2002-12-28 - 18:35 - Merry Christmas, boy toy

Irgendwie waren die Weihnachtstage dieses Jahr ungewohnt hektisch, was aber - anders als bei vielen anderen - nicht an meiner Familie lag. Es lag eher daran, da� �berraschend viele verschollene Schulfreunde wieder auftauchten, sich nat�rlich sp�testens heute wieder auf den Weg in ihre neue Heimat machen und daher in den letzten Tagen getroffen werden wollten.

Sonst pl�tschern die Tage zwischen den Jahren meist tr�ge dahin. Man i�t zuviel, trinkt guten Rotwein vor dem Kamin, schl�ft endlich mal genug und verbringt die restliche Zeit vorwiegend mit Lesen oder friedlichen Gespr�chen. Nicht gerade glamour�s, aber daf�r um so entspannender.

Bislang habe ich aber h�chstens zweihundert Seiten gelesen, daf�r aber viel zu viel telefoniert, habe diverse (f�r meinen Geschmack zu viele) Einladungen wahrgenommen und noch viel mehr abgesagt. Und dabei w�re ich grad eigentlich in der richtigen Stimmung, um Eremit zu werden und sozialen Vergn�gungen f�r eine Weile zu entsagen.

Immerhin waren die Treffen f�r sich genommen wirklich eine positive �berraschung - ganz anders als die erste Kollision mit meiner Jugend. Vielleicht liegt das aber auch daran, da� ich zuerst meinen besten schwulen Freund aus Schulzeiten getroffen habe (ja, beste schwule Freunde sind seit fr�hester Jugend ein Hauptbestandteil meiner Biographie, fragt mich aber nicht warum).

Steven hat Menschen schon immer den n�tigen Freiraum zur pers�nlichen Entfaltung und Weiterentwicklung zugestanden. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil er sich seinen eigenen Freiraum so schwer erk�mpfen mu�te.

Wenn man als Junge bereits in der siebten Klasse als Madonna verkleidet zu einer Karnevalsparty erscheint und zu allem �berflu� noch einen dicken G�rtel mit den Worten "Boy Toy" tr�gt, dann hat man eine schwierige Schulzeit eigentlich schon fest abonniert. Wenn man zudem schon so fr�h verk�ndet, eines Tages Modedesigner werden zu wollen, tr�gt man sicherlich nicht zur allgemeinen Akzeptanz unter dem m�nnlichen Teil der Sch�ler bei.

Daf�r kenne ich heute kaum jemanden, der sein Leben mit so viel Risikobereitschaft und Freude lebt, so konsequent seine Tr�ume verfolgt und so mit sich im Reinen ist wie Steven. Er hat vor einem Jahr einen sicheren Job in Frankfurt aufgegeben, um endlich seinen Traum von der Modebranche zu verwirklichen und als Visagist in Paris zu arbeiten. Er hat sein endg�ltiges Ziel zwar noch nicht erreicht, aber immerhin hat er es zum Assistenten eines Star-Visagisten in einer der gr��ten Agenturen gebracht. Dort arbeitet er f�rchterlich viel f�r erschreckend wenig Geld, aber um so mehr Prestige und ist gl�cklicher als je zuvor.

Es war �berhaupt interessant zu sehen, und sei es nur durch Klatsch aus zweiter Hand, wie sich ehemalige Mitabiturienten so entwickelt haben. Spannend daran war vor allem, da� nat�rlich alles anders gekommen ist, als wir es damals erwartet h�tten.

Die Helden unserer Schulzeit, etwa der ehemalige Star unserer Theater-AG, dem alle eine ruhmreiche Zukunft als Schauspieler prophezeiten, sitzen heute auf langweiligen Posten in Beh�rden und Versicherungen. Sie sind meist mit der Produktion ihrer durchschnittlichen 1,3 Kinder besch�ftigt und f�hren das, was man gemeinhin als "geregeltes Leben" bezeichnen kann.

Einige derjenigen aber, die wir garantiert als k�nftige Professoren, Vorzeige-Intellektuelle und Chef�rztinnen sahen, haben tats�chlich den Sprung ins Ungewisse gewagt und eine unsichere k�nstlerische Laufbahn eingeschlagen. Sie arbeiten heute beispielsweise als TV-Producer, freischaffende Maler oder Operns�ngerin und haben sich in alle Welt zerstreut.

Und Steven, dem die meisten damals allenfalls eine Drogen-Karriere im Techno-Milieu oder aber ein Dasein als abgehalfterte schwule Puffmutter zugetraut h�tten, wirkt heute gl�cklicher als alle zusammen. Ja, ich bin wirklich stolz auf ihn.

OK, und was machen wir jetzt mit mir?

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Merry Christmas, boy toy 2002-12-28 18:35 Irgendwie waren die Weihnachtstage dieses Jahr ungewohnt hektisch, was aber - anders als bei vielen anderen - nicht an meiner Familie lag. Es lag eher daran, da� �berraschend viele verschollene Schulfreunde wieder auftauchten, sich nat�rlich sp�testens heute wieder auf den Weg in ihre neue Heimat machen und daher in den letzten Tagen getroffen werden wollten.

Sonst pl�tschern die Tage zwischen den Jahren meist tr�ge dahin. Man i�t zuviel, trinkt guten Rotwein vor dem Kamin, schl�ft endlich mal genug und verbringt die restliche Zeit vorwiegend mit Lesen oder friedlichen Gespr�chen. Nicht gerade glamour�s, aber daf�r um so entspannender.

Bislang habe ich aber h�chstens zweihundert Seiten gelesen, daf�r aber viel zu viel telefoniert, habe diverse (f�r meinen Geschmack zu viele) Einladungen wahrgenommen und noch viel mehr abgesagt. Und dabei w�re ich grad eigentlich in der richtigen Stimmung, um Eremit zu werden und sozialen Vergn�gungen f�r eine Weile zu entsagen.

Immerhin waren die Treffen f�r sich genommen wirklich eine positive �berraschung - ganz anders als die erste Kollision mit meiner Jugend. Vielleicht liegt das aber auch daran, da� ich zuerst meinen besten schwulen Freund aus Schulzeiten getroffen habe (ja, beste schwule Freunde sind seit fr�hester Jugend ein Hauptbestandteil meiner Biographie, fragt mich aber nicht warum).

Steven hat Menschen schon immer den n�tigen Freiraum zur pers�nlichen Entfaltung und Weiterentwicklung zugestanden. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil er sich seinen eigenen Freiraum so schwer erk�mpfen mu�te.

Wenn man als Junge bereits in der siebten Klasse als Madonna verkleidet zu einer Karnevalsparty erscheint und zu allem �berflu� noch einen dicken G�rtel mit den Worten "Boy Toy" tr�gt, dann hat man eine schwierige Schulzeit eigentlich schon fest abonniert. Wenn man zudem schon so fr�h verk�ndet, eines Tages Modedesigner werden zu wollen, tr�gt man sicherlich nicht zur allgemeinen Akzeptanz unter dem m�nnlichen Teil der Sch�ler bei.

Daf�r kenne ich heute kaum jemanden, der sein Leben mit so viel Risikobereitschaft und Freude lebt, so konsequent seine Tr�ume verfolgt und so mit sich im Reinen ist wie Steven. Er hat vor einem Jahr einen sicheren Job in Frankfurt aufgegeben, um endlich seinen Traum von der Modebranche zu verwirklichen und als Visagist in Paris zu arbeiten. Er hat sein endg�ltiges Ziel zwar noch nicht erreicht, aber immerhin hat er es zum Assistenten eines Star-Visagisten in einer der gr��ten Agenturen gebracht. Dort arbeitet er f�rchterlich viel f�r erschreckend wenig Geld, aber um so mehr Prestige und ist gl�cklicher als je zuvor.

Es war �berhaupt interessant zu sehen, und sei es nur durch Klatsch aus zweiter Hand, wie sich ehemalige Mitabiturienten so entwickelt haben. Spannend daran war vor allem, da� nat�rlich alles anders gekommen ist, als wir es damals erwartet h�tten.

Die Helden unserer Schulzeit, etwa der ehemalige Star unserer Theater-AG, dem alle eine ruhmreiche Zukunft als Schauspieler prophezeiten, sitzen heute auf langweiligen Posten in Beh�rden und Versicherungen. Sie sind meist mit der Produktion ihrer durchschnittlichen 1,3 Kinder besch�ftigt und f�hren das, was man gemeinhin als "geregeltes Leben" bezeichnen kann.

Einige derjenigen aber, die wir garantiert als k�nftige Professoren, Vorzeige-Intellektuelle und Chef�rztinnen sahen, haben tats�chlich den Sprung ins Ungewisse gewagt und eine unsichere k�nstlerische Laufbahn eingeschlagen. Sie arbeiten heute beispielsweise als TV-Producer, freischaffende Maler oder Operns�ngerin und haben sich in alle Welt zerstreut.

Und Steven, dem die meisten damals allenfalls eine Drogen-Karriere im Techno-Milieu oder aber ein Dasein als abgehalfterte schwule Puffmutter zugetraut h�tten, wirkt heute gl�cklicher als alle zusammen. Ja, ich bin wirklich stolz auf ihn.

OK, und was machen wir jetzt mit mir?