2003-01-22 - 23:31 - Sollstellung Null

Manchmal fragt man sich schon, warum man sich jahrelang durch dieses Studium qu�lt, wenn man dann wie Charis f�r einen Mindestlohn arbeiten mu�, bei dem anst�ndige Burger-Br�ter streiken w�rden. Oder wie Marc regelm��ig 80 Stunden in der Woche mit Leuten in einem B�ro sitzt, deren Bed�rfnis nach Spa� gen�ge getan ist, wenn sie sich nach 20 Uhr mal den Krawattenknoten lockern k�nnen (oh baby, wie verwegen).

Oder wenn es einem so ergeht wie der weltbesten Freundin Kerstin, die seit etwa sechs Monaten in der nicht eben kleinen Rechtsabteilung einer gro�en Hamburger Hypothekenbank arbeitet. Dort sind zwar Gehalt und Arbeitszeiten angemessen, daf�r k�nnen die sonstigen Verh�ltnisse schon zu fr�hzeitigem Ergrauen f�hren.

Nachdem sie mangels geeigneter R�umlichkeiten zun�chst in der kleinen hauseigenen Bibliothek arbeiten mu�te (was kein Vorteil ist, da es dort ohnehin kaum aktuelle Literatur gibt - die meisten Studenten sind besser ausgestattet), hat sie nun endlich ihr eigenes B�ro erhalten.

Leider hat man wohl "vergessen", ihr neben dem Schreibtisch auch den dort �blichen Rollwagen f�r die Akten und einen Tisch f�r den Drucker zu geben. Als der Aktenstapel endg�ltig zu gro� wurde und allm�hlich eine ernste Unfallgefahr darstellte, fragte sie nach der n�tigen Ausstattung.

Dort erkl�rte man ihr nur lapidar: "Daran k�nnen wir jetzt leider auch nichts �ndern. Unsere Unterlagen weisen f�r Ihr B�ro die Sollstellung Null aus. Und genau die haben Sie ja auch."

Aha. Vielen Dank f�rs Gespr�ch. Auch weitere Nachfragen konnten weder etwas an dem bedauerlichen Zustand �ndern noch erkl�ren, warum die Sollstellung f�rs Nachbarb�ro des Kollegen offensichtlich f�nf betr�gt. Irgendwann hat Kerstin dann kapituliert, ist am Wochenende zu Ikea gefahren und hat sich in der dortigen B�rom�bel-Abteilung mit dem N�tigsten eingedeckt.

Nicht viel besser erging es ihr im sogenannten "Schreibb�ro". Die einzige Aufgabe, neben der schnellen Verbreitung von firmeninternem Klatsch nat�rlich, der Damen dort besteht im Abtippen von Diktaten. Man sollte also meinen, da� sie auch genau dazu besonders bef�higt sind.

Aber weit gefehlt. Kerstin hat den Schreibservice genau ein einziges Mal genutzt, um dann resigniert festzustellen, da� die Nachbearbeitung der Texte mehr Zeit in Anspruch nimmt als das gesamte Selbsttippen. Die Rechtschreibung der Damen trieb ihr binnen der ersten drei S�tze die Tr�nen in die Augen. Und die letzte Schulung hat offensichtlich zu Zeiten stattgefunden, als die manuelle Schreibmaschine noch en vogue war.

Mit modernen Textverarbeitungsprogrammen steht man dort mindestens ebenso auf Kriegsfu� wie mit der Rechtschreibung. Nach jeder Zeile wird brav die return-Taste gedr�ckt, und die Seitenzahlen werden unten nat�rlich noch per Hand eingef�gt. Wenn man dann geringf�gige �nderungen im Text vornimmt, hat man die Seitenzahl unter Umst�nden zwar schon auf der n�chsten Seite stehen, aber das st�rt doch keinen gro�en Geist.

Nachdem das schon nicht funktioniert, h�tte man daraus vielleicht eine Lehre ziehen und nicht auch noch das Nachheften der Loseblattsammlungen an das Schreibb�ro delegieren sollen. Als Kerstin k�rzlich nach der aktuellsten Ausgabe des BGB fahndete (die nat�rlich nur einmal im ganzen Haus vorhanden ist, sofern man nicht seine eigene mitgebracht hat), stellte sie fest, da� dort die Paragraphen 1 - 1024 fehlten.

Nat�rlich konnte sich das niemand erkl�ren - und verantwortlich f�hlte sich daf�r erst recht keine der Anwesenden. Vermutlich ist es den paar unbedeutenden Paragraphen so �hnlich ergangen wie den manuellen Seitenzahlen. Sie sind verrutscht und in Ablage P gelandet. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis Kerstin endg�ltig die Nerven verliert und nebst Ikea-Plastik-Mobiliar in der Ablage Irrenhaus landet.

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Sollstellung Null 2003-01-22 23:31 Manchmal fragt man sich schon, warum man sich jahrelang durch dieses Studium qu�lt, wenn man dann wie Charis f�r einen Mindestlohn arbeiten mu�, bei dem anst�ndige Burger-Br�ter streiken w�rden. Oder wie Marc regelm��ig 80 Stunden in der Woche mit Leuten in einem B�ro sitzt, deren Bed�rfnis nach Spa� gen�ge getan ist, wenn sie sich nach 20 Uhr mal den Krawattenknoten lockern k�nnen (oh baby, wie verwegen).

Oder wenn es einem so ergeht wie der weltbesten Freundin Kerstin, die seit etwa sechs Monaten in der nicht eben kleinen Rechtsabteilung einer gro�en Hamburger Hypothekenbank arbeitet. Dort sind zwar Gehalt und Arbeitszeiten angemessen, daf�r k�nnen die sonstigen Verh�ltnisse schon zu fr�hzeitigem Ergrauen f�hren.

Nachdem sie mangels geeigneter R�umlichkeiten zun�chst in der kleinen hauseigenen Bibliothek arbeiten mu�te (was kein Vorteil ist, da es dort ohnehin kaum aktuelle Literatur gibt - die meisten Studenten sind besser ausgestattet), hat sie nun endlich ihr eigenes B�ro erhalten.

Leider hat man wohl "vergessen", ihr neben dem Schreibtisch auch den dort �blichen Rollwagen f�r die Akten und einen Tisch f�r den Drucker zu geben. Als der Aktenstapel endg�ltig zu gro� wurde und allm�hlich eine ernste Unfallgefahr darstellte, fragte sie nach der n�tigen Ausstattung.

Dort erkl�rte man ihr nur lapidar: "Daran k�nnen wir jetzt leider auch nichts �ndern. Unsere Unterlagen weisen f�r Ihr B�ro die Sollstellung Null aus. Und genau die haben Sie ja auch."

Aha. Vielen Dank f�rs Gespr�ch. Auch weitere Nachfragen konnten weder etwas an dem bedauerlichen Zustand �ndern noch erkl�ren, warum die Sollstellung f�rs Nachbarb�ro des Kollegen offensichtlich f�nf betr�gt. Irgendwann hat Kerstin dann kapituliert, ist am Wochenende zu Ikea gefahren und hat sich in der dortigen B�rom�bel-Abteilung mit dem N�tigsten eingedeckt.

Nicht viel besser erging es ihr im sogenannten "Schreibb�ro". Die einzige Aufgabe, neben der schnellen Verbreitung von firmeninternem Klatsch nat�rlich, der Damen dort besteht im Abtippen von Diktaten. Man sollte also meinen, da� sie auch genau dazu besonders bef�higt sind.

Aber weit gefehlt. Kerstin hat den Schreibservice genau ein einziges Mal genutzt, um dann resigniert festzustellen, da� die Nachbearbeitung der Texte mehr Zeit in Anspruch nimmt als das gesamte Selbsttippen. Die Rechtschreibung der Damen trieb ihr binnen der ersten drei S�tze die Tr�nen in die Augen. Und die letzte Schulung hat offensichtlich zu Zeiten stattgefunden, als die manuelle Schreibmaschine noch en vogue war.

Mit modernen Textverarbeitungsprogrammen steht man dort mindestens ebenso auf Kriegsfu� wie mit der Rechtschreibung. Nach jeder Zeile wird brav die return-Taste gedr�ckt, und die Seitenzahlen werden unten nat�rlich noch per Hand eingef�gt. Wenn man dann geringf�gige �nderungen im Text vornimmt, hat man die Seitenzahl unter Umst�nden zwar schon auf der n�chsten Seite stehen, aber das st�rt doch keinen gro�en Geist.

Nachdem das schon nicht funktioniert, h�tte man daraus vielleicht eine Lehre ziehen und nicht auch noch das Nachheften der Loseblattsammlungen an das Schreibb�ro delegieren sollen. Als Kerstin k�rzlich nach der aktuellsten Ausgabe des BGB fahndete (die nat�rlich nur einmal im ganzen Haus vorhanden ist, sofern man nicht seine eigene mitgebracht hat), stellte sie fest, da� dort die Paragraphen 1 - 1024 fehlten.

Nat�rlich konnte sich das niemand erkl�ren - und verantwortlich f�hlte sich daf�r erst recht keine der Anwesenden. Vermutlich ist es den paar unbedeutenden Paragraphen so �hnlich ergangen wie den manuellen Seitenzahlen. Sie sind verrutscht und in Ablage P gelandet. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis Kerstin endg�ltig die Nerven verliert und nebst Ikea-Plastik-Mobiliar in der Ablage Irrenhaus landet.