2002-08-16 - 18:10 - Allein unter Irren

Allm�hlich frage ich mich, ob ich nicht doch besser noch ein paar Wochen an der Nordsee h�tte bleiben sollen - Spanner hin oder her. Hier leide ich n�mlich zum ersten Mal seit vielen Jahren an einer Art Gro�stadtkoller (was auch an meinem sehr l�ndlich gepr�gten letzten Wochenende liegen mag, aber dazu sp�ter mehr), und das obwohl ich Hamburg sonst immer als wohltuend ruhige, friedliche, ja geradezu beschauliche Gro�stadt empfand. Aber momentan scheinen hier alle von einer Art Sommerfieber befallen zu sein, das die Menschen wahnsinnig und die Stadt ungewohnt hektisch macht.

Der omin�se Slip in meinem Briefkasten war wohl nur ein erstes Anzeichen dieses sonderbaren Fiebers. Mittlerweile beschleicht mich immer h�ufiger das Gef�hl, da� ich hier vielleicht doch nicht in einem seri�sen Haus in einer der sogenannten "besseren" Gegenden Hamburgs wohne, sondern da� es sich hierbei doch blo� um eine gut getarnte Irrenanstalt handelt, in welche betuchte B�rger ihre degenerierten Familienmitglieder zur ortsnahen Aufbewahrung geben. Anders l��t sich das Verhalten einiger Nachbarn beim besten Willen nicht mehr erkl�ren. Ich f�hle mich in alte Zeiten als zur�ckversetzt, als ich noch Insasse eines Studentenwohnheims war, was letztlich einer Anstalt recht nahe kommt.

Auch damals gab es ausreichend Bewohner, die ohne R�cksicht auf Verluste mitten in der Nacht zu lautem Heavy-Metal-Gekreische Sex hatten oder in dem Zimmer �ber mir versuchten, sich ihr erhebliches �bergewicht durch n�chtliches Samba-Gestampfe abzutrainieren. Die aktuelle Quelle meines n�chtlichen Ungemachs ist hingegen eher zierlich, von Beruf DJane und angehende Techno-S�ngerin (nur leider hat wohl noch keiner ihre vermeintlichen Qualit�ten erkannt, so da� au�er den Nachbarn niemand in den Genu� selbiger kommt), mit einem p�beligen Freund gesegnet und wohnhaft zwei Etagen unter mir.

Nicht genug, da� sie sich gerne gegen Mittag (wenn sie denn aufzustehen geruht) mit Whitney Houston oder Britney Spears vom Technogewummer der vergangenen Nacht erholt - und das nat�rlich keineswegs auf Zimmerlautst�rke, ihr berufsbedingter H�rschaden verlangt mittlerweile nach Beschallung der gesamten Stra�e. Oder da� sie erst gegen 23 Uhr mit ihren ausgiebigen Sanges�bungen beginnt. Nein, neuerdings ist sie auch dazu �bergegangen, mitten in der Nacht bei ge�ffnetem Fenster (unter meinem Schlafzimmer) lautstark mit ihrem zu Unfl�tigkeiten neigenden Freund zu diskutieren.

In der ersten Nacht hatte ich so gegen zwei Uhr die Nase voll, und da schlossen sie auch auf meine freundliche Nachfrage hin das Fenster. In der zweiten Nacht, so gegen halb vier, schlossen sie wiederum auf meine Bitte hin das Fenster, allerdings nur unter unverst�ndlichen Verw�nschungen seitens des Freundes. In der letzten Nacht haben sie dann erst gegen vier begonnen, und ich war kurz vor f�nf endg�ltig der Verzweiflung nahe. Auf meine Bitte nach Ruhe folgte diesmal allerdings lautstarkes Gep�bel, das auch garantiert jeden gerade noch schlafenden Nachbarn geweckt haben d�rfte: "Mach dich ma logger, Alde, geh endlich wieder schlafen." Ha, schlafen, ein guter Witz! Auf meinen vorsichtigen Einwand hin, da� eben jenes mir leider nicht m�glich sei, folgte noch mehr P�belei, die ich hier aus Gr�nden des Jugendschutzes nicht wiederholen kann (mein Vater w�rde dazu "durchsetzt mit sexuell gef�rbter F�kalsprache" sagen). Geschlossen wurde diesmal au�er ihrem Verstand leider gar nichts.

Als ich dann heute mittag die Aussprache suchte (und sie offensichtlich gegen 13 Uhr aus dem Schlaf gerissen hatte), bekam ich nur zu h�ren, da� sie es satt h�tte, jede Nacht von mir ein lautes "Ruhe" zu h�ren und sich daran k�nftig einfach nicht mehr st�ren wolle. Au�erdem w�rden andere Leute im Haus schlie�lich auch mal reden oder laut Musik h�ren und sie damit ganz schrecklich nerven, dann h�tte sie ja wohl auch jedes Recht dazu. Und es sei schlie�lich nicht ihre Schuld, da� sie tags�ber schl�ft und nun mal nebst ihrem "Besuch" eher nachtaktiv ist. Tja, was will man einer derartig schl�ssigen Argumentationskette noch gro� entgegensetzen? Einem derartig weltfremden Wahn (wo hat die Gute blo� vorher gewohnt, in einer schallisolierten Gummizelle?) kann man wohl nur mit anderen Mitteln begegnen. Ich kann mich blo� noch nicht entscheiden, ob ich ihr erst die Vermieterin, dann die Polizei und dann meine drei gr��ten, breitesten m�nnlichen Bekannten vorbeischicke, oder ob vielleicht eine andere Reihenfolge mein Leiden verk�rzen w�rde. (Vorschl�ge diesbez�glich? Es darf noch abgestimmt werden.)

Aber die Irren sind nicht nur in meinem Haus, sie sind offensichtlich auch auf der Stra�e unterwegs. Und einer von ihnen, bezeichnenderweise ein tats�chlich Anstaltsfl�chtiger aus meiner alten Heimatstadt, hat gestern mit einer Eisenstange in der Hand mein schnuckeliges, kleines Auto eingehend inspiziert. Dabei gefielen ihm meine gl�nzenden Au�enspiegel augenscheinlich so gut, da� er sie gleich abschlagen mu�te. Hilfe, die Liste meiner Geburtstagsw�nsche wird immer l�nger: Neben dem Insektenspray gegen l�stige Nachbarn und den zwei Doberm�nnern steht nun auch eine eigene, speziell gegen Irre gesicherte Garage darauf.

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Allein unter Irren 2002-08-16 18:10 Allm�hlich frage ich mich, ob ich nicht doch besser noch ein paar Wochen an der Nordsee h�tte bleiben sollen - Spanner hin oder her. Hier leide ich n�mlich zum ersten Mal seit vielen Jahren an einer Art Gro�stadtkoller (was auch an meinem sehr l�ndlich gepr�gten letzten Wochenende liegen mag, aber dazu sp�ter mehr), und das obwohl ich Hamburg sonst immer als wohltuend ruhige, friedliche, ja geradezu beschauliche Gro�stadt empfand. Aber momentan scheinen hier alle von einer Art Sommerfieber befallen zu sein, das die Menschen wahnsinnig und die Stadt ungewohnt hektisch macht.

Der omin�se Slip in meinem Briefkasten war wohl nur ein erstes Anzeichen dieses sonderbaren Fiebers. Mittlerweile beschleicht mich immer h�ufiger das Gef�hl, da� ich hier vielleicht doch nicht in einem seri�sen Haus in einer der sogenannten "besseren" Gegenden Hamburgs wohne, sondern da� es sich hierbei doch blo� um eine gut getarnte Irrenanstalt handelt, in welche betuchte B�rger ihre degenerierten Familienmitglieder zur ortsnahen Aufbewahrung geben. Anders l��t sich das Verhalten einiger Nachbarn beim besten Willen nicht mehr erkl�ren. Ich f�hle mich in alte Zeiten als zur�ckversetzt, als ich noch Insasse eines Studentenwohnheims war, was letztlich einer Anstalt recht nahe kommt.

Auch damals gab es ausreichend Bewohner, die ohne R�cksicht auf Verluste mitten in der Nacht zu lautem Heavy-Metal-Gekreische Sex hatten oder in dem Zimmer �ber mir versuchten, sich ihr erhebliches �bergewicht durch n�chtliches Samba-Gestampfe abzutrainieren. Die aktuelle Quelle meines n�chtlichen Ungemachs ist hingegen eher zierlich, von Beruf DJane und angehende Techno-S�ngerin (nur leider hat wohl noch keiner ihre vermeintlichen Qualit�ten erkannt, so da� au�er den Nachbarn niemand in den Genu� selbiger kommt), mit einem p�beligen Freund gesegnet und wohnhaft zwei Etagen unter mir.

Nicht genug, da� sie sich gerne gegen Mittag (wenn sie denn aufzustehen geruht) mit Whitney Houston oder Britney Spears vom Technogewummer der vergangenen Nacht erholt - und das nat�rlich keineswegs auf Zimmerlautst�rke, ihr berufsbedingter H�rschaden verlangt mittlerweile nach Beschallung der gesamten Stra�e. Oder da� sie erst gegen 23 Uhr mit ihren ausgiebigen Sanges�bungen beginnt. Nein, neuerdings ist sie auch dazu �bergegangen, mitten in der Nacht bei ge�ffnetem Fenster (unter meinem Schlafzimmer) lautstark mit ihrem zu Unfl�tigkeiten neigenden Freund zu diskutieren.

In der ersten Nacht hatte ich so gegen zwei Uhr die Nase voll, und da schlossen sie auch auf meine freundliche Nachfrage hin das Fenster. In der zweiten Nacht, so gegen halb vier, schlossen sie wiederum auf meine Bitte hin das Fenster, allerdings nur unter unverst�ndlichen Verw�nschungen seitens des Freundes. In der letzten Nacht haben sie dann erst gegen vier begonnen, und ich war kurz vor f�nf endg�ltig der Verzweiflung nahe. Auf meine Bitte nach Ruhe folgte diesmal allerdings lautstarkes Gep�bel, das auch garantiert jeden gerade noch schlafenden Nachbarn geweckt haben d�rfte: "Mach dich ma logger, Alde, geh endlich wieder schlafen." Ha, schlafen, ein guter Witz! Auf meinen vorsichtigen Einwand hin, da� eben jenes mir leider nicht m�glich sei, folgte noch mehr P�belei, die ich hier aus Gr�nden des Jugendschutzes nicht wiederholen kann (mein Vater w�rde dazu "durchsetzt mit sexuell gef�rbter F�kalsprache" sagen). Geschlossen wurde diesmal au�er ihrem Verstand leider gar nichts.

Als ich dann heute mittag die Aussprache suchte (und sie offensichtlich gegen 13 Uhr aus dem Schlaf gerissen hatte), bekam ich nur zu h�ren, da� sie es satt h�tte, jede Nacht von mir ein lautes "Ruhe" zu h�ren und sich daran k�nftig einfach nicht mehr st�ren wolle. Au�erdem w�rden andere Leute im Haus schlie�lich auch mal reden oder laut Musik h�ren und sie damit ganz schrecklich nerven, dann h�tte sie ja wohl auch jedes Recht dazu. Und es sei schlie�lich nicht ihre Schuld, da� sie tags�ber schl�ft und nun mal nebst ihrem "Besuch" eher nachtaktiv ist. Tja, was will man einer derartig schl�ssigen Argumentationskette noch gro� entgegensetzen? Einem derartig weltfremden Wahn (wo hat die Gute blo� vorher gewohnt, in einer schallisolierten Gummizelle?) kann man wohl nur mit anderen Mitteln begegnen. Ich kann mich blo� noch nicht entscheiden, ob ich ihr erst die Vermieterin, dann die Polizei und dann meine drei gr��ten, breitesten m�nnlichen Bekannten vorbeischicke, oder ob vielleicht eine andere Reihenfolge mein Leiden verk�rzen w�rde. (Vorschl�ge diesbez�glich? Es darf noch abgestimmt werden.)

Aber die Irren sind nicht nur in meinem Haus, sie sind offensichtlich auch auf der Stra�e unterwegs. Und einer von ihnen, bezeichnenderweise ein tats�chlich Anstaltsfl�chtiger aus meiner alten Heimatstadt, hat gestern mit einer Eisenstange in der Hand mein schnuckeliges, kleines Auto eingehend inspiziert. Dabei gefielen ihm meine gl�nzenden Au�enspiegel augenscheinlich so gut, da� er sie gleich abschlagen mu�te. Hilfe, die Liste meiner Geburtstagsw�nsche wird immer l�nger: Neben dem Insektenspray gegen l�stige Nachbarn und den zwei Doberm�nnern steht nun auch eine eigene, speziell gegen Irre gesicherte Garage darauf.