2003-04-22 - 21:12 - Auf dem Weg zum Bernsteinzimmer

So, jetzt hab ich endlich ein wenig Zeit, Euch weitere Eindr�cke aus St. Petersburg zu schildern und mit den dazugeh�rigen Fotos zu versehen. Und da viele nach dem Bernsteinzimmer gefragt haben, soll der n�chste Reisebericht genau dahin entf�hren.

Allerdings m��t Ihr Euch ein wenig gedulden und durch gr��ere Textmengen k�mpfen, denn schon die Reise nach Zarskoje Selo, dem sogenannten Katharinenpalast au�erhalb von St. Petersburg, in dem sich das Zimmer befindet, ist ein paar Zeilen wert. Zumindest wenn man wie wir dem Komfort einer organisierten Tour entsagt und fr�h am Morgen versucht, mit �ffentlichen Verkehrsmitteln aufs platte Land zu gelangen.

Zun�chst mal mu� man n�mlich ermitteln, von welchem Bahnhof welcher Zug f�hrt. St. P. hat mindestens f�nf verschiedene Bahnh�fe weitr�umig �ber die Stadt verteilt, und nat�rlich f�hrt der Zug zum gew�nschten Ziel nur von einem ganz bestimmten Bahnhof ab. Hat man den mit Hilfe des Reisef�hrers gefunden, steht man im Zweifel immer noch recht ahnungslos in einer riesigen Halle (in unserem Fall Jugendstil) und starrt auf eine lange Reihe von Kassenschaltern, die ausschlie�lich mit kyrillischer Schrift versehen sind.

Erw�hnte ich eigentlich schon, da� ich mich von der Ankunft bis zur Abreise wie ein kompletter Analphabet gef�hlt habe und mindestens drei Verzweiflungsattacken am Tag erleiden mu�te? Und nein, man gew�hnt sich nicht daran, rein gar nichts zu verstehen. Und nein, es wird auch nicht binnen k�rzester Zeit besser, der Wiedererkennungseffekt verharrt stur auf Nullniveau.

Da Marc und ich wieder mal vor der F�lle unverst�ndlicher Schriftzeichen kapitulierten, stellten wir uns einfach irgendwo in jeweils einer Schlange an und hofften auf eine sprachkundige Kartenverk�uferin (ungef�hr so wie kleine Kinder auf den Weihnachtsmann warten). Die etwa 45-min�tige Wartezeit konnte man hervorragend zu Sozialstudien nutzen, da die unterschiedlichsten Menschen geduldig um uns herum anstanden.

Als wir endlich unsere Nasen gegen die Glasscheiben dr�cken und m�hsam "Zarskoje Selo" murmeln durften, winkte die gute Frau nur genervt ab und �bersch�ttete uns mit einem Schwall Russisch. Zum Gl�ck wedelte sie, international verst�ndlich, mit den Armen und deutete an, wir sollten um die Ecke gehen. Und siehe da, ausgerechnet unser Zug fuhr von einem anderen Teil des Bahnhofs mit getrenntem Kartenschalter ab, an dem nat�rlich �berhaupt gar keine Schlangen standen.

Die halbst�ndige Zugfahrt kostete nur etwa ein Zwanzigstel des Auto-Tour-Preises (rund 1,8 Euro) und erwies sich als unterhaltsame Erfahrung. Man sitzt auf unbequemen Holzb�nken eingezw�ngt zwischen anderen Reisenden, die nicht selten schon morgens eine beachtliche Alkoholfahne aufweisen, und zockelt im Schneckentempo durch trostlose Fabrikhallen-Vororte und verschneite Landschaften.

Begleitet wird die Fahrt von unterschiedlichen Musikanten, die sich langsam durch die Wagen arbeiten und dabei meist wundervoll melancholische russische Volksweisen spielen. Diesen folgen fliegende H�ndler, die alles von Waschpulver �ber Zahnb�rsten bis M�sliriegel aus gro�en Sporttaschen anbieten, und ihrerseits das Abteil wieder freigeben f�r das n�chste Musikanten-Trio.

In Zarskoje Selo (das �brigens 1937 zu Ehren Puschkins umbenannt wurde und erst 1998 seinen urspr�nglichen Namen zur�ckerhielt) angekommen, mu� man blo� noch den richtigen Bus finden, sich durch ein kleines St�dtchen schaukeln lassen, an der richtigen Ecke wieder aussteigen, eine kleine Stra�e hochgehen und steht ganz pl�tzlich vor dem riesigen Palast, auf dem noch heute die Flagge der Romanows weht, mit den T�rmen der Kapelle auf der rechten Seite ... und ist sprachlos.

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Auf dem Weg zum Bernsteinzimmer 2003-04-22 21:12 So, jetzt hab ich endlich ein wenig Zeit, Euch weitere Eindr�cke aus St. Petersburg zu schildern und mit den dazugeh�rigen Fotos zu versehen. Und da viele nach dem Bernsteinzimmer gefragt haben, soll der n�chste Reisebericht genau dahin entf�hren.

Allerdings m��t Ihr Euch ein wenig gedulden und durch gr��ere Textmengen k�mpfen, denn schon die Reise nach Zarskoje Selo, dem sogenannten Katharinenpalast au�erhalb von St. Petersburg, in dem sich das Zimmer befindet, ist ein paar Zeilen wert. Zumindest wenn man wie wir dem Komfort einer organisierten Tour entsagt und fr�h am Morgen versucht, mit �ffentlichen Verkehrsmitteln aufs platte Land zu gelangen.

Zun�chst mal mu� man n�mlich ermitteln, von welchem Bahnhof welcher Zug f�hrt. St. P. hat mindestens f�nf verschiedene Bahnh�fe weitr�umig �ber die Stadt verteilt, und nat�rlich f�hrt der Zug zum gew�nschten Ziel nur von einem ganz bestimmten Bahnhof ab. Hat man den mit Hilfe des Reisef�hrers gefunden, steht man im Zweifel immer noch recht ahnungslos in einer riesigen Halle (in unserem Fall Jugendstil) und starrt auf eine lange Reihe von Kassenschaltern, die ausschlie�lich mit kyrillischer Schrift versehen sind.

Erw�hnte ich eigentlich schon, da� ich mich von der Ankunft bis zur Abreise wie ein kompletter Analphabet gef�hlt habe und mindestens drei Verzweiflungsattacken am Tag erleiden mu�te? Und nein, man gew�hnt sich nicht daran, rein gar nichts zu verstehen. Und nein, es wird auch nicht binnen k�rzester Zeit besser, der Wiedererkennungseffekt verharrt stur auf Nullniveau.

Da Marc und ich wieder mal vor der F�lle unverst�ndlicher Schriftzeichen kapitulierten, stellten wir uns einfach irgendwo in jeweils einer Schlange an und hofften auf eine sprachkundige Kartenverk�uferin (ungef�hr so wie kleine Kinder auf den Weihnachtsmann warten). Die etwa 45-min�tige Wartezeit konnte man hervorragend zu Sozialstudien nutzen, da die unterschiedlichsten Menschen geduldig um uns herum anstanden.

Als wir endlich unsere Nasen gegen die Glasscheiben dr�cken und m�hsam "Zarskoje Selo" murmeln durften, winkte die gute Frau nur genervt ab und �bersch�ttete uns mit einem Schwall Russisch. Zum Gl�ck wedelte sie, international verst�ndlich, mit den Armen und deutete an, wir sollten um die Ecke gehen. Und siehe da, ausgerechnet unser Zug fuhr von einem anderen Teil des Bahnhofs mit getrenntem Kartenschalter ab, an dem nat�rlich �berhaupt gar keine Schlangen standen.

Die halbst�ndige Zugfahrt kostete nur etwa ein Zwanzigstel des Auto-Tour-Preises (rund 1,8 Euro) und erwies sich als unterhaltsame Erfahrung. Man sitzt auf unbequemen Holzb�nken eingezw�ngt zwischen anderen Reisenden, die nicht selten schon morgens eine beachtliche Alkoholfahne aufweisen, und zockelt im Schneckentempo durch trostlose Fabrikhallen-Vororte und verschneite Landschaften.

Begleitet wird die Fahrt von unterschiedlichen Musikanten, die sich langsam durch die Wagen arbeiten und dabei meist wundervoll melancholische russische Volksweisen spielen. Diesen folgen fliegende H�ndler, die alles von Waschpulver �ber Zahnb�rsten bis M�sliriegel aus gro�en Sporttaschen anbieten, und ihrerseits das Abteil wieder freigeben f�r das n�chste Musikanten-Trio.

In Zarskoje Selo (das �brigens 1937 zu Ehren Puschkins umbenannt wurde und erst 1998 seinen urspr�nglichen Namen zur�ckerhielt) angekommen, mu� man blo� noch den richtigen Bus finden, sich durch ein kleines St�dtchen schaukeln lassen, an der richtigen Ecke wieder aussteigen, eine kleine Stra�e hochgehen und steht ganz pl�tzlich vor dem riesigen Palast, auf dem noch heute die Flagge der Romanows weht, mit den T�rmen der Kapelle auf der rechten Seite ... und ist sprachlos.