2003-06-02 - 19:00 - Der gehornte Hund

Ich war am Wochenende im unglaublich hochsommerlich hei�en Berlin und hab die Zeit �berwiegend mit tr�gem Rumsitzen an gem�tlichen K�chen- bzw. kleinen Caf�tischen, Luft zuf�cheln und stundenlangen Gespr�chen zugebracht. Ich h�tte Euch gerne schon eher daran teilhaben lassen, aber die Hitze ... die Tr�gheit ... Ihr wi�t schon.

2003 wird von mir zum Jahr der unverhofften Wiederentdeckung altbekannter Menschen erkl�rt. Nachdem ich bereits zwei alte Schulfreunde "wiederentdecken" konnte, hatte ich am Wochenende das Vergn�gen, stundenlange Gespr�che mit meinem f�nf Jahre �lteren Cousin zu f�hren.

Was noch zu Schulzeiten einen nahezu un�berbr�ckbaren Altersunterschied darstellte, erweist sich heute als marginal, und der "gro�e Cousin", das erkl�rte Genie unserer Familie, als vielseitiger, unglaublich interessanter und angenehm entspannter Mensch. Es lohnt sich wirklich, die eigene Verwandtschaft mit einigem Abstand zu alten Kindertagen neu kennenzulernen.

F�r einen kurzen Abstecher auf den Kirchentag haben Zeit und Neugier dann auch noch gereicht. Mitgebracht habe ich die neuerworbene Phobie gegen orange-gelbe Schals (und die Best�tigung einer ganz alten Phobie gegen Birkenstocks) und die Erkenntnis, da� auch das vermeintliche Drama �kumene auf der B�hne nur halb so weltersch�tternd ist, wie es die Rezensionen in der Presse vorher beschrieben.

Ansonsten geht auch eine Massenveranstaltung wie der Kirchentag in der Hauptstadt eher unter. Vielleicht aber sind auch die Besucher einfach nur �lter und abgekl�rter geworden. Man sieht kaum noch b�rtige M�nner mit Jesuslatschen und einer Mission oder aber erweckte und vom Geist durchdrungene Jugendgruppen in den Stra�en, die bis zur drohenden Stimmbandverknotung "Kumbayah my Lord" singen. Aber das beseelte L�cheln, das ist geblieben.

F�r die Aufregung des Wochenendes hat aber wieder mal mein kleines vierpfotiges Ungeheuer gesorgt. Ich sa� am Freitag morgen mit einem Becher Kaffee in dem kleinen, gr�nen Hof hinter der v�terlichen Wohnung und blinzelte in die Sonnenstrahlen, w�hrend wollige Pappelsamen wie gro�e, schwere Schneeflocken durch die Luft glitten und den Rasen allm�hlich wei� f�rbten. Der Hund lief derweil frei durch die B�sche, da der Hof umz�unt und abgeschlossen ist.

Irgendwie mu� er dann aber doch ein bis dato unentdecktes Loch im Zaun gefunden haben, denn pl�tzlich sprang er auf der anderen Seite des Zauns auf dem falschen Hinterhof herum, drehte sich noch einmal kurz zu mir um (ich schw�re, er hat gezwinkert) und zw�ngte sich in der n�chsten Sekunde durch eine winzige Katzenklappe in eine mir v�llig unbekannte Nachbarwohnung.

Nat�rlich pa�te ich nicht durch das Loch und f�hlte mich wie Alice im Wunderland, nur hatte jemand vergessen, mir die n�tigen Schrumpf-Drinks bereitzustellen. Mir blieb also nichts �brig, als geduldig Pappelsamen im Haar zu sammeln und laut nach dem Hund zu rufen. Minutenlang nichts. Statt dessen bev�lkerten grausame Tierqu�ler und Hundefleischliebhaber meine Phantasie.

Dann h�rte ich das arme Monster pl�tzlich in den h�chsten T�nen jaulen, und mein kleines Hundehalterherz drohte zu zerspringen. Ich st�rmte sofort nach vorne auf die Stra�e, bereit an allen T�ren gleichzeitig zu klingeln. Aber da scho� der ehemals schwarze Hund auch schon aus einem Hauseingang und mir direkt in die Arme.

Er war komplett mit Staub und Flusen bedeckt, so als w�re vor der rechtm��igen Katzenklappennutzerin unter das Sofa oder in ein �hnlich staubanf�lliges Versteck gefl�chtet. �ber dem rechten Auge hatte er eine dicke Schramme und in der Seite der Schnauze steckte ein ganz besonderes Souvenir: der harte Hornteil einer Katzenkralle.

0 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Der gehornte Hund 2003-06-02 19:00 Ich war am Wochenende im unglaublich hochsommerlich hei�en Berlin und hab die Zeit �berwiegend mit tr�gem Rumsitzen an gem�tlichen K�chen- bzw. kleinen Caf�tischen, Luft zuf�cheln und stundenlangen Gespr�chen zugebracht. Ich h�tte Euch gerne schon eher daran teilhaben lassen, aber die Hitze ... die Tr�gheit ... Ihr wi�t schon.

2003 wird von mir zum Jahr der unverhofften Wiederentdeckung altbekannter Menschen erkl�rt. Nachdem ich bereits zwei alte Schulfreunde "wiederentdecken" konnte, hatte ich am Wochenende das Vergn�gen, stundenlange Gespr�che mit meinem f�nf Jahre �lteren Cousin zu f�hren.

Was noch zu Schulzeiten einen nahezu un�berbr�ckbaren Altersunterschied darstellte, erweist sich heute als marginal, und der "gro�e Cousin", das erkl�rte Genie unserer Familie, als vielseitiger, unglaublich interessanter und angenehm entspannter Mensch. Es lohnt sich wirklich, die eigene Verwandtschaft mit einigem Abstand zu alten Kindertagen neu kennenzulernen.

F�r einen kurzen Abstecher auf den Kirchentag haben Zeit und Neugier dann auch noch gereicht. Mitgebracht habe ich die neuerworbene Phobie gegen orange-gelbe Schals (und die Best�tigung einer ganz alten Phobie gegen Birkenstocks) und die Erkenntnis, da� auch das vermeintliche Drama �kumene auf der B�hne nur halb so weltersch�tternd ist, wie es die Rezensionen in der Presse vorher beschrieben.

Ansonsten geht auch eine Massenveranstaltung wie der Kirchentag in der Hauptstadt eher unter. Vielleicht aber sind auch die Besucher einfach nur �lter und abgekl�rter geworden. Man sieht kaum noch b�rtige M�nner mit Jesuslatschen und einer Mission oder aber erweckte und vom Geist durchdrungene Jugendgruppen in den Stra�en, die bis zur drohenden Stimmbandverknotung "Kumbayah my Lord" singen. Aber das beseelte L�cheln, das ist geblieben.

F�r die Aufregung des Wochenendes hat aber wieder mal mein kleines vierpfotiges Ungeheuer gesorgt. Ich sa� am Freitag morgen mit einem Becher Kaffee in dem kleinen, gr�nen Hof hinter der v�terlichen Wohnung und blinzelte in die Sonnenstrahlen, w�hrend wollige Pappelsamen wie gro�e, schwere Schneeflocken durch die Luft glitten und den Rasen allm�hlich wei� f�rbten. Der Hund lief derweil frei durch die B�sche, da der Hof umz�unt und abgeschlossen ist.

Irgendwie mu� er dann aber doch ein bis dato unentdecktes Loch im Zaun gefunden haben, denn pl�tzlich sprang er auf der anderen Seite des Zauns auf dem falschen Hinterhof herum, drehte sich noch einmal kurz zu mir um (ich schw�re, er hat gezwinkert) und zw�ngte sich in der n�chsten Sekunde durch eine winzige Katzenklappe in eine mir v�llig unbekannte Nachbarwohnung.

Nat�rlich pa�te ich nicht durch das Loch und f�hlte mich wie Alice im Wunderland, nur hatte jemand vergessen, mir die n�tigen Schrumpf-Drinks bereitzustellen. Mir blieb also nichts �brig, als geduldig Pappelsamen im Haar zu sammeln und laut nach dem Hund zu rufen. Minutenlang nichts. Statt dessen bev�lkerten grausame Tierqu�ler und Hundefleischliebhaber meine Phantasie.

Dann h�rte ich das arme Monster pl�tzlich in den h�chsten T�nen jaulen, und mein kleines Hundehalterherz drohte zu zerspringen. Ich st�rmte sofort nach vorne auf die Stra�e, bereit an allen T�ren gleichzeitig zu klingeln. Aber da scho� der ehemals schwarze Hund auch schon aus einem Hauseingang und mir direkt in die Arme.

Er war komplett mit Staub und Flusen bedeckt, so als w�re vor der rechtm��igen Katzenklappennutzerin unter das Sofa oder in ein �hnlich staubanf�lliges Versteck gefl�chtet. �ber dem rechten Auge hatte er eine dicke Schramme und in der Seite der Schnauze steckte ein ganz besonderes Souvenir: der harte Hornteil einer Katzenkralle.