2002-09-04 - 12:52 - Kein Altbau, aber saniert

Nach einer langen Reihe dentaler Unbilden hab ich heute endlich meinen letzten Zahnarzttermin �berstanden und werde erst in sechs Monaten wieder dort erwartet. So ungern ich auch prinzipiell zum Arzt gehe, auf meine Zahn�rztin lasse ich nichts kommen. Sie ist der reizendste Mensch, den man sich in dieser Position w�nschen k�nnte, sehr ruhig und gelassen, sanft, stets um Erkl�rungen bem�ht und nie um einen aufheiternden Kommentar verlegen - absolut die Richtige also f�r potentielle Angsthasen wie mich (hallo Hamburger Dentistenphobiker da drau�en, schickt mir eine Mail, und ich empfehle die Wunderfrau gerne weiter). Ja, ich werde sie und ihre charmanten Helferinnen tats�chlich ein wenig vermissen (vielleicht k�nnen wir ja mal Kaffee trinken gehen, oder war Kaffee nun auch schlecht f�r die Z�hne?).

Sie hat mich zum Abschied allerdings ein wenig nachdenklich gemacht und zu diesem Eintrag veranla�t, als sie einen letzten Blick auf meine strahlenden Bei�erchen warf und zufrieden etwas von "perfekter Sanierung" murmelte. Sanierung? Was bittesch�n soll das denn bedeuten? Ich kenne das Wort eigentlich nur aus dem Immobilienteil des Hamburger Abendblattes: "Wundersch�n sanierte Altbauwohnung in Alstern�he mit S�dbalkon, G�ste-WC und Garage ab sofort f�r unbezahlbar zu mieten."

Hey, ich bin noch keine Drei�ig! Mu� ich mich jetzt schon mit einem leicht altmodischen, vom Staub der Nostalgie �berzogenen Objekt der Begierde vergleichen lassen, dessen Wert sich mal fix durch eine meist schon l�ngst �berf�llige Sanierung steigern l��t, um dann erneut auf den Markt geworfen zu werden? (Hmm, steigt mein imagin�rer Marktwert damit jetzt auch, oder steigen im Endeffekt doch wieder nur meine Krankenkassenbeitr�ge?) Das Wort "Sanierung" in Bezug auf Menschen ist einfach diskriminierend und geh�rt genauso verboten wie etwa "weibliche Problemzonen".

Hinzu kommt, da� meine gro�e Bauchnarbe, die ich als Souvenir von meiner �berraschenden OP im Fr�hjahr behalten durfte, gestern zum ersten Mal die halbe Nacht h�llisch gejuckt und geziept hat, und ich wohl erstmals in den zweifelhaften Genu� des Ph�nomens der "Wetterf�hligkeit" gekommen bin. So was kannte ich sonst nur von meiner Oma, bei der Ziehen im morschen Knie einen baldigen Wetterwechsel ank�ndigte. Als Kind hielt ich das nat�rlich f�r absolut bewundernswert und meine Oma f�r eine Art Hellf�hlerin, zumal ihre Prognosen meist besser waren als die der Kachelmanns & Co. Aber es war eben auch eine F�higkeit, die nur alten Leuten zustand. Eine F�higkeit, die aus kindlicher Sicht wohl irgendwann im letzten Drittel des Leben m�hselig erworben wurde.

Niemand hat mir gesagt, da� man auch in der Bl�te seiner Jugend (h�re ich da etwa ein H�steln im Publikum?) zum Propheten werden kann. Oder markiert es etwa doch einen bedeutenden Wendepunkt, habe ich eine unsichtbare Grenze �berschritten, die endg�ltig und unwiederbringlich den sp�rbaren, altersbedingten Verfall einleitet? Ach was, sollte es diese Grenze geben, so werde ich sie beil�ufig v�llig unger�hrt �berschreiten, wie so viele andere Grenzen in meinem Leben auch. Und narbenbedingtes Wetterprophetentum erkl�re ich hiermit f�r extrem hip, g�ltig ab sofort. Jawohl!

Und mal ehrlich, �lter zu werden ist ziemlich klasse. Oder m�chte einer von Euch noch mal die qu�lenden Unsicherheiten und mannigfaltigen Leiden der Pubert�t nebst ihrer Nachwehen erleben (und Ihr, die Ihr grad drinsteckt, seid versichert, das Leben wird wieder besser - haltet Euch blo� von Chirurgen und psychopathischen Liebhabern fern).

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Kein Altbau, aber saniert 2002-09-04 12:52 Nach einer langen Reihe dentaler Unbilden hab ich heute endlich meinen letzten Zahnarzttermin �berstanden und werde erst in sechs Monaten wieder dort erwartet. So ungern ich auch prinzipiell zum Arzt gehe, auf meine Zahn�rztin lasse ich nichts kommen. Sie ist der reizendste Mensch, den man sich in dieser Position w�nschen k�nnte, sehr ruhig und gelassen, sanft, stets um Erkl�rungen bem�ht und nie um einen aufheiternden Kommentar verlegen - absolut die Richtige also f�r potentielle Angsthasen wie mich (hallo Hamburger Dentistenphobiker da drau�en, schickt mir eine Mail, und ich empfehle die Wunderfrau gerne weiter). Ja, ich werde sie und ihre charmanten Helferinnen tats�chlich ein wenig vermissen (vielleicht k�nnen wir ja mal Kaffee trinken gehen, oder war Kaffee nun auch schlecht f�r die Z�hne?).

Sie hat mich zum Abschied allerdings ein wenig nachdenklich gemacht und zu diesem Eintrag veranla�t, als sie einen letzten Blick auf meine strahlenden Bei�erchen warf und zufrieden etwas von "perfekter Sanierung" murmelte. Sanierung? Was bittesch�n soll das denn bedeuten? Ich kenne das Wort eigentlich nur aus dem Immobilienteil des Hamburger Abendblattes: "Wundersch�n sanierte Altbauwohnung in Alstern�he mit S�dbalkon, G�ste-WC und Garage ab sofort f�r unbezahlbar zu mieten."

Hey, ich bin noch keine Drei�ig! Mu� ich mich jetzt schon mit einem leicht altmodischen, vom Staub der Nostalgie �berzogenen Objekt der Begierde vergleichen lassen, dessen Wert sich mal fix durch eine meist schon l�ngst �berf�llige Sanierung steigern l��t, um dann erneut auf den Markt geworfen zu werden? (Hmm, steigt mein imagin�rer Marktwert damit jetzt auch, oder steigen im Endeffekt doch wieder nur meine Krankenkassenbeitr�ge?) Das Wort "Sanierung" in Bezug auf Menschen ist einfach diskriminierend und geh�rt genauso verboten wie etwa "weibliche Problemzonen".

Hinzu kommt, da� meine gro�e Bauchnarbe, die ich als Souvenir von meiner �berraschenden OP im Fr�hjahr behalten durfte, gestern zum ersten Mal die halbe Nacht h�llisch gejuckt und geziept hat, und ich wohl erstmals in den zweifelhaften Genu� des Ph�nomens der "Wetterf�hligkeit" gekommen bin. So was kannte ich sonst nur von meiner Oma, bei der Ziehen im morschen Knie einen baldigen Wetterwechsel ank�ndigte. Als Kind hielt ich das nat�rlich f�r absolut bewundernswert und meine Oma f�r eine Art Hellf�hlerin, zumal ihre Prognosen meist besser waren als die der Kachelmanns & Co. Aber es war eben auch eine F�higkeit, die nur alten Leuten zustand. Eine F�higkeit, die aus kindlicher Sicht wohl irgendwann im letzten Drittel des Leben m�hselig erworben wurde.

Niemand hat mir gesagt, da� man auch in der Bl�te seiner Jugend (h�re ich da etwa ein H�steln im Publikum?) zum Propheten werden kann. Oder markiert es etwa doch einen bedeutenden Wendepunkt, habe ich eine unsichtbare Grenze �berschritten, die endg�ltig und unwiederbringlich den sp�rbaren, altersbedingten Verfall einleitet? Ach was, sollte es diese Grenze geben, so werde ich sie beil�ufig v�llig unger�hrt �berschreiten, wie so viele andere Grenzen in meinem Leben auch. Und narbenbedingtes Wetterprophetentum erkl�re ich hiermit f�r extrem hip, g�ltig ab sofort. Jawohl!

Und mal ehrlich, �lter zu werden ist ziemlich klasse. Oder m�chte einer von Euch noch mal die qu�lenden Unsicherheiten und mannigfaltigen Leiden der Pubert�t nebst ihrer Nachwehen erleben (und Ihr, die Ihr grad drinsteckt, seid versichert, das Leben wird wieder besser - haltet Euch blo� von Chirurgen und psychopathischen Liebhabern fern).