2002-05-31 - 4:26 p.m. - Der Trick mit der telefonischen Kommunikation

Aus aktuellem Anla�, und da ich eh grad dabei bin, die seltsamen Gewohnheiten meiner lieben Mitmenschen ans schummrige Licht der Internet-�ffentlichkeit zu zerren, mu� ich heute einfach mal ein paar Worte zum Telefonverhalten einiger Ausgew�hlter verlieren. Nat�rlich gibt es da zun�chst mal die Vieltelefonierer, mit denen man bequem auch ein oder zwei Stunden am Telefon zubringen kann (konservativ gesch�tzt), dabei getrennt aber doch gemeinsam Rotwein trinkt und damit an regnerischen Abenden auch gerne mal den Kneipenbesuch ersetzen kann. Den krassen Gegensatz dazu bilden nat�rlich jene Zeitgenossen, die beim Anblick eines Telefons sofort von akuter Zungenl�hmung nebst Stimmbandverk�rzung befallen werden, und in dann in maximal drei Minuten bestenfalls noch mit monotoner Stimme die wichtigsten Informationen in den verha�ten H�rer stottern k�nnen. Zum Gl�ck sind jene, denen es so ergeht und die Telefonieren nicht f�r eine legitime Freizeitbesch�ftigung halten, allm�hlich vom Aussterben bedroht.

Die gleiche Unterscheidung gilt vom Prinzip her auch f�r die, die gelegentlich mit Anrufbeantwortern kommunizieren (m�ssen). Auch da gibt es die, f�r die keine Kassette lang genug sein kann, die sich gem�tlich in den Sessel kuscheln, sobald die blecherne Ansage ert�nt, und dies als Aufforderung verstehen, dem Ger�t - quasi als Therapeutenersatz - sowohl ihre aktuelle Gef�hlslage als auch ihre Lebensgeschichte mitzuteilen. Und andererseits nat�rlich diejenigen, denen der Schwei� schon nach dem ersten Klicken des ABs von der Stirn perlt, und die dann grad noch m�hsam ein "�hm, ich bin's, ja ... ruf doch mal zur�ck ... Ja, tsch��, �hm, ..., ach ja, Dieter hier" stammeln k�nnen.

Aber es gibt auch echte Paradiesv�gel unter den Telefonierern; und da ausgerechnet ich mit solchen verwandt bin, komme ich gelegentlich nicht umhin, Zeuge (b�swillige Naturen w�rden hier statt dessen "Opfer" schreiben) ihres sonderbaren Verhaltens zu werden. Wenn andere Menschen meines Alters ihre Eltern anrufen, dann folgt meist ein ruhiges Gespr�ch, in dessen Verlauf sich beide Seiten auf den aktuellen Ereignisstand bringen oder �hnliches. Wenn ich meine Eltern anrufe, dann folgt meist etwas, das man eher als Chaos, denn als Kommunikation beschreiben kann. Sofern �berhaupt jemand mit mir spricht, denn es kann auch vorkommen, da� meine Mutter einfach nur: "Schatz, ich hab grad leider keine Zeit und ruf Dich in x Minuten zur�ck", sagt und sofort wieder auflegt. Meist bleibt es auch dabei, denn sie vergi�t sofort, da� ich �berhaupt angerufen habe - ich w�rde sogar unterstellen, da� sie auch meine Existenz vergi�t, bis ich mich durch einen erneuten Anruf wieder in Erinnerung rufe.

Sollte ich meine Eltern dann tats�chlich mal direkt erreichen, ist auch das noch keine Garantie f�r ein ruhiges, sinnvolles Gespr�ch. Meist bricht nach den ersten paar S�tzen irgendwo im Haus das Chaos aus (wir haben zwar nur einen kleinen, aber daf�r sehr lauten Haushalt in einem sehr gro�en Haus), so da� das Gespr�ch abrupt mit den Worten: "aaaahh, der Hund (wahlweise auch der Bruder oder sonstwer) ... ", unterbrochen, der H�rer mit lautem Klappern auf den Tisch geworfen wird, und ich w�hrend der n�chsten f�nf Minuten wilden Hintergrundger�uschen folgen darf, die vom Klang her irgendwo zwischen Hitchcock und modernen Splatter-Filmen angesiedelt sind. Wenn grad nicht der Hund f�r Unterbrechung sorgt, dann reden statt dessen gerne andere Familienmitglieder lautstark dazwischen ("ach, das stimmt doch so gar nicht, hier, la� mich mal ..."), rei�en sich gegenseitig den H�rer aus der Hand, lassen ihn fallen, oder sorgen sonstwie daf�r, da� das Gespr�ch fr�her oder sp�ter in wildem Gel�chter untergeht. Kommunikatives Chaos eben ...

Ein ganz anderer Fall ist Marc, der momentan f�r vier Monate in London weilt, was unserer bekannten Telefonfrequenz keinen Abbruch getan hat. Allerdings mu�ten wir unsere sonstigen Modalit�ten doch arg umstellen. Er wohnt dort n�mlich zur Untermiete und darf das Telefon seiner Vermieterin nicht benutzen, nicht mal anrufen kann man ihn dort. Statt dessen mu� ich ihn also tags�ber in seinem B�ro anrufen, oder er mu� abends die Telefonzelle gegen�ber seines Wohnhauses zum Wohnzimmer umfunktionieren (was ihm sicherlich nicht nur wegen der eingeschr�nkten Raumfreiheit zu schaffen macht, denn so ist er gelegentlich gezwungen, noch mal eben in Jogginghosen auf die Stra�e zu laufen - ein fashion faux pas, den ihm seine Eitelkeit in Hamburg nie gestatten w�rde).

Er hat es sich also zur Angewohnheit gemacht, mir eine SMS zu schicken, sobald er im B�ro Zeit und Gelegenheit f�r ein entspanntes Telefonat hat. Allerdings werden seine SMS, anders als unsere Telefonate (gelobt sei die Liberalisierung des Telefonmarktes), fast t�glich k�rzer. Zu Beginn hatte er sich noch aufraffen k�nnen, ein freundliches "Guten Morgen, ruf doch mal an" zu tippen. Daraus wurde dann schnell ein "Bin jetzt im B�ro", was mittlerweile, sehr zu meinem Mi�fallen, zu einem leicht herrisch anmutenden "Call" verk�rzt wurde. Ich war bereits leicht grummelig deswegen (ich bin nicht nur Sprachpurist sondern auch als Anh�nger guter Umgangsformen verschrieen), doch heute morgen hat er sich selbst �bertroffen. Zur gewohnten Zeit piepste mein Handy und hatte mir tats�chlich nicht mehr als ein bescheidenes "!" mitzuteilen. Ob ich ihn daraufhin angerufen habe? Nat�rlich nicht!

(Und genauso nat�rlich bin ich nach einem Anruf seinerseits wieder schwach geworden ...)

0 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Der Trick mit der telefonischen Kommunikation 2002-05-31 4:26 p.m. Aus aktuellem Anla�, und da ich eh grad dabei bin, die seltsamen Gewohnheiten meiner lieben Mitmenschen ans schummrige Licht der Internet-�ffentlichkeit zu zerren, mu� ich heute einfach mal ein paar Worte zum Telefonverhalten einiger Ausgew�hlter verlieren. Nat�rlich gibt es da zun�chst mal die Vieltelefonierer, mit denen man bequem auch ein oder zwei Stunden am Telefon zubringen kann (konservativ gesch�tzt), dabei getrennt aber doch gemeinsam Rotwein trinkt und damit an regnerischen Abenden auch gerne mal den Kneipenbesuch ersetzen kann. Den krassen Gegensatz dazu bilden nat�rlich jene Zeitgenossen, die beim Anblick eines Telefons sofort von akuter Zungenl�hmung nebst Stimmbandverk�rzung befallen werden, und in dann in maximal drei Minuten bestenfalls noch mit monotoner Stimme die wichtigsten Informationen in den verha�ten H�rer stottern k�nnen. Zum Gl�ck sind jene, denen es so ergeht und die Telefonieren nicht f�r eine legitime Freizeitbesch�ftigung halten, allm�hlich vom Aussterben bedroht.

Die gleiche Unterscheidung gilt vom Prinzip her auch f�r die, die gelegentlich mit Anrufbeantwortern kommunizieren (m�ssen). Auch da gibt es die, f�r die keine Kassette lang genug sein kann, die sich gem�tlich in den Sessel kuscheln, sobald die blecherne Ansage ert�nt, und dies als Aufforderung verstehen, dem Ger�t - quasi als Therapeutenersatz - sowohl ihre aktuelle Gef�hlslage als auch ihre Lebensgeschichte mitzuteilen. Und andererseits nat�rlich diejenigen, denen der Schwei� schon nach dem ersten Klicken des ABs von der Stirn perlt, und die dann grad noch m�hsam ein "�hm, ich bin's, ja ... ruf doch mal zur�ck ... Ja, tsch��, �hm, ..., ach ja, Dieter hier" stammeln k�nnen.

Aber es gibt auch echte Paradiesv�gel unter den Telefonierern; und da ausgerechnet ich mit solchen verwandt bin, komme ich gelegentlich nicht umhin, Zeuge (b�swillige Naturen w�rden hier statt dessen "Opfer" schreiben) ihres sonderbaren Verhaltens zu werden. Wenn andere Menschen meines Alters ihre Eltern anrufen, dann folgt meist ein ruhiges Gespr�ch, in dessen Verlauf sich beide Seiten auf den aktuellen Ereignisstand bringen oder �hnliches. Wenn ich meine Eltern anrufe, dann folgt meist etwas, das man eher als Chaos, denn als Kommunikation beschreiben kann. Sofern �berhaupt jemand mit mir spricht, denn es kann auch vorkommen, da� meine Mutter einfach nur: "Schatz, ich hab grad leider keine Zeit und ruf Dich in x Minuten zur�ck", sagt und sofort wieder auflegt. Meist bleibt es auch dabei, denn sie vergi�t sofort, da� ich �berhaupt angerufen habe - ich w�rde sogar unterstellen, da� sie auch meine Existenz vergi�t, bis ich mich durch einen erneuten Anruf wieder in Erinnerung rufe.

Sollte ich meine Eltern dann tats�chlich mal direkt erreichen, ist auch das noch keine Garantie f�r ein ruhiges, sinnvolles Gespr�ch. Meist bricht nach den ersten paar S�tzen irgendwo im Haus das Chaos aus (wir haben zwar nur einen kleinen, aber daf�r sehr lauten Haushalt in einem sehr gro�en Haus), so da� das Gespr�ch abrupt mit den Worten: "aaaahh, der Hund (wahlweise auch der Bruder oder sonstwer) ... ", unterbrochen, der H�rer mit lautem Klappern auf den Tisch geworfen wird, und ich w�hrend der n�chsten f�nf Minuten wilden Hintergrundger�uschen folgen darf, die vom Klang her irgendwo zwischen Hitchcock und modernen Splatter-Filmen angesiedelt sind. Wenn grad nicht der Hund f�r Unterbrechung sorgt, dann reden statt dessen gerne andere Familienmitglieder lautstark dazwischen ("ach, das stimmt doch so gar nicht, hier, la� mich mal ..."), rei�en sich gegenseitig den H�rer aus der Hand, lassen ihn fallen, oder sorgen sonstwie daf�r, da� das Gespr�ch fr�her oder sp�ter in wildem Gel�chter untergeht. Kommunikatives Chaos eben ...

Ein ganz anderer Fall ist Marc, der momentan f�r vier Monate in London weilt, was unserer bekannten Telefonfrequenz keinen Abbruch getan hat. Allerdings mu�ten wir unsere sonstigen Modalit�ten doch arg umstellen. Er wohnt dort n�mlich zur Untermiete und darf das Telefon seiner Vermieterin nicht benutzen, nicht mal anrufen kann man ihn dort. Statt dessen mu� ich ihn also tags�ber in seinem B�ro anrufen, oder er mu� abends die Telefonzelle gegen�ber seines Wohnhauses zum Wohnzimmer umfunktionieren (was ihm sicherlich nicht nur wegen der eingeschr�nkten Raumfreiheit zu schaffen macht, denn so ist er gelegentlich gezwungen, noch mal eben in Jogginghosen auf die Stra�e zu laufen - ein fashion faux pas, den ihm seine Eitelkeit in Hamburg nie gestatten w�rde).

Er hat es sich also zur Angewohnheit gemacht, mir eine SMS zu schicken, sobald er im B�ro Zeit und Gelegenheit f�r ein entspanntes Telefonat hat. Allerdings werden seine SMS, anders als unsere Telefonate (gelobt sei die Liberalisierung des Telefonmarktes), fast t�glich k�rzer. Zu Beginn hatte er sich noch aufraffen k�nnen, ein freundliches "Guten Morgen, ruf doch mal an" zu tippen. Daraus wurde dann schnell ein "Bin jetzt im B�ro", was mittlerweile, sehr zu meinem Mi�fallen, zu einem leicht herrisch anmutenden "Call" verk�rzt wurde. Ich war bereits leicht grummelig deswegen (ich bin nicht nur Sprachpurist sondern auch als Anh�nger guter Umgangsformen verschrieen), doch heute morgen hat er sich selbst �bertroffen. Zur gewohnten Zeit piepste mein Handy und hatte mir tats�chlich nicht mehr als ein bescheidenes "!" mitzuteilen. Ob ich ihn daraufhin angerufen habe? Nat�rlich nicht!

(Und genauso nat�rlich bin ich nach einem Anruf seinerseits wieder schwach geworden ...)