2003-03-01 - 23:52 - Vampire Martini

Das beherrschende Thema des Wochenendes, und damit verantwortlich f�r meine Abwesenheit hier, hei�t Umz�ge. Und damit meine ich nicht diese sonderbaren Stra�en-Veranstaltungen, die alkoholisierten und zwangskost�mierten Rheinl�ndern als Entschuldigung daf�r dienen, sich gegenseitig S��waren an den Kopf zu werfen und au�erehelichen Geschlechtsverkehr im Zustand absoluter Unzurechnungsf�higkeit zu zelebrieren.

Ich rede hier von der viel �bleren Variante der Hausrats-Umz�ge enger Freunde. Q will morgen endg�ltig seine Sachen nach Berlin schaffen, und Maximilian hat bereits heute seinen Hausstand mit dem seiner Verlobten zusammengelegt. Das bedeutete, da� wir ab neun Uhr morgens zun�chst seine Sachen aus dem zweiten Stock in einen Transporter laden, dann ihre noch viel zahlreicheren Wohnaccessoires aus dem f�nften Stock dazu packen und beides schlie�lich in einem dritten Haus wieder in den f�nften Stock schaffen durften. Alles ohne Fahrstuhl, versteht sich.

Immerhin wurde Maximilians Umzug erheblich aufgelockert durch die Tatsache, da� ein gro�er Teil der Umzugskisten aus zweiter Hand stammte und daher auch bereits fremd-beschriftet war. So schleppten Marets Eltern und die angeheuerten Hilfskr�fte mit gro�en Augen Kartons, auf denen Dinge standen wie: "Schlafzimmer - Fetisch & Co."

Die gr��te �berraschung bot aber der Umzug meines Nachbarn von gegen�ber. Paul wohnt auf der anderen Seite der Gasse, eine Etage tiefer. Wir haben uns noch nie auf der Stra�e getroffen, nie ein Wort gewechselt, sondern "kennen" uns nur vom Durchs-Fenster-Sehen. In einsamen N�chten haben wir uns gelegentlich verstohlen zugewinkt, und dann gleich wieder hinter unseren B�chern versteckt.

Eben dieser Paul zieht nun eine Stra�e weiter, und ich hatte �ber Dritte erfahren, da� er sein altes Bett verschenken m�chte. Also bin ich gestern abend zu ihm r�bergegangen, um mich danach zu erkundigen. Eine komische Situation. Wie stellt man sich vor, wenn man sich bereits zwei Jahre lang durchs Fenster beim Leben zugesehen hat? Siezt man sich? Gibt man sich wohlerzogen die Hand?

Aber die Unsicherheit gab sich innerhalb von Sekunden. Paul und ich waren uns auf Anhieb sehr sympathisch, und au�erdem kamen mir die vorderen R�ume der Wohnung fast so bekannt vor wie meine eigenen. Aus der Bett-Begutachtung wurde prompt ein mehrst�ndiges Probeliegen mit Rotweinausschank (nein, wir waren bekleidet und hielten einen geb�hrenden Abstand ein).

Das Gespr�ch landete nach einer Weile beim Thema Reisen, und eine Geschichte jagte die n�chste. W�re der Wein besser und die Sitzgelegenheit bequemer gewesen, h�tten wir vermutlich genauso gut zwei alten Herren in einem britischen Club lauschen k�nnen. Paul ist ein gefragter Kameramann, der beruflich fast st�ndig unterwegs ist, und ich bin auch nicht grad als die Se�hafteste bekannt.

Schlie�lich mu�ten wir unser Gespr�ch ins Wohnzimmer verlagern, um zu der jeweiligen Geschichte die passende Kiste mit Erinnerungsst�cken durchw�hlen zu k�nnen. Und da Paul ohnehin grad beim umzugsbedingten Aussortieren seiner Habseligkeiten war, gingen einige besonders wunderliche Souvenirs gleich in meinen Besitz �ber.

So ist meine Sammlung an weltweiten Merkw�rdigkeiten (zu der u.a. selbstgemachte Becher aus Kudu-Hodens�cken und diverse zentralafrikanische Fetische geh�ren) seit gestern um einen alten, kn�chernen Schwertgriff aus Java und einen riesigen Bison-Knochen aus dem Pleistoz�n reicher. Das beste Geschenk aus dem Hause Pauls ist aber der "Vampire Martini".

Dabei handelt es sich um ein kleines Einweckglas, in dem eine tote Fledermaus (bei der man sogar die Gesichtsz�ge noch deutlich erkennen kann) und eine Olive in reichlich Wodka konserviert sind (stirred, not shaken). Das Ding hat er wohl vor 15 Jahren in einem Voodoo-Laden in New Orleans geschenkt bekommen, und nun ist es auf meinen Schreibtisch umgezogen. Es macht sich gut dort neben dem Hodensack-Becher, der als Stifthalter dient (ich f�rchte nur, Besucher werden da ganz andere Ansicht sein).

Das Bett? Ach, das steht immer noch bei Paul und wartet auf den n�chsten Rotwein-Abend, bevor er in zwei Wochen endg�ltig umzieht. Schade eigentlich, da� wir so lange nur Fenster-Bekannte waren.

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Vampire Martini 2003-03-01 23:52 Das beherrschende Thema des Wochenendes, und damit verantwortlich f�r meine Abwesenheit hier, hei�t Umz�ge. Und damit meine ich nicht diese sonderbaren Stra�en-Veranstaltungen, die alkoholisierten und zwangskost�mierten Rheinl�ndern als Entschuldigung daf�r dienen, sich gegenseitig S��waren an den Kopf zu werfen und au�erehelichen Geschlechtsverkehr im Zustand absoluter Unzurechnungsf�higkeit zu zelebrieren.

Ich rede hier von der viel �bleren Variante der Hausrats-Umz�ge enger Freunde. Q will morgen endg�ltig seine Sachen nach Berlin schaffen, und Maximilian hat bereits heute seinen Hausstand mit dem seiner Verlobten zusammengelegt. Das bedeutete, da� wir ab neun Uhr morgens zun�chst seine Sachen aus dem zweiten Stock in einen Transporter laden, dann ihre noch viel zahlreicheren Wohnaccessoires aus dem f�nften Stock dazu packen und beides schlie�lich in einem dritten Haus wieder in den f�nften Stock schaffen durften. Alles ohne Fahrstuhl, versteht sich.

Immerhin wurde Maximilians Umzug erheblich aufgelockert durch die Tatsache, da� ein gro�er Teil der Umzugskisten aus zweiter Hand stammte und daher auch bereits fremd-beschriftet war. So schleppten Marets Eltern und die angeheuerten Hilfskr�fte mit gro�en Augen Kartons, auf denen Dinge standen wie: "Schlafzimmer - Fetisch & Co."

Die gr��te �berraschung bot aber der Umzug meines Nachbarn von gegen�ber. Paul wohnt auf der anderen Seite der Gasse, eine Etage tiefer. Wir haben uns noch nie auf der Stra�e getroffen, nie ein Wort gewechselt, sondern "kennen" uns nur vom Durchs-Fenster-Sehen. In einsamen N�chten haben wir uns gelegentlich verstohlen zugewinkt, und dann gleich wieder hinter unseren B�chern versteckt.

Eben dieser Paul zieht nun eine Stra�e weiter, und ich hatte �ber Dritte erfahren, da� er sein altes Bett verschenken m�chte. Also bin ich gestern abend zu ihm r�bergegangen, um mich danach zu erkundigen. Eine komische Situation. Wie stellt man sich vor, wenn man sich bereits zwei Jahre lang durchs Fenster beim Leben zugesehen hat? Siezt man sich? Gibt man sich wohlerzogen die Hand?

Aber die Unsicherheit gab sich innerhalb von Sekunden. Paul und ich waren uns auf Anhieb sehr sympathisch, und au�erdem kamen mir die vorderen R�ume der Wohnung fast so bekannt vor wie meine eigenen. Aus der Bett-Begutachtung wurde prompt ein mehrst�ndiges Probeliegen mit Rotweinausschank (nein, wir waren bekleidet und hielten einen geb�hrenden Abstand ein).

Das Gespr�ch landete nach einer Weile beim Thema Reisen, und eine Geschichte jagte die n�chste. W�re der Wein besser und die Sitzgelegenheit bequemer gewesen, h�tten wir vermutlich genauso gut zwei alten Herren in einem britischen Club lauschen k�nnen. Paul ist ein gefragter Kameramann, der beruflich fast st�ndig unterwegs ist, und ich bin auch nicht grad als die Se�hafteste bekannt.

Schlie�lich mu�ten wir unser Gespr�ch ins Wohnzimmer verlagern, um zu der jeweiligen Geschichte die passende Kiste mit Erinnerungsst�cken durchw�hlen zu k�nnen. Und da Paul ohnehin grad beim umzugsbedingten Aussortieren seiner Habseligkeiten war, gingen einige besonders wunderliche Souvenirs gleich in meinen Besitz �ber.

So ist meine Sammlung an weltweiten Merkw�rdigkeiten (zu der u.a. selbstgemachte Becher aus Kudu-Hodens�cken und diverse zentralafrikanische Fetische geh�ren) seit gestern um einen alten, kn�chernen Schwertgriff aus Java und einen riesigen Bison-Knochen aus dem Pleistoz�n reicher. Das beste Geschenk aus dem Hause Pauls ist aber der "Vampire Martini".

Dabei handelt es sich um ein kleines Einweckglas, in dem eine tote Fledermaus (bei der man sogar die Gesichtsz�ge noch deutlich erkennen kann) und eine Olive in reichlich Wodka konserviert sind (stirred, not shaken). Das Ding hat er wohl vor 15 Jahren in einem Voodoo-Laden in New Orleans geschenkt bekommen, und nun ist es auf meinen Schreibtisch umgezogen. Es macht sich gut dort neben dem Hodensack-Becher, der als Stifthalter dient (ich f�rchte nur, Besucher werden da ganz andere Ansicht sein).

Das Bett? Ach, das steht immer noch bei Paul und wartet auf den n�chsten Rotwein-Abend, bevor er in zwei Wochen endg�ltig umzieht. Schade eigentlich, da� wir so lange nur Fenster-Bekannte waren.