2002-12-10 - 09:57 - Abenteuerspielplatz Innenstadt

Mit meiner Mutter unterwegs zu sein, und sei es auch nur kurz, ist meist ein Abenteuer der ganz besonderen Sorte. Meine Mutter ist schlie�lich auch eine, hmmm, ganz besondere Frau sehr spezieller Sorte.

Auf der einen Seite ist sie unglaublich warmherzig, enorm sozial engagiert, hat in jeder Hinsicht viel zu geben (soll hei�en, sie widmet meist ihre gesamte Zeit als auch unseren halben Hausstand sozialen Projekten).

Das kombiniert sie jedoch geschickt mit einem Hang zum Chaos, aber auch darin unersch�tterlichem Selbstvertrauen, einem Mangel an Respekt gegen�ber Regeln, Institutionen und Autorit�ten und nicht zuletzt einer au�erordentlich spitzen Zunge (ok, gelegentlich l��t sich der gemeinsame Genpool nicht verleugnen).

Daher mu� man auf alles gefa�t sein, wenn man mit ihr unterwegs ist. Sie steigt etwa gerne mal an einer roten Ampel aus und fragt die vor ihr Fahrende, ob sie nicht lieber ihren F�hrerschein abgeben wolle, wenn sie ohnehin nicht schneller als 50 fahre. Nat�rlich nicht ohne dabei gerade noch h�rbar "typisch Frau am Steuer" zu murmeln.

Gestern erwischte sie au�erdem einen Mann auf einem Frauen-Parkplatz im Parkhaus. Er brauchte mehrere Versuche, um endlich einzuparken und fummelte dann endlos an seinem Auto herum. Meine Mutter strahlte ihn an und sagte freundlich: "Ich wollte Sie grad noch darauf aufmerksam machen, da� Sie verbotenerweise auf einem Frauen-Parkplatz stehen. Aber ich sehe, Sie kommen auch so schon kaum zurecht im Leben. Da verzichte ich dann mal aufs Nachtreten. Sch�nen Advent noch."

Sie scheint die Innenstadt generell f�r eine Art Abenteuerspielplatz zu halten, der einzig und allein zu ihrer gelegentlichen Aufheiterung gebaut wurde. Leider schreckt sie dabei auch vor Angriffen auf die psychische Unversehrtheit ihrer eigenen Familienmitglieder nicht zur�ck.

So ri� sie heute etwa vergn�gt den Vorhang zur Umkleidekabine auf, w�hrend ich darin halbnackt auf einem Bein balancierte und verzweifelte versuchte, gleichzeitig die Jeans an- und den Vorhang wieder zuzuziehen, meine Mutter von weiteren Schandtaten abzuhalten und das Gekicher drau�en zu ignorieren.

Ich kam gerade noch rechtzeitig aus der Kabine um zu h�ren, wie meine Mutter kichernd zu einem �lteren Ehepaar sagte: "Sexy, wirklich sexy." Der Mann hielt dabei Herrenunterw�sche in �bergr��e mit Tigermuster in der Hand und fragte seine Frau: "Wat h�ltsten du von sowatt?"

Anschlie�end liefen wir an einem Plattenladen vorbei, aus dem lauter HipHop schallte. Das inspirierte meine Mutter dann leider dazu, den Rest des Weges durch die Innenstadt ebenso laut und rhythmisch Dinge zu singen, die verd�chtig nach "Come on ... come on ... ah ... ah" klangen. Man konnte den Umstehenden deutlich am Gesicht ablesen, da� sie sich fragten, ob ich wohl freiwillig die Begleiterin beim weihnachtlichen Freigang der �rtlichen Psychiatrie spielte oder gar im Rahmen von Bew�hrungsauflagen zu sozialen T�tigkeiten verdonnert wurde.

Trotz allem kann ich nicht leugnen, da� ich mit kaum jemandem soviel Spa� beim Einkaufsbummel habe wie mit meiner verr�ckten Mutter. Das liegt sicherlich nicht zuletzt an ihrer boshaften Ader, die sie immer wieder zu un�bertrefflichen Kommentaren verleitet.

Den Spruch des Tages lieferte sie nach einem Gl�hwein auf dem Weihnachtsmarkt. Wir hatten dort eine gewisse Frau von und zu SoundSo getroffen, die hektisch und au�erordentliche Wichtigkeit verbreitend durch die Gegend lief. Als ich interessiert fragte, was denn die aufgeregte Dame beruflich mache, erwiderte meine Mutter trocken mit einer wegwerfenden Handbewegung:

"Frauen von ihrem Stand haben keinen Beruf, sie haben nur Interessen."

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Abenteuerspielplatz Innenstadt 2002-12-10 09:57 Mit meiner Mutter unterwegs zu sein, und sei es auch nur kurz, ist meist ein Abenteuer der ganz besonderen Sorte. Meine Mutter ist schlie�lich auch eine, hmmm, ganz besondere Frau sehr spezieller Sorte.

Auf der einen Seite ist sie unglaublich warmherzig, enorm sozial engagiert, hat in jeder Hinsicht viel zu geben (soll hei�en, sie widmet meist ihre gesamte Zeit als auch unseren halben Hausstand sozialen Projekten).

Das kombiniert sie jedoch geschickt mit einem Hang zum Chaos, aber auch darin unersch�tterlichem Selbstvertrauen, einem Mangel an Respekt gegen�ber Regeln, Institutionen und Autorit�ten und nicht zuletzt einer au�erordentlich spitzen Zunge (ok, gelegentlich l��t sich der gemeinsame Genpool nicht verleugnen).

Daher mu� man auf alles gefa�t sein, wenn man mit ihr unterwegs ist. Sie steigt etwa gerne mal an einer roten Ampel aus und fragt die vor ihr Fahrende, ob sie nicht lieber ihren F�hrerschein abgeben wolle, wenn sie ohnehin nicht schneller als 50 fahre. Nat�rlich nicht ohne dabei gerade noch h�rbar "typisch Frau am Steuer" zu murmeln.

Gestern erwischte sie au�erdem einen Mann auf einem Frauen-Parkplatz im Parkhaus. Er brauchte mehrere Versuche, um endlich einzuparken und fummelte dann endlos an seinem Auto herum. Meine Mutter strahlte ihn an und sagte freundlich: "Ich wollte Sie grad noch darauf aufmerksam machen, da� Sie verbotenerweise auf einem Frauen-Parkplatz stehen. Aber ich sehe, Sie kommen auch so schon kaum zurecht im Leben. Da verzichte ich dann mal aufs Nachtreten. Sch�nen Advent noch."

Sie scheint die Innenstadt generell f�r eine Art Abenteuerspielplatz zu halten, der einzig und allein zu ihrer gelegentlichen Aufheiterung gebaut wurde. Leider schreckt sie dabei auch vor Angriffen auf die psychische Unversehrtheit ihrer eigenen Familienmitglieder nicht zur�ck.

So ri� sie heute etwa vergn�gt den Vorhang zur Umkleidekabine auf, w�hrend ich darin halbnackt auf einem Bein balancierte und verzweifelte versuchte, gleichzeitig die Jeans an- und den Vorhang wieder zuzuziehen, meine Mutter von weiteren Schandtaten abzuhalten und das Gekicher drau�en zu ignorieren.

Ich kam gerade noch rechtzeitig aus der Kabine um zu h�ren, wie meine Mutter kichernd zu einem �lteren Ehepaar sagte: "Sexy, wirklich sexy." Der Mann hielt dabei Herrenunterw�sche in �bergr��e mit Tigermuster in der Hand und fragte seine Frau: "Wat h�ltsten du von sowatt?"

Anschlie�end liefen wir an einem Plattenladen vorbei, aus dem lauter HipHop schallte. Das inspirierte meine Mutter dann leider dazu, den Rest des Weges durch die Innenstadt ebenso laut und rhythmisch Dinge zu singen, die verd�chtig nach "Come on ... come on ... ah ... ah" klangen. Man konnte den Umstehenden deutlich am Gesicht ablesen, da� sie sich fragten, ob ich wohl freiwillig die Begleiterin beim weihnachtlichen Freigang der �rtlichen Psychiatrie spielte oder gar im Rahmen von Bew�hrungsauflagen zu sozialen T�tigkeiten verdonnert wurde.

Trotz allem kann ich nicht leugnen, da� ich mit kaum jemandem soviel Spa� beim Einkaufsbummel habe wie mit meiner verr�ckten Mutter. Das liegt sicherlich nicht zuletzt an ihrer boshaften Ader, die sie immer wieder zu un�bertrefflichen Kommentaren verleitet.

Den Spruch des Tages lieferte sie nach einem Gl�hwein auf dem Weihnachtsmarkt. Wir hatten dort eine gewisse Frau von und zu SoundSo getroffen, die hektisch und au�erordentliche Wichtigkeit verbreitend durch die Gegend lief. Als ich interessiert fragte, was denn die aufgeregte Dame beruflich mache, erwiderte meine Mutter trocken mit einer wegwerfenden Handbewegung:

"Frauen von ihrem Stand haben keinen Beruf, sie haben nur Interessen."