2004-01-24 - 23:54 - 31.10.1920 - 24.1.2004

�ber kaum einen Fotografen ist so hitzig diskutiert worden wie �ber Helmut Newton und seine nackten Frauen. Proteste gegen eine aktuelle Ausstellung gab es sogar noch im Sommer 2001, viele Jahre nach den ersten Debatten �ber seine SM- und Fetisch-Motive, zu einer Zeit, in der jeder Privatsender nach 22 Uhr Dominas als Quotenf�nger zeigte. Ich kenne viele Menschen, die Helmut Newton verehren, deren Wohnzimmer sein Buch "Sumo" ziert und ich kenne mindestens ebenso viele, die beim Anblick seiner Bilder mit hochrotem Kopf in emp�rten Monologe �ber Frauenrechte verfallen.

Ich war Anfang der 80er viel zu jung, um die Aufregung zu verstehen oder die Debatten verfolgen zu k�nnen. Alles was ich dar�ber wei�, habe ich sp�ter gelesen, als ich anfing, mich f�r feministische Themen zu interessieren. Aber ich erinnere mich sehr genau daran, da� Newtons Nackte die ersten Bilder von nackten Frauen waren, an die ich wirklich als solche wahrgenommen habe, bei denen mir ein sexueller Kontext bewu�t war. Nat�rlich hatte ich vorher Nackte gesehen, aber eben nicht solche Nackten.

Und kaum etwas hat mein Frauenbild so gepr�gt wie seine Bilder. Nat�rlich wollte ich auch so aussehen wie die Frauen auf seinen Fotos (ein v�llig sinnloses Unterfangen), aber vor allem wollte ich so sein wie sie. So stark, so sicher, so selbstbewu�t. Im Reinen mit den eigenen sexuellen Bed�rfnissen, befreit von dem Korsett der allgemeinen Moral und der g�ltigen Vorstellung �ber das, was man als Frau im Schlafzimmer tun darf.

Denn ganz egal was die Alice Schwarzers dieser Welt dar�ber gesagt haben, ich habe Newtons Bilder nie als frauenfeindlich oder entw�rdigend empfunden. Er hatte nat�rlich einen m�nnlichen Blick auf die Welt, seine Bilder sind Sex, nicht subtile Erotik, aber er hat die St�rke der Frau gefeiert, sie nicht unterdr�ckt oder erniedrigt. Die Frauen auf seinen Fotos sind immer Frauen, die ganz offen zu dem stehen, was sie wollen, die ihre Sexualit�t leben, nicht blo� m�nnliche Wunschvorstellungen verk�rpern (falls sie damit einen m�nnlichen Nerv trafen, fein, falls nicht, Pech gehabt).

Das gilt selbst f�r seine umstrittensten Bilder von Frauen in eher unterw�rfigen Posen - wie etwa das mit der auf einem Bett knienden Frau, die einen Sattel auf dem R�cken tr�gt. Auch diese Frau wirkt stolz, selbstbewu�t. Sie ist kein reines Objekt oder gar ein bemitleidenswertes Opfer, sondern eine Frau, die sich ihre Rolle bewu�t ausgesucht hat, die sie genie�t. Man mu� das nicht nachvollziehen k�nnen, aber man t�te ihr und Newton unrecht, wenn man diese Bilder als billige Wichsvorlagen abtun w�rde.

Man mu� seine Werke nicht m�gen. Ich mag l�ngst nicht alle seiner Fotografien. Viele sind mir zu kalt, zu statisch. Aber frauenfeindlich sind sie nun wirklich nicht, nicht ein einziges. F�r mich als verklemmter, irritierter, v�llig versch�chterter Teenager waren sie befreiend.

Denn selbst die breitbeinigste Schlampenpose wirkt immer so als w�rde die Frau sich gleich am�siert zur�cklehnen und mit rauchiger Stimme sagen: "Ich mache das, weil es mir Spa� macht, weil ich meine sexuellen Phantasien ausleben und nicht in dunklen Ecken meiner Seele verstecken m�chte. Ich kontrolliere was hier geschieht. Wenn dich das irritiert, dann ist das dein Problem und ganz bestimmt nicht meins. Also zwing mir nicht deine Komplexe auf."

Genau so m�chte ich leben. Und Newtons Bilder haben mir fr�h gezeigt, da� das m�glich ist, da� es solche Frauen gibt und da� es sogar erstrebenswert ist, so zu werden wie sie. Stark. Selbstbestimmt.

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31.10.1920 - 24.1.2004 2004-01-24 23:54 �ber kaum einen Fotografen ist so hitzig diskutiert worden wie �ber Helmut Newton und seine nackten Frauen. Proteste gegen eine aktuelle Ausstellung gab es sogar noch im Sommer 2001, viele Jahre nach den ersten Debatten �ber seine SM- und Fetisch-Motive, zu einer Zeit, in der jeder Privatsender nach 22 Uhr Dominas als Quotenf�nger zeigte. Ich kenne viele Menschen, die Helmut Newton verehren, deren Wohnzimmer sein Buch "Sumo" ziert und ich kenne mindestens ebenso viele, die beim Anblick seiner Bilder mit hochrotem Kopf in emp�rten Monologe �ber Frauenrechte verfallen.

Ich war Anfang der 80er viel zu jung, um die Aufregung zu verstehen oder die Debatten verfolgen zu k�nnen. Alles was ich dar�ber wei�, habe ich sp�ter gelesen, als ich anfing, mich f�r feministische Themen zu interessieren. Aber ich erinnere mich sehr genau daran, da� Newtons Nackte die ersten Bilder von nackten Frauen waren, an die ich wirklich als solche wahrgenommen habe, bei denen mir ein sexueller Kontext bewu�t war. Nat�rlich hatte ich vorher Nackte gesehen, aber eben nicht solche Nackten.

Und kaum etwas hat mein Frauenbild so gepr�gt wie seine Bilder. Nat�rlich wollte ich auch so aussehen wie die Frauen auf seinen Fotos (ein v�llig sinnloses Unterfangen), aber vor allem wollte ich so sein wie sie. So stark, so sicher, so selbstbewu�t. Im Reinen mit den eigenen sexuellen Bed�rfnissen, befreit von dem Korsett der allgemeinen Moral und der g�ltigen Vorstellung �ber das, was man als Frau im Schlafzimmer tun darf.

Denn ganz egal was die Alice Schwarzers dieser Welt dar�ber gesagt haben, ich habe Newtons Bilder nie als frauenfeindlich oder entw�rdigend empfunden. Er hatte nat�rlich einen m�nnlichen Blick auf die Welt, seine Bilder sind Sex, nicht subtile Erotik, aber er hat die St�rke der Frau gefeiert, sie nicht unterdr�ckt oder erniedrigt. Die Frauen auf seinen Fotos sind immer Frauen, die ganz offen zu dem stehen, was sie wollen, die ihre Sexualit�t leben, nicht blo� m�nnliche Wunschvorstellungen verk�rpern (falls sie damit einen m�nnlichen Nerv trafen, fein, falls nicht, Pech gehabt).

Das gilt selbst f�r seine umstrittensten Bilder von Frauen in eher unterw�rfigen Posen - wie etwa das mit der auf einem Bett knienden Frau, die einen Sattel auf dem R�cken tr�gt. Auch diese Frau wirkt stolz, selbstbewu�t. Sie ist kein reines Objekt oder gar ein bemitleidenswertes Opfer, sondern eine Frau, die sich ihre Rolle bewu�t ausgesucht hat, die sie genie�t. Man mu� das nicht nachvollziehen k�nnen, aber man t�te ihr und Newton unrecht, wenn man diese Bilder als billige Wichsvorlagen abtun w�rde.

Man mu� seine Werke nicht m�gen. Ich mag l�ngst nicht alle seiner Fotografien. Viele sind mir zu kalt, zu statisch. Aber frauenfeindlich sind sie nun wirklich nicht, nicht ein einziges. F�r mich als verklemmter, irritierter, v�llig versch�chterter Teenager waren sie befreiend.

Denn selbst die breitbeinigste Schlampenpose wirkt immer so als w�rde die Frau sich gleich am�siert zur�cklehnen und mit rauchiger Stimme sagen: "Ich mache das, weil es mir Spa� macht, weil ich meine sexuellen Phantasien ausleben und nicht in dunklen Ecken meiner Seele verstecken m�chte. Ich kontrolliere was hier geschieht. Wenn dich das irritiert, dann ist das dein Problem und ganz bestimmt nicht meins. Also zwing mir nicht deine Komplexe auf."

Genau so m�chte ich leben. Und Newtons Bilder haben mir fr�h gezeigt, da� das m�glich ist, da� es solche Frauen gibt und da� es sogar erstrebenswert ist, so zu werden wie sie. Stark. Selbstbestimmt.

frau stylo - 2004-01-25 03:09:04
wer m�chte das nicht leben? in seiner haut gefangen zu sein ist das eine. eine neue hat anziehen ist das andere. solange frau stolz einen sattel auf dem r�cken tr�gt und sich dar�ber freut, dass sie die m�glichkeit hat - wie ein pferd - ihren reiter abzuwerfen, solange wird sie ihren stolz bewahren.
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wer m�chte das nicht leben? in seiner haut gefangen zu sein ist das eine. eine neue hat anziehen ist das andere. solange frau stolz einen sattel auf dem r�cken tr�gt und sich dar�ber freut, dass sie die m�glichkeit hat - wie ein pferd - ihren reiter abzuwerfen, solange wird sie ihren stolz bewahren. kaltmamsell - 2004-01-25 03:22:06
Der deutlichste Kommentar zu seinen Bildern ist wohl dieses Foto.
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Der deutlichste Kommentar zu seinen Bildern ist wohl dieses Foto. Anke - 2004-01-25 03:48:15
Well said.
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Well said. kaltmamsell - 2004-01-25 03:55:22
Sven K. hat seine Hommage gemalt.
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Sven K. hat seine Hommage gemalt. Jeremin - 2004-01-25 05:24:46
EIN Mann gegen Millionen von Eiapopeia-Bildern, die in hunderten von "Frauen"-Zeitschriften bei den Friseuren und Frauen�rzten noch jahrelang herumliegen. Schade. Wieder einer weniger.
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EIN Mann gegen Millionen von Eiapopeia-Bildern, die in hunderten von "Frauen"-Zeitschriften bei den Friseuren und Frauen�rzten noch jahrelang herumliegen. Schade. Wieder einer weniger. Darla - 2004-01-25 07:38:58
Wir haben ein Bild aus der "Big Nude" - Serie in unserem G�stezimmer. Als meine Oma (eine sehr grauhaarige Dame von 80 Jahren) es sah, schaute sie es sich sehr lange an und meinte:"Das ist endlich mal ein sch�nes erotisches Bild". Welcher Erotikfotograf hat es je geschafft, derart generationen�bergreifend zu fotografieren?
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Wir haben ein Bild aus der "Big Nude" - Serie in unserem G�stezimmer. Als meine Oma (eine sehr grauhaarige Dame von 80 Jahren) es sah, schaute sie es sich sehr lange an und meinte:"Das ist endlich mal ein sch�nes erotisches Bild". Welcher Erotikfotograf hat es je geschafft, derart generationen�bergreifend zu fotografieren? Gewerkschaft der modernen Emanzipation - 2004-01-25 09:18:57
Wenn ich an meine Freundinnen denke, dann sind sie alle stark - so sie es sein wollen. In meinem Umfeld hat deshalb die Emanzipation an Bedeutung verloren, weil sie sich selbst emanzipiert hat von ihren schweren und schr�gen Anf�ngen. Und weil es heute normal erscheint, gleich starken und schwachen Frauen und M�nnern zu begegnen. In der aktuellen ZEIT steht eine sch�ne Geschichte der Emanzipation �ber Frauen aus vier Generationen einer Familie: http://www.zeit.de/2004/05/Familie Nach der Emanzipation besteht die heutige Herausforderung unserer Gesellschaft von starken Individualisten wohl darin, Freiheit und St�rke zu teilen - und wieder zueinander zu finden...
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Wenn ich an meine Freundinnen denke, dann sind sie alle stark - so sie es sein wollen. In meinem Umfeld hat deshalb die Emanzipation an Bedeutung verloren, weil sie sich selbst emanzipiert hat von ihren schweren und schr�gen Anf�ngen. Und weil es heute normal erscheint, gleich starken und schwachen Frauen und M�nnern zu begegnen. In der aktuellen ZEIT steht eine sch�ne Geschichte der Emanzipation �ber Frauen aus vier Generationen einer Familie: http://www.zeit.de/2004/05/Familie Nach der Emanzipation besteht die heutige Herausforderung unserer Gesellschaft von starken Individualisten wohl darin, Freiheit und St�rke zu teilen - und wieder zueinander zu finden... Thomas - 2004-01-26 10:09:23
Helmut Newton ist f�r mich eine unvergessliche Erotikikone, wie John Willie, Ana�s Nin und andere. Mein Favorit unter den Fotografen ist und bleibt jedoch G�nter Blum (schon aus Lokalpatriotismus :-). Vor allem sein "Dornenhintern" ;-)

Was das mit Emanzipation (oder nicht) zu tun hat, vermochte ich noch nie zu verstehen.
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Helmut Newton ist f�r mich eine unvergessliche Erotikikone, wie John Willie, Ana�s Nin und andere. Mein Favorit unter den Fotografen ist und bleibt jedoch G�nter Blum (schon aus Lokalpatriotismus :-). Vor allem sein "Dornenhintern" ;-)

Was das mit Emanzipation (oder nicht) zu tun hat, vermochte ich noch nie zu verstehen. sven k. - 2004-01-26 18:24:10
A propos Ikonen - ich schmei� mich mit meinen Cartoon-Foto-Remakes jetzt auf Patti Smith und Herrn Mapplethorpe. Dabei h�re ich (danke, Herr Dahlmann)bestimmt das Ratpack irgendwo in einem Club in Chicago. Wer kommt mit?
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A propos Ikonen - ich schmei� mich mit meinen Cartoon-Foto-Remakes jetzt auf Patti Smith und Herrn Mapplethorpe. Dabei h�re ich (danke, Herr Dahlmann)bestimmt das Ratpack irgendwo in einem Club in Chicago. Wer kommt mit? Lyssa - 2004-01-26 18:34:42
Ratpack? Chicago? Mapplethorpe? Schon unterwegs!
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Ratpack? Chicago? Mapplethorpe? Schon unterwegs!