2002-04-07 - 2:51 p.m. - Bunte Bl�tter am heiligen Sonntag

Hilfe, ich bin dem Informationsterror unserer modernen Gesellschaft hoffnungslos und unheilbar erlegen. Ich hab Ihrer Heiligkeit der Informiertheit soeben sogar noch meinen Abstinenztag geopfert (obwohl ich da zu meiner Entschuldigung anf�hren mu�, da� ich das nicht so ganz freiwillig getan habe, vielmehr haben die genialen Marketingstrategen des FAZ-Verlages mich hinterlistig dazu verleitet - shame on you, guys!).

Wovon ich hier rede, fragt Ihr Euch? Also, ich bin bekennender FAZ-Leser (auch wenn wir oft genug unterschiedlicher Meinung sind, aber keine andere Zeitung hat einen derartig gut recherchierten und spannenden Auslandsteil), was meinen Tagesablauf nicht unma�geblich pr�gt. Einem Junkie gleich werfe ich morgens als erstes die Kaffeemaschine an, um sogleich heimlich die Treppen runterzuschleichen (stets in der Hoffnung, da� mich niemand in meinen Gammelklamotten und meinem zerknitterten Morgen-Gesicht erwischen m�ge) und die FAZ aus dem Briefkasten zu angeln. Sodann pumpe ich nicht geringe Mengen Koffein in mein System und zerpfl�cke die einzelnen Teile der Zeitung, sortiere aus, was ich eh nicht lesen werde (niemals jedoch, ohne vorher einen Blick in das Inhaltsverzeichnis geworfen zu haben) und lege mir den Rest zurecht. Nat�rlich schaffe ich es morgens nie, auch nur die H�lfte der, f�r mich, lesenswerten Teile zu lesen. Also blicken mich die noch ungelesenen Artikel f�r den Rest des Tages vorwurfsvoll vom Couchtisch an, und ich kann ihnen einfach nicht entkommen. Wie bei allen Drogen ist diese Sucht Quell unendlicher Freuden wie auch gro�en Leids (die ungelesenen, aber dennoch sicherlich ungemein wichtigen und interessanten Artikel verfolgen mich gelegentlich �ber Tage hinweg bis in meinen Schlaf).

Nur der Sonntag, der heilige Sonntag war bislang von diesem Ritual ausgenommen. Daher konnte ich bedenkenlos und mit gro�er Freude schon am Freitag damit beginnen, gelassen einige Artikel ungelesen zur�ckzulegen, da ich ja am zeitungslosen Sonntag (die BamS z�hlt nun wirklich nicht als Zeitung) genug Zeit und Mu�e haben w�rde, die vergangenen zwei Tage aufzuholen. Daher habe ich mich auch konsequent der neu eingef�hrten FAZ am Sonntag verweigert, bis ... ja bis die hinterlistigen Marketingstrategen besagten Verlages begannen, mir das Ding (gr��er, dicker und bunter als Wochenausgabe nat�rlich) einfach so sonntags in meinen Briefkasten zu werfen. Zun�chst wohl nur als zweiw�chiges Probe-Abo.

Also hab ich mich durch zwei Ausgaben gek�mpft, sie f�r nicht uninteressant, aber nicht unbedingt lebensnotwendig befunden und das Ende des Probe-Abos ohne gr��eres Bedauern zur Kenntnis genommen.

Und jetzt? Aus unerfindlichen Gr�nden schickt mir seit etwa vier Wochen der Verlag schon wieder kostenlos allsonnt�glich sein buntes Blatt ins Haus. Und es funktioniert, ich bin seit heute offiziell angefixt. Mein morgendliches Ritual unterschied sich heute nicht im geringsten von dem anderer (Werk-!)Tage, nur das Risiko von Nachbarn verschlafen im Treppenhaus gesichtet zu werden, ist sonntags einfach ungleich geringer. Wirklich aufgefallen ist mir dieser Umstand allerdings erst, als ich bereits mit Kaffee und Zeitung zufrieden auf dem Sofa sa� und einen irritierten Blick von meinen frischen bunten Seiten zu den schwarz-wei�en �berbleibseln der letzten zwei Tage warf. Irgend etwas lief hier eindeutig schief, der Sonntag bot jetzt also den gleichen Info-Druck wie alle anderen Tage, und ich war, ohne es so recht zu merken, schon l�ngst s�chtig geworden nach dem ungewohnt bunten Feuilleton und den noch ungewohnteren, klatschreichen Gesellschaftsseiten.

Tja, Ihr Marketingfuzzis, Euer gemeiner Plan ist aufgeganger, ich h�ng am Tropf. Und ja, selbst wenn Ihr mir das Blatt nicht mehr frei Haus liefert, w�rde ich dennoch losziehen, um es mir beim B�cker um die Ecke zu kaufen.

Vor lauter Schreck hab ich heute morgen sogar glatt vergessen, meinen Cappuccino beim Italiener (knapp 30 m die Stra�e hoch, welch ein Luxus) zu holen, der mit seinem �ppigen, cremig-weichen Schaum normalerweise s�mtlichen Sonntagsluxus einl�utet.

Aber genug lamentiert. Bevor ich noch verzweifelt s�mtliche Sonntagsrituale �ber Bord werfe, werde ich jetzt dem ph�nomenal guten Wetter Tribut zollen und mich (mit Massen anderer Menschen, leider) auf den Weg um die Alster machen und dabei den vers�umten Cappuccino nachholen. Heute ausnahmsweise mal nicht allein (wenn man schon mal mit Traditionen bricht ...), sondern in Begleitung von fabulous Frank (dem Mann, dem es gelungen ist, s�mtliche meiner Vorurteile �ber Unternehmensberater abzubauen, sch�ndlich!). Was gibt es sch�neres, als an einem Sonntag in der Sonne zu spazieren, Milchschaum zu schl�rfen und �ber das Leben zu philosophieren? Eben, dies zu tun, nachdem man sich des Infoterrors entledigt hat.

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Bunte Bl�tter am heiligen Sonntag 2002-04-07 2:51 p.m. Hilfe, ich bin dem Informationsterror unserer modernen Gesellschaft hoffnungslos und unheilbar erlegen. Ich hab Ihrer Heiligkeit der Informiertheit soeben sogar noch meinen Abstinenztag geopfert (obwohl ich da zu meiner Entschuldigung anf�hren mu�, da� ich das nicht so ganz freiwillig getan habe, vielmehr haben die genialen Marketingstrategen des FAZ-Verlages mich hinterlistig dazu verleitet - shame on you, guys!).

Wovon ich hier rede, fragt Ihr Euch? Also, ich bin bekennender FAZ-Leser (auch wenn wir oft genug unterschiedlicher Meinung sind, aber keine andere Zeitung hat einen derartig gut recherchierten und spannenden Auslandsteil), was meinen Tagesablauf nicht unma�geblich pr�gt. Einem Junkie gleich werfe ich morgens als erstes die Kaffeemaschine an, um sogleich heimlich die Treppen runterzuschleichen (stets in der Hoffnung, da� mich niemand in meinen Gammelklamotten und meinem zerknitterten Morgen-Gesicht erwischen m�ge) und die FAZ aus dem Briefkasten zu angeln. Sodann pumpe ich nicht geringe Mengen Koffein in mein System und zerpfl�cke die einzelnen Teile der Zeitung, sortiere aus, was ich eh nicht lesen werde (niemals jedoch, ohne vorher einen Blick in das Inhaltsverzeichnis geworfen zu haben) und lege mir den Rest zurecht. Nat�rlich schaffe ich es morgens nie, auch nur die H�lfte der, f�r mich, lesenswerten Teile zu lesen. Also blicken mich die noch ungelesenen Artikel f�r den Rest des Tages vorwurfsvoll vom Couchtisch an, und ich kann ihnen einfach nicht entkommen. Wie bei allen Drogen ist diese Sucht Quell unendlicher Freuden wie auch gro�en Leids (die ungelesenen, aber dennoch sicherlich ungemein wichtigen und interessanten Artikel verfolgen mich gelegentlich �ber Tage hinweg bis in meinen Schlaf).

Nur der Sonntag, der heilige Sonntag war bislang von diesem Ritual ausgenommen. Daher konnte ich bedenkenlos und mit gro�er Freude schon am Freitag damit beginnen, gelassen einige Artikel ungelesen zur�ckzulegen, da ich ja am zeitungslosen Sonntag (die BamS z�hlt nun wirklich nicht als Zeitung) genug Zeit und Mu�e haben w�rde, die vergangenen zwei Tage aufzuholen. Daher habe ich mich auch konsequent der neu eingef�hrten FAZ am Sonntag verweigert, bis ... ja bis die hinterlistigen Marketingstrategen besagten Verlages begannen, mir das Ding (gr��er, dicker und bunter als Wochenausgabe nat�rlich) einfach so sonntags in meinen Briefkasten zu werfen. Zun�chst wohl nur als zweiw�chiges Probe-Abo.

Also hab ich mich durch zwei Ausgaben gek�mpft, sie f�r nicht uninteressant, aber nicht unbedingt lebensnotwendig befunden und das Ende des Probe-Abos ohne gr��eres Bedauern zur Kenntnis genommen.

Und jetzt? Aus unerfindlichen Gr�nden schickt mir seit etwa vier Wochen der Verlag schon wieder kostenlos allsonnt�glich sein buntes Blatt ins Haus. Und es funktioniert, ich bin seit heute offiziell angefixt. Mein morgendliches Ritual unterschied sich heute nicht im geringsten von dem anderer (Werk-!)Tage, nur das Risiko von Nachbarn verschlafen im Treppenhaus gesichtet zu werden, ist sonntags einfach ungleich geringer. Wirklich aufgefallen ist mir dieser Umstand allerdings erst, als ich bereits mit Kaffee und Zeitung zufrieden auf dem Sofa sa� und einen irritierten Blick von meinen frischen bunten Seiten zu den schwarz-wei�en �berbleibseln der letzten zwei Tage warf. Irgend etwas lief hier eindeutig schief, der Sonntag bot jetzt also den gleichen Info-Druck wie alle anderen Tage, und ich war, ohne es so recht zu merken, schon l�ngst s�chtig geworden nach dem ungewohnt bunten Feuilleton und den noch ungewohnteren, klatschreichen Gesellschaftsseiten.

Tja, Ihr Marketingfuzzis, Euer gemeiner Plan ist aufgeganger, ich h�ng am Tropf. Und ja, selbst wenn Ihr mir das Blatt nicht mehr frei Haus liefert, w�rde ich dennoch losziehen, um es mir beim B�cker um die Ecke zu kaufen.

Vor lauter Schreck hab ich heute morgen sogar glatt vergessen, meinen Cappuccino beim Italiener (knapp 30 m die Stra�e hoch, welch ein Luxus) zu holen, der mit seinem �ppigen, cremig-weichen Schaum normalerweise s�mtlichen Sonntagsluxus einl�utet.

Aber genug lamentiert. Bevor ich noch verzweifelt s�mtliche Sonntagsrituale �ber Bord werfe, werde ich jetzt dem ph�nomenal guten Wetter Tribut zollen und mich (mit Massen anderer Menschen, leider) auf den Weg um die Alster machen und dabei den vers�umten Cappuccino nachholen. Heute ausnahmsweise mal nicht allein (wenn man schon mal mit Traditionen bricht ...), sondern in Begleitung von fabulous Frank (dem Mann, dem es gelungen ist, s�mtliche meiner Vorurteile �ber Unternehmensberater abzubauen, sch�ndlich!). Was gibt es sch�neres, als an einem Sonntag in der Sonne zu spazieren, Milchschaum zu schl�rfen und �ber das Leben zu philosophieren? Eben, dies zu tun, nachdem man sich des Infoterrors entledigt hat.