gegangen und habe Ehemaligen-Feiern oder sonstige Ansammlungen Bekannter mit gr��ter Sorgfalt gemieden.

Jetzt aber wurde ich doch neugierig und hab mich mit einer alten Schulfreundin getroffen. Und schon der erste Satz, den sie mir freudestrahlend entgegenwarf, �bertraf alle Bef�rchtungen bei weitem, best�tigte meine damalige Entscheidung aber mit Nachdruck: "Wie sch�n, du hast dich ja gar nicht ver�ndert." Prima, etliche Jahre nicht gesehen, aber man wird gleich mit einem verbalen Nudelholz empfangen. Nur gut, da� ich mich in jahrelanger Vorbereitung gegen derartige Attacken gewappnet hatte.

Aber auch das erwies sich als noch steigerungsf�hig: "Ach, es ist wirklich wieder wie in guten alten Tagen. So als w�rst du nie weggewesen." Na toll, da h�tte mich mir aber wirklich einiges an Qualen, Selbstzweifeln und Depressionen sparen k�nnen, h�tte mir gut auch den einen oder anderen Fehler schenken und insgesamt weitaus behaglicher leben k�nnen.

Herrjeh, ich seh heute nicht nur v�llig anders aus, ich habe auch zum Gl�ck kaum noch etwas mit dem versch�chterten, v�llig verwirrten, kreuzungl�cklichen und ziemlich einsamen Teenager gemein. Und es war wirklich nicht einfach, das zu bewerkstelligen. W�rde das da unten mal bitte jemand zur Kenntnis nehmen?! Hat sich denn von den Daheimgebliebenen �ber eine reine Personenstands�nderung niemand weiterentwickelt?

Aber nein, das w�re ja auch zu sch�n. Da ist es doch einfacher, wenn man das etwas vergilbte Lyssa-Bild aus Schultagen wieder ausgr�bt, kurz den Staub abpustet und schablonenartig auf die unbekannte Frau Ende Zwanzig dort legt. Et voil�, schon ist die Ersch�tterung vor�ber und die Weltordnung wieder hergestellt. Jetzt darf blo� die Frau nicht zu sehr aus dem Rahmen h�pfen oder das vertraute Bild mutwillig zerst�ren, und der gepflegte Lack in all seinem nostalgischen Glanz bleibt weiterhin unangetastet. Alles andere w�re ja auch wirklich zu �rgerlich ...

Ok, ok, ich h�r ja schon auf ... Statt hier noch l�nger �ber weitverbreitete menschliche Unzul�nglichkeiten zu lamentieren, werde ich noch ein paar Mal die Titelmelodie von "Herr Rossi sucht das Gl�ck" h�ren (das ist doch endlich mal ein wertvolles Erinnerungsfitzelchen - danke Q), mich still und leise �ber mein trubeliges, buntes, teilweise chaotisches Leben freuen und auf eine ungest�rte Nachtruhe hoffen (ich f�rchte nur, da stehen die Chancen schlecht - was soll man auch au�er n�chtlichen Quietschger�uschen von einer Nachbarin mit dem K�nstlernamen "Barbie Sue" erwarten). Schlaft gut!

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Sorry, no upgrade available 2002-09-08 23:40 Ich bin unmittelbar nach dem Abitur zuhause ausgezogen und erst nach Afrika, dann nach Hamburg gegangen. Das hatte allerdings nichts mit dem Verh�ltnis zu meinen Eltern zu tun. Ich wollte vielmehr so eine Art Neustart. Ich wollte irgendwo hin, wo mich niemand kannte. Wollte wieder ein wei�es Blatt sein. Wollte, da� man mich neu entdeckt, neu kennenlernt. Mich so sieht, wie ich bin und nicht wie andere mich seit der f�nften Klasse sehen.

Niemand wollte das so recht verstehen. Ich habe versucht zu erkl�ren, da� die meisten Menschen einfach starr an dem Bild festhalten, das sie sich irgendwann mal gemacht haben. Egal, ob das nun aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Ver�nderung geschieht. Ich hatte das Gef�hl, dort zu ersticken, mich nicht frei entwickeln und ver�ndern zu k�nnen. Es ist schwierig, sich zu entfalten, wenn die meisten sich weigern, eine Ver�nderung auch nur zur Kenntnis zu nehmen und sich unbeirrbar an alte Urteile und Vorurteile klammern.

Das Vertraute gab mir keine Sicherheitsleine, sondern wirkte wie die ber�chtigten Betonstiefel an meinen Beinen. Ich brauchte den Kopfsprung ins kalte Wasser, um wieder richtig wach zu werden, mich zu sp�ren. Erstaunlicherweise waren es eher Bekannte und vermeintliche Freunde und nicht etwa die Eltern, die mir das Gef�hl gaben, keinen Freiraum zu haben. Also mu�te ich schleunigst raus, auch wenn das �berwiegend mit Kopfsch�tteln quittiert wurde.

Und heute, etliche Jahre sp�ter, kann ich feststellen, da� mein Gef�hl richtig war. Ich hatte damals relativ schnell alte Verbindungen durchtrennt, hab nur zu meinen Eltern engen Kontakt gehalten. Ich bin bei Heimatbesuchen kaum vor die T�r gegangen und habe Ehemaligen-Feiern oder sonstige Ansammlungen Bekannter mit gr��ter Sorgfalt gemieden.

Jetzt aber wurde ich doch neugierig und hab mich mit einer alten Schulfreundin getroffen. Und schon der erste Satz, den sie mir freudestrahlend entgegenwarf, �bertraf alle Bef�rchtungen bei weitem, best�tigte meine damalige Entscheidung aber mit Nachdruck: "Wie sch�n, du hast dich ja gar nicht ver�ndert." Prima, etliche Jahre nicht gesehen, aber man wird gleich mit einem verbalen Nudelholz empfangen. Nur gut, da� ich mich in jahrelanger Vorbereitung gegen derartige Attacken gewappnet hatte.

Aber auch das erwies sich als noch steigerungsf�hig: "Ach, es ist wirklich wieder wie in guten alten Tagen. So als w�rst du nie weggewesen." Na toll, da h�tte mich mir aber wirklich einiges an Qualen, Selbstzweifeln und Depressionen sparen k�nnen, h�tte mir gut auch den einen oder anderen Fehler schenken und insgesamt weitaus behaglicher leben k�nnen.

Herrjeh, ich seh heute nicht nur v�llig anders aus, ich habe auch zum Gl�ck kaum noch etwas mit dem versch�chterten, v�llig verwirrten, kreuzungl�cklichen und ziemlich einsamen Teenager gemein. Und es war wirklich nicht einfach, das zu bewerkstelligen. W�rde das da unten mal bitte jemand zur Kenntnis nehmen?! Hat sich denn von den Daheimgebliebenen �ber eine reine Personenstands�nderung niemand weiterentwickelt?

Aber nein, das w�re ja auch zu sch�n. Da ist es doch einfacher, wenn man das etwas vergilbte Lyssa-Bild aus Schultagen wieder ausgr�bt, kurz den Staub abpustet und schablonenartig auf die unbekannte Frau Ende Zwanzig dort legt. Et voil�, schon ist die Ersch�tterung vor�ber und die Weltordnung wieder hergestellt. Jetzt darf blo� die Frau nicht zu sehr aus dem Rahmen h�pfen oder das vertraute Bild mutwillig zerst�ren, und der gepflegte Lack in all seinem nostalgischen Glanz bleibt weiterhin unangetastet. Alles andere w�re ja auch wirklich zu �rgerlich ...

Ok, ok, ich h�r ja schon auf ... Statt hier noch l�nger �ber weitverbreitete menschliche Unzul�nglichkeiten zu lamentieren, werde ich noch ein paar Mal die Titelmelodie von "Herr Rossi sucht das Gl�ck" h�ren (das ist doch endlich mal ein wertvolles Erinnerungsfitzelchen - danke Q), mich still und leise �ber mein trubeliges, buntes, teilweise chaotisches Leben freuen und auf eine ungest�rte Nachtruhe hoffen (ich f�rchte nur, da stehen die Chancen schlecht - was soll man auch au�er n�chtlichen Quietschger�uschen von einer Nachbarin mit dem K�nstlernamen "Barbie Sue" erwarten). Schlaft gut!