2003-09-01 - 16:28 - Zwei �pfel in aller Unschuld

Nach einer kurzen, erk�ltungsbedingten Zwangspause, die ich �berwiegend in Decken geh�llt, Taschentuchberge produzierend mit Nick Cave auf dem Sofa verbracht habe, bin ich trotz absolut unmenschlicher Au�entemperaturen wieder fit genug, um den zweiten Teil meines Elternbesuches zu servieren.

Ich mu� allerdings vorwegschicken, um jeglicher Humorresistenz vorzubeugen, da� ich meine Eltern wirklich hei� und innig liebe. Ich wei�, was ich an ihnen habe, aber das �ndert nichts daran, da� wir uns gegenseitig gelegentlich anstrengend finden. Eigentlich doch selbstverst�ndlich.

Mein Vater ist genervt, wenn ich erst sp�t abends bei str�mendem Regen zum Heimatbesuch aufbreche, so da� er sich Sorgen um meine Unversehrtheit machen mu�. Ich bin genervt, weil er dann alle 20 Minuten anruft, um nach meinem Verbleib zu fragen, statt mich einfach konzentriert fahren zu lassen. Meine Mutter kann mich binnen weniger Sekunden in den Wahnsinn treiben, wenn sie allzu massive Kritik an meinem Lebenswandel und meiner Haushaltsf�hrung �bt, wof�r ich mich dann meist mit dem Kommentar revanchiere, ich sei schlie�lich nur das Produkt ihrer emanzipierten, antiautorit�ren Erziehung und hatte nie eine andere Chance. Wir lieben uns und unsere Rituale.

Trotz allem schafft es meine Mutter immer wieder, mich mit kleinen Aktionen komplett aus der Fassung zu bringen. Wir haben am Samstag noch gemeinsam in ihrem Hotel gefr�hst�ckt (meine Eltern weigern sich strikt, bei mir zu �bernachten solange ich kein vern�nftiges Bett habe), dann sind sie zu einer Hochzeit weitergereist, und ich schleppte mich kurz in den benachbarten Supermarkt, um das N�tigste f�r ein Wochenende auf dem Sofa einzukaufen.

An der Kasse �ffnete ich meine Handtasche, um zu bezahlen, und mein Blick fiel auf zwei �pfel, die ganz oben in der Tasche lagen. �pfel? In meiner Handtasche? Taschent�cher, B�lle, Hundekuchen ja, aber �pfel? Leider fielen die beiden unschuldigen �pfelchen gleichzeitig auch der Kassiererin auf, die sofort einen triumphierenden "Ich-hab-einen-Ladendieb-gestellt"-Gesichtsausdruck bekam.

"Die beiden �pfel wollen Sie doch sicher auch noch bezahlen, oder etwa nicht?" Die Kassiererin schenkt mir ihr s��lichstes falsches L�cheln. Mein mentholumw�lktes Hirn weigerte sich, mir eine plausible Erkl�rung f�r diese Situation zu liefern - oder auch nur eine gescheite Ausrede. "Also, ich wei� nicht, das ... das sind gar nicht meine. Ich meine, ich wei� auch nicht genau, wie die dahin kommen." Wow, gut gemacht, Lyssa. Nachfolgende Generationen werden dich f�r deine Schlagfertigkeit preisen.

Ich hab tats�chlich noch nie etwas in einem Supermarkt gestohlen und mir fiel partout kein Grund ein, warum ich ausgerechnet jetzt damit angefangen haben sollte. So kurz vorm Examen. Und dann auch noch mit �pfeln. Vielleicht war die Erk�ltung doch gar keine simple Erk�ltung, sondern ein heimt�ckischer Virus, der das Hirn bef�llt und zu verbrecherischen Pers�nlichkeitsspaltungen f�hrt.

"Die �pfel mu� mir jemand anderes da reingetan haben." Und noch ehe ich den reichlich d�mlichen Satz ganz ausgesprochen hatte, wurde mir alles klar. Meine Mutter hatte mir die �pfel wahrscheinlich aus dem Hotelzimmer ("ist schlie�lich bezahlt") mitgebracht und in einem unbeobachteten Moment in meine Handtasche geschmuggelt. In bester Absicht, nat�rlich.

Ich bekam rote Flecken in meinem ansonsten bleichen Gesicht, murmelte etwas von krankheitsbedingter Verwirrung, hustete steinerweichend zum Beweis und entschuldigte mich vielmals. Dann zahlte ich die beiden �pfel ("Wasndas f�r eine Sorte?" - "Woher soll ich das wissen, ich hab die doch nicht ... ach, egal, bestimmt Braeburn.") und rannte aus dem Laden.

Zuhause angekommen lie� ich die T�ten fallen (und verga� die n�chsten acht Stunden leider komplett, da� sich auch eine Familienpackung Eis darin befand) und rief meine f�rsorgliche Mutter an. "Mama, hast du mir �pfel in die Handtasche gepackt?" - "Ja nat�rlich, Schatz, hab ich das nicht gesagt? Die lagen noch im Hotel und du i�t doch so gern �pfel."

Noch zwei Besuche dieser Art und ich werde den Stadtteil wechseln m�ssen. Eine Verl�ngerung meiner Therapie beantrage ich besser schon heute.

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Zwei �pfel in aller Unschuld 2003-09-01 16:28 Nach einer kurzen, erk�ltungsbedingten Zwangspause, die ich �berwiegend in Decken geh�llt, Taschentuchberge produzierend mit Nick Cave auf dem Sofa verbracht habe, bin ich trotz absolut unmenschlicher Au�entemperaturen wieder fit genug, um den zweiten Teil meines Elternbesuches zu servieren.

Ich mu� allerdings vorwegschicken, um jeglicher Humorresistenz vorzubeugen, da� ich meine Eltern wirklich hei� und innig liebe. Ich wei�, was ich an ihnen habe, aber das �ndert nichts daran, da� wir uns gegenseitig gelegentlich anstrengend finden. Eigentlich doch selbstverst�ndlich.

Mein Vater ist genervt, wenn ich erst sp�t abends bei str�mendem Regen zum Heimatbesuch aufbreche, so da� er sich Sorgen um meine Unversehrtheit machen mu�. Ich bin genervt, weil er dann alle 20 Minuten anruft, um nach meinem Verbleib zu fragen, statt mich einfach konzentriert fahren zu lassen. Meine Mutter kann mich binnen weniger Sekunden in den Wahnsinn treiben, wenn sie allzu massive Kritik an meinem Lebenswandel und meiner Haushaltsf�hrung �bt, wof�r ich mich dann meist mit dem Kommentar revanchiere, ich sei schlie�lich nur das Produkt ihrer emanzipierten, antiautorit�ren Erziehung und hatte nie eine andere Chance. Wir lieben uns und unsere Rituale.

Trotz allem schafft es meine Mutter immer wieder, mich mit kleinen Aktionen komplett aus der Fassung zu bringen. Wir haben am Samstag noch gemeinsam in ihrem Hotel gefr�hst�ckt (meine Eltern weigern sich strikt, bei mir zu �bernachten solange ich kein vern�nftiges Bett habe), dann sind sie zu einer Hochzeit weitergereist, und ich schleppte mich kurz in den benachbarten Supermarkt, um das N�tigste f�r ein Wochenende auf dem Sofa einzukaufen.

An der Kasse �ffnete ich meine Handtasche, um zu bezahlen, und mein Blick fiel auf zwei �pfel, die ganz oben in der Tasche lagen. �pfel? In meiner Handtasche? Taschent�cher, B�lle, Hundekuchen ja, aber �pfel? Leider fielen die beiden unschuldigen �pfelchen gleichzeitig auch der Kassiererin auf, die sofort einen triumphierenden "Ich-hab-einen-Ladendieb-gestellt"-Gesichtsausdruck bekam.

"Die beiden �pfel wollen Sie doch sicher auch noch bezahlen, oder etwa nicht?" Die Kassiererin schenkt mir ihr s��lichstes falsches L�cheln. Mein mentholumw�lktes Hirn weigerte sich, mir eine plausible Erkl�rung f�r diese Situation zu liefern - oder auch nur eine gescheite Ausrede. "Also, ich wei� nicht, das ... das sind gar nicht meine. Ich meine, ich wei� auch nicht genau, wie die dahin kommen." Wow, gut gemacht, Lyssa. Nachfolgende Generationen werden dich f�r deine Schlagfertigkeit preisen.

Ich hab tats�chlich noch nie etwas in einem Supermarkt gestohlen und mir fiel partout kein Grund ein, warum ich ausgerechnet jetzt damit angefangen haben sollte. So kurz vorm Examen. Und dann auch noch mit �pfeln. Vielleicht war die Erk�ltung doch gar keine simple Erk�ltung, sondern ein heimt�ckischer Virus, der das Hirn bef�llt und zu verbrecherischen Pers�nlichkeitsspaltungen f�hrt.

"Die �pfel mu� mir jemand anderes da reingetan haben." Und noch ehe ich den reichlich d�mlichen Satz ganz ausgesprochen hatte, wurde mir alles klar. Meine Mutter hatte mir die �pfel wahrscheinlich aus dem Hotelzimmer ("ist schlie�lich bezahlt") mitgebracht und in einem unbeobachteten Moment in meine Handtasche geschmuggelt. In bester Absicht, nat�rlich.

Ich bekam rote Flecken in meinem ansonsten bleichen Gesicht, murmelte etwas von krankheitsbedingter Verwirrung, hustete steinerweichend zum Beweis und entschuldigte mich vielmals. Dann zahlte ich die beiden �pfel ("Wasndas f�r eine Sorte?" - "Woher soll ich das wissen, ich hab die doch nicht ... ach, egal, bestimmt Braeburn.") und rannte aus dem Laden.

Zuhause angekommen lie� ich die T�ten fallen (und verga� die n�chsten acht Stunden leider komplett, da� sich auch eine Familienpackung Eis darin befand) und rief meine f�rsorgliche Mutter an. "Mama, hast du mir �pfel in die Handtasche gepackt?" - "Ja nat�rlich, Schatz, hab ich das nicht gesagt? Die lagen noch im Hotel und du i�t doch so gern �pfel."

Noch zwei Besuche dieser Art und ich werde den Stadtteil wechseln m�ssen. Eine Verl�ngerung meiner Therapie beantrage ich besser schon heute.

Don - 2003-09-01 11:31:53
Da ham was wieder. Frauen -> �pfel -> �rger...
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Da ham was wieder. Frauen -> �pfel -> �rger... Humbi - 2003-09-01 12:10:04
Hey, ich wei� gar nicht, was Du hast. Die Story ist doch das ideale Druckmittel. Wenn Dir Deine Mamm demn�chst wieder �bereifrig kommt, erinnere sie einfach an den tag, an dem sie Dich beinahe in den Knast gebracht h�tte (ein wenig dramaturgische �berspitzung der Wahrheit sei hier erlaubt). Und schon wird sie besch�mt den Mund halten. Problem gel�st. Vielleicht sollte ich mir auch so eine Handtasche anschaffen...
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Hey, ich wei� gar nicht, was Du hast. Die Story ist doch das ideale Druckmittel. Wenn Dir Deine Mamm demn�chst wieder �bereifrig kommt, erinnere sie einfach an den tag, an dem sie Dich beinahe in den Knast gebracht h�tte (ein wenig dramaturgische �berspitzung der Wahrheit sei hier erlaubt). Und schon wird sie besch�mt den Mund halten. Problem gel�st. Vielleicht sollte ich mir auch so eine Handtasche anschaffen... Udo - 2003-09-01 13:52:16
lol
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lol 008 - 2003-09-01 14:27:21
Ach ja, M�tter. Sind sie nicht nett? Was w�rde man nur ohne sie machen? Vielleicht in Freiheit leben?
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Ach ja, M�tter. Sind sie nicht nett? Was w�rde man nur ohne sie machen? Vielleicht in Freiheit leben? Lyssa - 2003-09-01 15:31:18
@Don: Erstaunlich, da� Du die �pfel in dieser Liste �berhaupt noch auff�hrst ;-) @Humbi: Es gibt keine idealen Druckmittel f�r diese Mutter. Derartige Anschuldigungen sitzt sie locker aus.
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@Don: Erstaunlich, da� Du die �pfel in dieser Liste �berhaupt noch auff�hrst ;-) @Humbi: Es gibt keine idealen Druckmittel f�r diese Mutter. Derartige Anschuldigungen sitzt sie locker aus. Leif - 2003-09-01 15:43:31
auf jeden Fall bekommt diese Geschichte einen der vorderen Pl�tze in der Auflistung der peinlichsten-Momente-die-wo-gibt. Danke, dass ich spontan grinsen musste, als ich den Teil mit "das sind nicht meine" gelesen hab...:-)
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auf jeden Fall bekommt diese Geschichte einen der vorderen Pl�tze in der Auflistung der peinlichsten-Momente-die-wo-gibt. Danke, dass ich spontan grinsen musste, als ich den Teil mit "das sind nicht meine" gelesen hab...:-) Egbert - 2003-09-01 16:19:17
Hinterher ist man ja immer schlauer. Aber beim n�chstenmal einfach irgendeine Karte aus der Tasche gezogen und der Verk�uferin so schnell unter die Nase gehalten, da� sie gar nicht mitbekommt, was draufsteht und ihr dann mit festen Blick in die Augen sagen: "Ich bin von Ihrer Gesch�ftsf�hrung engagiert worden um zu �berpr�fen, ob an den Kassen kontrolliert wird. Sie haben ihre Arbeit gut gemacht, Ich werde sie lobend erw�hnen. Und die �pfel bezahle ich nat�rlich." Was glaubst Du, wie freundlich die dann wird.
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Hinterher ist man ja immer schlauer. Aber beim n�chstenmal einfach irgendeine Karte aus der Tasche gezogen und der Verk�uferin so schnell unter die Nase gehalten, da� sie gar nicht mitbekommt, was draufsteht und ihr dann mit festen Blick in die Augen sagen: "Ich bin von Ihrer Gesch�ftsf�hrung engagiert worden um zu �berpr�fen, ob an den Kassen kontrolliert wird. Sie haben ihre Arbeit gut gemacht, Ich werde sie lobend erw�hnen. Und die �pfel bezahle ich nat�rlich." Was glaubst Du, wie freundlich die dann wird. Humbi - 2003-09-01 17:00:06
@Lyssa: Deine Mutter s��e _sowas_ locker aus? Wow, daran muss ich denken, wenn meine das n�chste Mal hier auftaucht. Das schont meine Nerven. Andere Leute trifft's also noch schlimmer. Au weiha.
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@Lyssa: Deine Mutter s��e _sowas_ locker aus? Wow, daran muss ich denken, wenn meine das n�chste Mal hier auftaucht. Das schont meine Nerven. Andere Leute trifft's also noch schlimmer. Au weiha. Axel - 2003-09-01 17:19:58
Lyssa: gute Besserung! Oder, auf gut elterlich: "Kind, man macht sich doch auch Sorgen wenn du so lang nicht bloggst!"
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Lyssa: gute Besserung! Oder, auf gut elterlich: "Kind, man macht sich doch auch Sorgen wenn du so lang nicht bloggst!" In�s - 2003-09-03 03:15:51
Liebe Lyssa, vielen, vielen Dank f�r diese Geschichte. Ich hab so viel dar�ber gelacht, dass ich sie abends weitererz�hlen musste - nur um festzustellen, dass Du sie viel besser geschrieben hast als ich sie erz�hlen kann. Ab sofort halte ich die Klappe und versende den Link. �berhaupt bin ich sehr von Deinem Blog beeindruckt: Du schreibst verdammt gut, finde ich, und hast ganz offensichtlich ein Gesp�r f�r Themen. Wie meinte Paul Auster mal (von dem ich sonst nicht so viel hale): Gute Geschichten passieren nur denen, die sie auch erz�hlen k�nnen. Gr��e aus dem S�den In�s
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Liebe Lyssa, vielen, vielen Dank f�r diese Geschichte. Ich hab so viel dar�ber gelacht, dass ich sie abends weitererz�hlen musste - nur um festzustellen, dass Du sie viel besser geschrieben hast als ich sie erz�hlen kann. Ab sofort halte ich die Klappe und versende den Link. �berhaupt bin ich sehr von Deinem Blog beeindruckt: Du schreibst verdammt gut, finde ich, und hast ganz offensichtlich ein Gesp�r f�r Themen. Wie meinte Paul Auster mal (von dem ich sonst nicht so viel hale): Gute Geschichten passieren nur denen, die sie auch erz�hlen k�nnen. Gr��e aus dem S�den In�s Lyssa - 2003-09-03 05:19:49
@In�s: Wow, vielen vielen Dank f�r das tolle Kompliment und das geniale Auster-Zitat. You made my day. Lieben Gru� in den (w�rmeren?) S�den.
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@In�s: Wow, vielen vielen Dank f�r das tolle Kompliment und das geniale Auster-Zitat. You made my day. Lieben Gru� in den (w�rmeren?) S�den.