2003-12-27 - 16:56 - Papa und der Wolf

Ich hoffe, Ihr habt sch�ne Weihnachtstage mit gutem Essen und noch besserer Unterhaltung, vor allem aber ohne gr��ere Familienkonflikte verbracht. Meine tendenzchaotische Familie bem�hte sich zwar redlich, den Feiertagen einen besinnlichen Anstrich zu geben, aber trotz Kirchgang (ohne Jesus, den Unbekannte vorher schon aus der Krippe entf�hrt hatten), riesiger Tanne und traditionellem G�nsebraten wurden unsere stillen N�chte sehr schnell vor allem eines: verdammt lustig.

Es begann Heiligabend schon kurz vor der Bescherung, als mein Vater nur noch eben in den Holzschuppen ging, um neue Scheite f�r den Kamin zu holen. Leider lie� er dabei die T�r hinter sich zufallen und sperrte sich selbst in den Schuppen. An sich kein Problem, schlie�lich hat der Mann immer ein Handy in der Tasche. Der Haken dabei war nur, da� wir im Haus nicht im Traum daran dachten, an unsere jeweiligen Telefone zu gehen.

Denn mein Vater hatte den Vormittag damit zugebracht, abwechselnd jedes Familienmitglied auf dem Handy anzurufen und erheitert zuzusehen, wie jemand hektisch aufsprang, um nach dem Telefon zu suchen. Als er dann abends schon wieder alle im Wechsel anrief, glaubten wir an eine Fortsetzung des albernen Klingelstreichs und ignorierten ihn einfach. H�tte er blo� fr�her mal zugeh�rt, als mir meine Oma "Peter und der Wolf" vorspielte ...

Irgendwann vermi�ten wir ihn dann aber doch (haupts�chlich weil sonst niemand an die oberen Kerzen kam) und erinnerten uns dunkel, ihn zuletzt auf dem Weg zum Holzschuppen gesehen zu haben. Dort sa� er dann tats�chlich, fror ein wenig und schnitzte aus Verzweiflung mit einem Taschenmesser kleine Botschaften in das Kaminholz. Und trotz unseres extrem geh�ssigen Gel�chters hat er die warme Deele dem Schuppen vorgezogen.

Dabei hatten wir w�hrend der Bescherung schon wieder reichlich Gelegenheit �ber den mit einer fiesen Familie gestraften Mann zu lachen. Er bekam n�mlich einen neuen Mantel als Geschenk �berreicht, dessen Vorgeschichte bereits die halbe Stadt kannte und den mein Vater schon tagelang ahnungslos getragen hatte. Immer in dem Glauben, er w�rde einen alten Mantel tragen.

Das Manteldrama begann schon vor etwas sechs Wochen, als es zum ersten Mal empfindlich kalt wurde und mein Vater sich auf die Suche nach seinem Wintermantel begab. Der lie� sich aber in keinem der vielen Schr�nke unseres weitl�ufigen Haushaltes finden und mein Vater wurde allm�hlich mi�trauisch. Schlie�lich ist die Angewohnheit meiner Mutter legend�r, ihrer Ansicht nach abgetragene Kleidungsst�cke eigenm�chtig auszusortieren und irgendwelchen Bed�rftigen zu �berlassen.

Meine Mutter beteuerte zwar, den Mantel nicht anger�hrt zu haben, aber wir konnte uns alle noch gut an die bedauernswerte Delegation aus der Ukraine erinnern, die vor einigen Wochen in unserem Haus zu Gast war. Mein Vater wurde daher den Verdacht nicht los, da� sein Wintermantel schon l�ngst die vom harten Leben gekr�mmten Schultern eines leidgepr�ften ukrainischen V�terchens w�rmte, w�hrend er frierend auf irgendwelchen Bahnh�fen stand und seinen leichten Sommermantel spazieren f�hrte.

Als er dann vor etwa zwei Wochen zu einer Beerdigung ins tiefste und eisigste Bayern fahren mu�te, wurde selbst meine Mutter vom Mitleid gepackt (fragt bitte nicht, warum mein Vater sich nicht l�ngst einen neuen Mantel gekauft hatte, hier geht es um Prinzipien). Und mit dem Mitleid kam pl�tzlich auch die Erinnerung an die fr�stelnde Delegation aus der Ukraine. Und die Erinnerung daran, da� der Mantel meines Vaters ja l�ngst abgetragen war ...

Also fuhr sie am Vorabend der Beerdigung kurz vor Gesch�ftsschlu� noch in die Stadt und kaufte einen neuen Wintermantel. Der war zwar viel dunkler als der alte, aus einem etwas anderen Stoff und mit einem v�llig anderen Kragen versehen, aber so etwas w�rde meinem Vater nie auffallen. Er war einfach nur hocherfreut, da� sein Mantel in letzter Minute wieder aufgetaucht war und sich sogar noch seine Handschuhe in der Manteltasche befanden.

Um so erstaunter war der Ahnungslose, als meine Mutter ihm Heiligabend unter wildem Gel�chter den vermeintlich alten Mantel als Geschenk �berreichte. Und aus unerfindlichen Gr�nden hat er sich nun in den Kopf gesetzt, am Montag in die Stadt zu fahren und einen gro�en Tresor f�r seine Bekleidung zu kaufen. Dabei w�re es hilfreicher, das Geld statt dessen an die Bed�rftigen in aller Welt zu spenden. Zumindest an den Teil der Welt, der irgendwann seinen Weg in unser Haus finden kann.

4 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Papa und der Wolf 2003-12-27 16:56 Ich hoffe, Ihr habt sch�ne Weihnachtstage mit gutem Essen und noch besserer Unterhaltung, vor allem aber ohne gr��ere Familienkonflikte verbracht. Meine tendenzchaotische Familie bem�hte sich zwar redlich, den Feiertagen einen besinnlichen Anstrich zu geben, aber trotz Kirchgang (ohne Jesus, den Unbekannte vorher schon aus der Krippe entf�hrt hatten), riesiger Tanne und traditionellem G�nsebraten wurden unsere stillen N�chte sehr schnell vor allem eines: verdammt lustig.

Es begann Heiligabend schon kurz vor der Bescherung, als mein Vater nur noch eben in den Holzschuppen ging, um neue Scheite f�r den Kamin zu holen. Leider lie� er dabei die T�r hinter sich zufallen und sperrte sich selbst in den Schuppen. An sich kein Problem, schlie�lich hat der Mann immer ein Handy in der Tasche. Der Haken dabei war nur, da� wir im Haus nicht im Traum daran dachten, an unsere jeweiligen Telefone zu gehen.

Denn mein Vater hatte den Vormittag damit zugebracht, abwechselnd jedes Familienmitglied auf dem Handy anzurufen und erheitert zuzusehen, wie jemand hektisch aufsprang, um nach dem Telefon zu suchen. Als er dann abends schon wieder alle im Wechsel anrief, glaubten wir an eine Fortsetzung des albernen Klingelstreichs und ignorierten ihn einfach. H�tte er blo� fr�her mal zugeh�rt, als mir meine Oma "Peter und der Wolf" vorspielte ...

Irgendwann vermi�ten wir ihn dann aber doch (haupts�chlich weil sonst niemand an die oberen Kerzen kam) und erinnerten uns dunkel, ihn zuletzt auf dem Weg zum Holzschuppen gesehen zu haben. Dort sa� er dann tats�chlich, fror ein wenig und schnitzte aus Verzweiflung mit einem Taschenmesser kleine Botschaften in das Kaminholz. Und trotz unseres extrem geh�ssigen Gel�chters hat er die warme Deele dem Schuppen vorgezogen.

Dabei hatten wir w�hrend der Bescherung schon wieder reichlich Gelegenheit �ber den mit einer fiesen Familie gestraften Mann zu lachen. Er bekam n�mlich einen neuen Mantel als Geschenk �berreicht, dessen Vorgeschichte bereits die halbe Stadt kannte und den mein Vater schon tagelang ahnungslos getragen hatte. Immer in dem Glauben, er w�rde einen alten Mantel tragen.

Das Manteldrama begann schon vor etwas sechs Wochen, als es zum ersten Mal empfindlich kalt wurde und mein Vater sich auf die Suche nach seinem Wintermantel begab. Der lie� sich aber in keinem der vielen Schr�nke unseres weitl�ufigen Haushaltes finden und mein Vater wurde allm�hlich mi�trauisch. Schlie�lich ist die Angewohnheit meiner Mutter legend�r, ihrer Ansicht nach abgetragene Kleidungsst�cke eigenm�chtig auszusortieren und irgendwelchen Bed�rftigen zu �berlassen.

Meine Mutter beteuerte zwar, den Mantel nicht anger�hrt zu haben, aber wir konnte uns alle noch gut an die bedauernswerte Delegation aus der Ukraine erinnern, die vor einigen Wochen in unserem Haus zu Gast war. Mein Vater wurde daher den Verdacht nicht los, da� sein Wintermantel schon l�ngst die vom harten Leben gekr�mmten Schultern eines leidgepr�ften ukrainischen V�terchens w�rmte, w�hrend er frierend auf irgendwelchen Bahnh�fen stand und seinen leichten Sommermantel spazieren f�hrte.

Als er dann vor etwa zwei Wochen zu einer Beerdigung ins tiefste und eisigste Bayern fahren mu�te, wurde selbst meine Mutter vom Mitleid gepackt (fragt bitte nicht, warum mein Vater sich nicht l�ngst einen neuen Mantel gekauft hatte, hier geht es um Prinzipien). Und mit dem Mitleid kam pl�tzlich auch die Erinnerung an die fr�stelnde Delegation aus der Ukraine. Und die Erinnerung daran, da� der Mantel meines Vaters ja l�ngst abgetragen war ...

Also fuhr sie am Vorabend der Beerdigung kurz vor Gesch�ftsschlu� noch in die Stadt und kaufte einen neuen Wintermantel. Der war zwar viel dunkler als der alte, aus einem etwas anderen Stoff und mit einem v�llig anderen Kragen versehen, aber so etwas w�rde meinem Vater nie auffallen. Er war einfach nur hocherfreut, da� sein Mantel in letzter Minute wieder aufgetaucht war und sich sogar noch seine Handschuhe in der Manteltasche befanden.

Um so erstaunter war der Ahnungslose, als meine Mutter ihm Heiligabend unter wildem Gel�chter den vermeintlich alten Mantel als Geschenk �berreichte. Und aus unerfindlichen Gr�nden hat er sich nun in den Kopf gesetzt, am Montag in die Stadt zu fahren und einen gro�en Tresor f�r seine Bekleidung zu kaufen. Dabei w�re es hilfreicher, das Geld statt dessen an die Bed�rftigen in aller Welt zu spenden. Zumindest an den Teil der Welt, der irgendwann seinen Weg in unser Haus finden kann.

Don - 2003-12-27 20:50:13
Man kann Deiner Mutter sicher das ein oder andere vorwerfen (Gatten im unklaren lassen, Erziehung), aber dass sie keine kreativen Einf�lle h�tte, die Ausgaben zum Weihnachtsfest in einem �berschaubaren Rahmen zu halten, sicher nicht.
-------------------------------
Man kann Deiner Mutter sicher das ein oder andere vorwerfen (Gatten im unklaren lassen, Erziehung), aber dass sie keine kreativen Einf�lle h�tte, die Ausgaben zum Weihnachtsfest in einem �berschaubaren Rahmen zu halten, sicher nicht. Lyssa - 2003-12-28 07:30:29
Erziehung? Erziehung?? Wessen Erziehung meinst Du? Und ja, Du solltest Deine Worte mit Bedacht w�hlen ;-)
-------------------------------
Erziehung? Erziehung?? Wessen Erziehung meinst Du? Und ja, Du solltest Deine Worte mit Bedacht w�hlen ;-) Georg - 2003-12-28 07:31:18
Die Erziehung Ihres Mannes? ;-)
-------------------------------
Die Erziehung Ihres Mannes? ;-) Thomas - 2003-12-29 19:39:58
Da f�hlt man sich angenehm an den Michel aus L�neberga erinnert :-). Und Frauen/M�tter, die einem in die Klamotten reinreden oder es gar wagen, diese eigenm�chte auszusortieren, sind die PEST!
-------------------------------
Da f�hlt man sich angenehm an den Michel aus L�neberga erinnert :-). Und Frauen/M�tter, die einem in die Klamotten reinreden oder es gar wagen, diese eigenm�chte auszusortieren, sind die PEST!