2002-08-04 - 17:19 - Ein melancholischer Sonntag

Ich lag heute mittag im kleinen Garten in der Sonne, blickte auf die winzigen Tierchen, die m�hsam an saftigen Grashalmen emporkletterten und T�tigkeiten nachgingen, die mir verborgen blieben. Ich unternahm den sinnlosen Versuch, die G�nsebl�mchen um mich herum zu z�hlen und bastelte mir dann in Erinnerung an Kindertage einen Kranz daraus. Als ich schlie�lich versuchte, die Geschichte zu entwirren, die mir die hoch am Himmel vorbeiziehenden Sch�fchenwolken erz�hlen wollten, landete pl�tzlich ein Tagpfauenauge sanft auf meiner nackten Schulter. Es zitterte ein wenig und �ffnete dann weit die Fl�gel, so als wollte es sie mir glitzernd in der Sonne pr�sentieren, w�hrend ich kaum zu atmen wagte, um es nicht gleich wieder zu verscheuchen.

Vielleicht lag es an der fast schon kitschigen Idylle, da� mich pl�tzlich Melancholie �berfiel, denn diese nahezu perfekten kleinen Momente lassen den Betrachter in all ihrer Sch�nheit zugleich immer Verg�nglichkeit ahnen. Hinzu kam wohl, da� vor einigen Tagen eine ehemals sehr enge Freundin von mir Geburtstag hatte, und dies das erste Mal seit unserem Kennenlernen vor etwa f�nf Jahren war, da� ich nicht mit ihr gefeiert, ja nicht einmal etwas von ihr geh�rt habe. Ist es da ein Wunder, da� man melancholisch wird und �ber die Natur von Freundschaften sinniert?

Die Freundschaft zu Lisane war bunt, schillernd und glich oft genug einer wilden Achterbahnfahrt, ein wenig wie ein Rausch. Wir f�hlten uns seelenverwandt, teilten Vorlieben, Abneigungen, Tr�ume und Alptr�ume und selbst unsere Leidenswege und diversen Macken �hnelten sich sehr. Ja, wir haben sogar mal einen Mann geteilt (Ihr wi�t schon, die bereits kurz erw�hnten, l�ngst vergangenen wilden Jahre). N�chtelang haben wir in ihrer K�che gesessen, zuviel gegessen und getrunken, die Welt auseinander genommen und neu zusammengesetzt, uns auch wortlos verstanden und die normale menschliche Distanz weit hinter uns gelassen. Wir haben gemeinsam N�chte durchgefeiert, gelacht, geflirtet, aber auch zusammen geweint und uns in einigen wirklich schwierigen Krisenzeiten beigestanden.

Warum also k�nnen wir heute nicht mal mehr miteinander reden oder Geburtstag feiern? Warum konnten wir den schleichenden Entfremdungsproze� nicht aufhalten? Vielleicht war die Freundschaft zu extrem f�r unseren neuen, ruhigeren Lebensabschnitt. Vielleicht war sie eben nur f�r die "wilden Jahre" gedacht. Das Ganze endete ja nicht etwa mit einem gro�en Knall, sondern lief irgendwie langsam aus, bis sie eines Tages einfach gar nicht mehr auf Anrufe reagierte und Treffen sorgsam vermied. Aber bereits im Vorfeld hatten wir immer weniger miteinander zu tun, entwickelten uns nur noch nebeneinander her statt miteinander, fanden uns gegenseitig immer schwieriger, fremder, unverst�ndlicher.

Ich glaube, ich habe insgeheim immer geahnt, da� es so kommen w�rde, denn bislang hat sie noch zu jedem irgendwann radikal die Verbindung gekappt und sich statt dessen neue aufgebaut. Das ist ihre Natur, eine nicht grad unwesentliche ihrer Macken. Aber ich hatte jahrelang eben alle "�berlebt", hatte M�nner kommen und gehen sehen, war Zeuge aufbl�hender und wieder vertrocknender Freundschaften geworden und hatte mich wohl in Sicherheit gew�hnt. Oh wie so tr�gerisch ...

Um so dankbarer (und eigentlich fehlen mir die richtigen Worte f�r dieses warme, �berquellende Gef�hl) bin ich f�r die wenigen wirklich guten Freunde, die bislang alle Phasen des Lebens �berdauert haben, bei denen es egal ist, ob man eines Tages nach grundlegend unterschiedlichen Entw�rfen lebt oder sich doch �hnlich entwickelt. Bei denen es egal ist, ob man weiterhin in der selben Stadt wohnt oder f�r eine Weile auf einem ganz anderen Kontinent. Ob man grad unmittelbar am Alltag des anderen teilhat oder erst versp�tet eine Zusammenfassung erh�lt, weil aufgrund der vielen geteilten Jahre, des langsam gewachsenen Verst�ndnisses und nicht zuletzt der tiefen Zuneigung immer wieder angekn�pft werden kann, immer wieder neu eine gro�e N�he entstehen kann.

Mit denen man an Freundschaften "arbeitet" und sie pflegt, ohne das wirklich je als Arbeit oder Anstrengung zu empfinden, sondern vielmehr als spannende Entdeckungsreise und echtes Herzensanliegen. Nur diese wenigen Menschen k�nnen einem (je nach pers�nlicher Situation neben Familie und Partnerschaft) das Gef�hl geben, sich wirklich geborgen zu f�hlen, ein emotionales Zuhause zu haben, egal wo man sich gerade befindet, ein sicheres Auffangnetz bei allen wagemutigen Balanceakten und einen ruhigen Fixpunkt inmitten dieses chaotischen Universums aus Eindr�cken, Erfahrungen, Bindungen und sich kreuzenden Wegen sein. Danke.

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Ein melancholischer Sonntag 2002-08-04 17:19 Ich lag heute mittag im kleinen Garten in der Sonne, blickte auf die winzigen Tierchen, die m�hsam an saftigen Grashalmen emporkletterten und T�tigkeiten nachgingen, die mir verborgen blieben. Ich unternahm den sinnlosen Versuch, die G�nsebl�mchen um mich herum zu z�hlen und bastelte mir dann in Erinnerung an Kindertage einen Kranz daraus. Als ich schlie�lich versuchte, die Geschichte zu entwirren, die mir die hoch am Himmel vorbeiziehenden Sch�fchenwolken erz�hlen wollten, landete pl�tzlich ein Tagpfauenauge sanft auf meiner nackten Schulter. Es zitterte ein wenig und �ffnete dann weit die Fl�gel, so als wollte es sie mir glitzernd in der Sonne pr�sentieren, w�hrend ich kaum zu atmen wagte, um es nicht gleich wieder zu verscheuchen.

Vielleicht lag es an der fast schon kitschigen Idylle, da� mich pl�tzlich Melancholie �berfiel, denn diese nahezu perfekten kleinen Momente lassen den Betrachter in all ihrer Sch�nheit zugleich immer Verg�nglichkeit ahnen. Hinzu kam wohl, da� vor einigen Tagen eine ehemals sehr enge Freundin von mir Geburtstag hatte, und dies das erste Mal seit unserem Kennenlernen vor etwa f�nf Jahren war, da� ich nicht mit ihr gefeiert, ja nicht einmal etwas von ihr geh�rt habe. Ist es da ein Wunder, da� man melancholisch wird und �ber die Natur von Freundschaften sinniert?

Die Freundschaft zu Lisane war bunt, schillernd und glich oft genug einer wilden Achterbahnfahrt, ein wenig wie ein Rausch. Wir f�hlten uns seelenverwandt, teilten Vorlieben, Abneigungen, Tr�ume und Alptr�ume und selbst unsere Leidenswege und diversen Macken �hnelten sich sehr. Ja, wir haben sogar mal einen Mann geteilt (Ihr wi�t schon, die bereits kurz erw�hnten, l�ngst vergangenen wilden Jahre). N�chtelang haben wir in ihrer K�che gesessen, zuviel gegessen und getrunken, die Welt auseinander genommen und neu zusammengesetzt, uns auch wortlos verstanden und die normale menschliche Distanz weit hinter uns gelassen. Wir haben gemeinsam N�chte durchgefeiert, gelacht, geflirtet, aber auch zusammen geweint und uns in einigen wirklich schwierigen Krisenzeiten beigestanden.

Warum also k�nnen wir heute nicht mal mehr miteinander reden oder Geburtstag feiern? Warum konnten wir den schleichenden Entfremdungsproze� nicht aufhalten? Vielleicht war die Freundschaft zu extrem f�r unseren neuen, ruhigeren Lebensabschnitt. Vielleicht war sie eben nur f�r die "wilden Jahre" gedacht. Das Ganze endete ja nicht etwa mit einem gro�en Knall, sondern lief irgendwie langsam aus, bis sie eines Tages einfach gar nicht mehr auf Anrufe reagierte und Treffen sorgsam vermied. Aber bereits im Vorfeld hatten wir immer weniger miteinander zu tun, entwickelten uns nur noch nebeneinander her statt miteinander, fanden uns gegenseitig immer schwieriger, fremder, unverst�ndlicher.

Ich glaube, ich habe insgeheim immer geahnt, da� es so kommen w�rde, denn bislang hat sie noch zu jedem irgendwann radikal die Verbindung gekappt und sich statt dessen neue aufgebaut. Das ist ihre Natur, eine nicht grad unwesentliche ihrer Macken. Aber ich hatte jahrelang eben alle "�berlebt", hatte M�nner kommen und gehen sehen, war Zeuge aufbl�hender und wieder vertrocknender Freundschaften geworden und hatte mich wohl in Sicherheit gew�hnt. Oh wie so tr�gerisch ...

Um so dankbarer (und eigentlich fehlen mir die richtigen Worte f�r dieses warme, �berquellende Gef�hl) bin ich f�r die wenigen wirklich guten Freunde, die bislang alle Phasen des Lebens �berdauert haben, bei denen es egal ist, ob man eines Tages nach grundlegend unterschiedlichen Entw�rfen lebt oder sich doch �hnlich entwickelt. Bei denen es egal ist, ob man weiterhin in der selben Stadt wohnt oder f�r eine Weile auf einem ganz anderen Kontinent. Ob man grad unmittelbar am Alltag des anderen teilhat oder erst versp�tet eine Zusammenfassung erh�lt, weil aufgrund der vielen geteilten Jahre, des langsam gewachsenen Verst�ndnisses und nicht zuletzt der tiefen Zuneigung immer wieder angekn�pft werden kann, immer wieder neu eine gro�e N�he entstehen kann.

Mit denen man an Freundschaften "arbeitet" und sie pflegt, ohne das wirklich je als Arbeit oder Anstrengung zu empfinden, sondern vielmehr als spannende Entdeckungsreise und echtes Herzensanliegen. Nur diese wenigen Menschen k�nnen einem (je nach pers�nlicher Situation neben Familie und Partnerschaft) das Gef�hl geben, sich wirklich geborgen zu f�hlen, ein emotionales Zuhause zu haben, egal wo man sich gerade befindet, ein sicheres Auffangnetz bei allen wagemutigen Balanceakten und einen ruhigen Fixpunkt inmitten dieses chaotischen Universums aus Eindr�cken, Erfahrungen, Bindungen und sich kreuzenden Wegen sein. Danke.