2002-04-22 - 10:28 p.m. - Komm, Fr�hling, mach uns schlank ...

Es gibt eine goldene Lebensregel, die da lautet: Keine Zahnarzttermine am Montag morgen. Und nat�rlich habe ich diese Regel (wie so einige andere auch) str�flich mi�achtet und b��e nun daf�r. Der Tag kann einfach nicht mehr gut werden, wenn man bereits um zehn Uhr besagten Zahnarzttermin hat, und sich dieser dann �ber sage und schreibe 2,5 Stunden erstreckt (und ich rede hier nicht von im Wartezimmer verbrachten Stunden, sondern von der tats�chlichen Verweildauer auf dem Stuhl des Grauens). Die Bet�ubung reicht immer noch bis zur Kopfhaut hinauf, hat daf�r den relevanten Nerv im Zahn trotz mehrerer Anl�ufe g�nzlich unber�hrt gelassen. Ouch!

Im Anschlu� hoffte ich dann, mich einem gro�en Milchkaffee in einem sonnenbeschienen Caf� an der Alster �ber die Unbilden des Lebens hinwegzutr�sten. Aber auch das war mir nicht verg�nnt. Denn zum Gl�ck fiel mir noch rechtzeitig ein, da� man mit bet�ubungsbedingter halbseitiger Gesichtsl�hmung eine eher ungl�ckliche Figur beim Kaffeetrinken abgibt - und zu allem �berflu� danach direkt mit der Reinigung seiner Kleidung beginnen kann.

Also ging ich zum Zeitschriftenh�ndler an der Ecke, um mich zumindest mit neuem Lesestoff, wenn auch ohne Kaffee, irgendwo an der Alster niederzulassen. Der ewigen FAZ-Leserei ein wenig �berdr�ssig, wollte ich mir mal wieder eine dieser herrliche �berfl�ssigen, aber doch gelegentlich ganz unterhaltsamen und vor allem g�nzlich politikfreien Frauenzeitschriften zu Gem�te f�hren. Aber was mir da schon beim ersten �berfliegen der Titel geboten wurde, lie� prompt einen jener recht seltenen Anf�lle von feministischer Rage in mir aufkommen.

Der Fr�hling hatte Einzug gehalten im weiblichen Infotainment-Bl�tterwald und zwar in Form der Fr�hjahrsdi�ten. Di�tanweisungen wohin das Auge blickt: "Schlank und fit in den Fr�hling", "Kampf dem Winterspeck", "Schnell abnehmen mit Trennkost", "Leicht und lecker abnehmen mit der Blutgruppendi�t" usw. Nicht eine Frauenzeitschrift weit und breit, die sich nicht dieses Dauerbrenners angenommen h�tte. Nicht eine, die uns nicht durch bunte Bilder strahlender Frauen, wei�bekittelte "Ern�hrungsexperten" und mahnende Worten zu neuer Selbstkasteiung motivieren wollte.

Und da soll man nicht in Rage geraten? Warum bitte m�ssen wir alle m�glichst genormt durch die Welt laufen und in Gr��e 36 passen? Warum sollen wir den Fr�hling stets mit einer Di�t assoziieren, statt mit Freude an den ersten Blumen im Park, mit dem ersten Eis (oh je, 340 g�nzlich �berfl�ssige Kalorien in nur zwei Kugeln), mit den ersten Sonnenstrahlen auf unseren nackten Armen und dem ersten lauen Wind im Haar? Warum d�rfen wir uns nicht auf den Sommer freuen, statt ihn wie einen Feind zu f�rchten, dem man nur mit frisch gest�hltem K�rper und neuer, noch knapperer Bademode entgegentreten kann? Warum d�rfen wir uns nicht in unseren K�rpern wohlf�hlen, auch wenn sie nicht Gr��e 36 haben? Wozu dieser Druck? Warum wird uns st�ndig suggeriert, da� nur sehr schlanke Frauen sch�n, begehrenswert, erfolgreich und vor allem gl�cklich sind? Und nicht zuletzt, warum betrifft es immer noch �berwiegend Frauen (ja, ja, ich wei�, dank Men's Health & Co wird auch der Druck auf M�nner gr��er), w�hrend M�nner mit Bierb�uchen voll gesellschaftsf�hig sind?

Dieses verschobene und vor allem extrem ungesunde Gesellschaftsbild treibt meinen Blutdruck regelm��ig in ungeahnte H�hen. Die meisten M�dchen haben heute die erste Di�t schon mit zw�lf Jahren hinter sich gebracht. Und wenn man sich erst mal den Drei�igern n�hert, kann man sie schon lange nicht mehr z�hlen, wenn man sich nicht sowieso in einer Art Dauerkriegszustand mit dem eigenen K�rper und den eigenen, v�llig nat�rlichen Bed�rfnissen befindet (und ich will mich selbst da gar nicht ausnehmen). Ist es da noch ein Wunder, da� die Zahl der E�st�rungen immer noch dramatisch zunimmt, und so jedes Jahr wieder zahllose M�dchen und junge Frauen ihre Jugend damit ruinieren - von den gravierenden Sp�tfolgen f�r ihre Gesundheit ganz zu schweigen. Erst k�rzlich hat die FAZ berichtet, da� sich Japan, wo E�st�rungen bislang weitgehend unbekannt waren, rapide unseren Krankheitsstatistiken ann�hert.

Am meisten �rgert mich dabei die Verkn�pfung "schlank = gl�cklich". Das mag auf den ersten Blick noch recht harmlos erscheinen, f�hrt aber im Umkehrschlu� dazu, da� zahllose Frauen st�ndig das Gef�hl haben, nicht wirklich gl�cklich sein zu k�nnen / d�rfen, solange sie nicht eine gewisse "Standardfigur" erreicht haben. Pl�tzlich kreist alles in ihrem Leben nur noch darum. Sie verlernen vollst�ndig, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen, den Moment zu genie�en, einfach mal so gl�cklich zu sein. Und was dann, was, wenn sie sich dann tats�chlich schlank gehungert haben? Setzt dann so eine Art Instant-Gl�ck ein? Nein, nat�rlich nicht, denn Schlanksein allein macht einfach nicht gl�cklich, ganz egal, was uns die zahlreichen Frauenzeitschriften auch suggerieren m�gen.

Nat�rlich tr�gt es gelegentlich zum Gl�cklichsein bei, wenn man von anderen f�r sein Aussehen bewundert wird, wenn man Anerkennung daf�r erh�lt, wenn man sich wohl f�hlt in seinem K�rper. Aber allein dadurch wird man nicht wirklich gl�cklich. An seinem Gl�ck mu� man arbeiten, genau wie am Wohlf�hlen im eigenen K�rper. Aber das f�ngt im Kopf an, nicht mit der n�chsten Wunderdi�t.

0 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Komm, Fr�hling, mach uns schlank ... 2002-04-22 10:28 p.m. Es gibt eine goldene Lebensregel, die da lautet: Keine Zahnarzttermine am Montag morgen. Und nat�rlich habe ich diese Regel (wie so einige andere auch) str�flich mi�achtet und b��e nun daf�r. Der Tag kann einfach nicht mehr gut werden, wenn man bereits um zehn Uhr besagten Zahnarzttermin hat, und sich dieser dann �ber sage und schreibe 2,5 Stunden erstreckt (und ich rede hier nicht von im Wartezimmer verbrachten Stunden, sondern von der tats�chlichen Verweildauer auf dem Stuhl des Grauens). Die Bet�ubung reicht immer noch bis zur Kopfhaut hinauf, hat daf�r den relevanten Nerv im Zahn trotz mehrerer Anl�ufe g�nzlich unber�hrt gelassen. Ouch!

Im Anschlu� hoffte ich dann, mich einem gro�en Milchkaffee in einem sonnenbeschienen Caf� an der Alster �ber die Unbilden des Lebens hinwegzutr�sten. Aber auch das war mir nicht verg�nnt. Denn zum Gl�ck fiel mir noch rechtzeitig ein, da� man mit bet�ubungsbedingter halbseitiger Gesichtsl�hmung eine eher ungl�ckliche Figur beim Kaffeetrinken abgibt - und zu allem �berflu� danach direkt mit der Reinigung seiner Kleidung beginnen kann.

Also ging ich zum Zeitschriftenh�ndler an der Ecke, um mich zumindest mit neuem Lesestoff, wenn auch ohne Kaffee, irgendwo an der Alster niederzulassen. Der ewigen FAZ-Leserei ein wenig �berdr�ssig, wollte ich mir mal wieder eine dieser herrliche �berfl�ssigen, aber doch gelegentlich ganz unterhaltsamen und vor allem g�nzlich politikfreien Frauenzeitschriften zu Gem�te f�hren. Aber was mir da schon beim ersten �berfliegen der Titel geboten wurde, lie� prompt einen jener recht seltenen Anf�lle von feministischer Rage in mir aufkommen.

Der Fr�hling hatte Einzug gehalten im weiblichen Infotainment-Bl�tterwald und zwar in Form der Fr�hjahrsdi�ten. Di�tanweisungen wohin das Auge blickt: "Schlank und fit in den Fr�hling", "Kampf dem Winterspeck", "Schnell abnehmen mit Trennkost", "Leicht und lecker abnehmen mit der Blutgruppendi�t" usw. Nicht eine Frauenzeitschrift weit und breit, die sich nicht dieses Dauerbrenners angenommen h�tte. Nicht eine, die uns nicht durch bunte Bilder strahlender Frauen, wei�bekittelte "Ern�hrungsexperten" und mahnende Worten zu neuer Selbstkasteiung motivieren wollte.

Und da soll man nicht in Rage geraten? Warum bitte m�ssen wir alle m�glichst genormt durch die Welt laufen und in Gr��e 36 passen? Warum sollen wir den Fr�hling stets mit einer Di�t assoziieren, statt mit Freude an den ersten Blumen im Park, mit dem ersten Eis (oh je, 340 g�nzlich �berfl�ssige Kalorien in nur zwei Kugeln), mit den ersten Sonnenstrahlen auf unseren nackten Armen und dem ersten lauen Wind im Haar? Warum d�rfen wir uns nicht auf den Sommer freuen, statt ihn wie einen Feind zu f�rchten, dem man nur mit frisch gest�hltem K�rper und neuer, noch knapperer Bademode entgegentreten kann? Warum d�rfen wir uns nicht in unseren K�rpern wohlf�hlen, auch wenn sie nicht Gr��e 36 haben? Wozu dieser Druck? Warum wird uns st�ndig suggeriert, da� nur sehr schlanke Frauen sch�n, begehrenswert, erfolgreich und vor allem gl�cklich sind? Und nicht zuletzt, warum betrifft es immer noch �berwiegend Frauen (ja, ja, ich wei�, dank Men's Health & Co wird auch der Druck auf M�nner gr��er), w�hrend M�nner mit Bierb�uchen voll gesellschaftsf�hig sind?

Dieses verschobene und vor allem extrem ungesunde Gesellschaftsbild treibt meinen Blutdruck regelm��ig in ungeahnte H�hen. Die meisten M�dchen haben heute die erste Di�t schon mit zw�lf Jahren hinter sich gebracht. Und wenn man sich erst mal den Drei�igern n�hert, kann man sie schon lange nicht mehr z�hlen, wenn man sich nicht sowieso in einer Art Dauerkriegszustand mit dem eigenen K�rper und den eigenen, v�llig nat�rlichen Bed�rfnissen befindet (und ich will mich selbst da gar nicht ausnehmen). Ist es da noch ein Wunder, da� die Zahl der E�st�rungen immer noch dramatisch zunimmt, und so jedes Jahr wieder zahllose M�dchen und junge Frauen ihre Jugend damit ruinieren - von den gravierenden Sp�tfolgen f�r ihre Gesundheit ganz zu schweigen. Erst k�rzlich hat die FAZ berichtet, da� sich Japan, wo E�st�rungen bislang weitgehend unbekannt waren, rapide unseren Krankheitsstatistiken ann�hert.

Am meisten �rgert mich dabei die Verkn�pfung "schlank = gl�cklich". Das mag auf den ersten Blick noch recht harmlos erscheinen, f�hrt aber im Umkehrschlu� dazu, da� zahllose Frauen st�ndig das Gef�hl haben, nicht wirklich gl�cklich sein zu k�nnen / d�rfen, solange sie nicht eine gewisse "Standardfigur" erreicht haben. Pl�tzlich kreist alles in ihrem Leben nur noch darum. Sie verlernen vollst�ndig, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen, den Moment zu genie�en, einfach mal so gl�cklich zu sein. Und was dann, was, wenn sie sich dann tats�chlich schlank gehungert haben? Setzt dann so eine Art Instant-Gl�ck ein? Nein, nat�rlich nicht, denn Schlanksein allein macht einfach nicht gl�cklich, ganz egal, was uns die zahlreichen Frauenzeitschriften auch suggerieren m�gen.

Nat�rlich tr�gt es gelegentlich zum Gl�cklichsein bei, wenn man von anderen f�r sein Aussehen bewundert wird, wenn man Anerkennung daf�r erh�lt, wenn man sich wohl f�hlt in seinem K�rper. Aber allein dadurch wird man nicht wirklich gl�cklich. An seinem Gl�ck mu� man arbeiten, genau wie am Wohlf�hlen im eigenen K�rper. Aber das f�ngt im Kopf an, nicht mit der n�chsten Wunderdi�t.