2002-09-14 - 11:53 - Der Morgen danach ...

Ich habe mich ja schon h�ufiger ge�rgert, weil mir die perfekte Erwiderung auf einen dummen Kommentar oder eine besonders plumpe Anmache nat�rlich erst Stunden sp�ter auf dem heimischen Sofa eingefallen ist. Neu war mir das Gef�hl, mit dem ich heute morgen aufwachte. Heute morgen habe ich mir wohl zum ersten Mal wirklich gew�nscht, am Abend zuvor doch nicht ganz so schlagfertig reagiert zu haben. Was ich gestern abend f�r eine vielleicht etwas exzentrische, aber doch enorm gelungene Aktion hielt, schien, bei Licht betrachtet, einem schlechten Hollywood Film entliehen zu sein. Und es sieht so aus, als m��te ich meine Stammadresse f�r Sundowner eine Weile meiden.

Gestern abend bekam ich ganz pl�tzlich Lust auf Cocktails, gepaart mit einem Anfall extremer Arbeitsunwilligkeit. Ich fand, der Tag war lang und anstrengend genug, und ich hatte mir eine Pause mit guter Lekt�re und noch besserem Mojito redlich verdient (au�erdem schl�ft man mit ausreichend Alkohol im Blut trotz nachbarlicher Bel�stigung bekanntlich besser). Zum Gl�ck gibt es ja ein paar Meter die Stra�e hoch wirklich gute Cocktails, und so sa� ich schon kurze Zeit sp�ter mit einem Buch in der Hand und einem Mojito vor mir in besagtem Restaurant.

Der Frieden w�hrte jedoch nicht lange, da der Laden relativ gut besetzt war, und sich ein Neuank�mmling offensichtlich durch den Platzmangel ermutigt f�hlte, an meinem Tisch Platz zu nehmen. Das an sich h�tte mich gar nicht weiter gest�rt, schlie�lich war ich mit Buch und Drink hinreichend besch�ftigt. Nur leider war der Gute anscheinend von seiner Anziehungskraft derma�en unersch�tterlich �berzeugt, da� er mich trotz Buch immer wieder in eine Unterhaltung zu verwickeln versuchte - und das nicht eben auf die geschickteste Art.

Erschwerend kam hinzu, da� auch die Optik des Mannes nicht sonderlich geeignet war, mich milde zu stimmen oder gar ein gesteigertes Interesse zu wecken. Der Typ "aalglatter Werbefuzzi / Neue-Medien-Held" mit sorgsam pomadiertem Schopf, trendigen Turnschuhen, hipper Lederjacke und Ray-Ban-Gl�sern f�llt leider komplett aus meinem Beuteschema heraus. Dies gilt um so mehr, wenn er, bereits leicht alkoholisiert, allgemeine H�flichkeitsregeln und nonverbale Signale komplett mi�achtet.

Aber ach, alle freundliche Nichtachtung meinerseits war offensichtlich noch viel zu subtil, um bis zu ihm durchzudringen. Er monologisierte selbstvergessen weiter und schlug dabei recht z�gig - Zeit ist schlie�lich Geld - eine eindeutige Richtung ein. Die sonst so beliebte Phase mit Berichten eigener beruflicher Heldentaten wurde dabei erstaunlich z�gig abgewickelt. Nat�rlich zugunsten des Lehrbuchabschnitts "Ann�herung an das andere Geschlecht im waghalsigen Tempo f�r Fortgeschrittene".

Bereits nach zwanzig Minuten einseitigen Redeflusses war er fest davon �berzeugt, mein sexuelles Selbst erkannt zu haben und, wie k�nnte es anders sein, der einzig Richtige f�r die Befriedigung meiner intimsten Bed�rfnisse zu sein. (Womit er nat�rlich nicht ganz unrecht hatte. Er h�tte einfach nur die Klappe halten m�ssen, um mich f�r weitere drei�ig Minuten gl�cklich zu machen.)

Aber eigentlich konnte ich mich nicht beschweren. Er gab eine wirklich erheiternde Parodie des Typs "unwiderstehlicher Charmeur", Schmachtblick und tiefergelegte Zigarren-und-Whisky-Stimme im Fl�stermodus inklusive. Leider verbot mir meine gute Kinderstube, allzu offensichtlich �ber seine Darbietung zu lachen (da zeigten sie sich wieder, die von meinem Vater so oft angef�hrten "b�rgerlichen Milieusch�den").

Irgendwann hatte er den Bogen jedoch deutlich �berspannt. Sp�testens als er sich verschw�rerisch zu mir her�berbeugte und mit einem kleinen Zucken im rechten Auge leise murmelte: "Ich hab gleich erkannt, da� in dir eine ganz abenteuerlustige und verruchte Frau schlummert. So was seh ich sofort. Ich wette, du geh�rst zu den Frauen, die gerne mal ohne Unterw�sche aus dem Haus gehen." (Oh nein, nicht schon wieder Unterw�sche ...)

Damit war es ihm aber endlich gelungen, tats�chlich meine abenteuerlustige Seite wachzukitzeln - wenn auch nicht ganz mit dem von ihm erhofften Resultat. Ich zwinkerte ihm m�glichst verf�hrerisch zu, hauchte leise "bis gleich, Casanova", und verschwand vergn�gt kichernd auf der Damentoilette. Die nun folgende Szene kann ich mir wirklich nur mit der Wirkung des hohen Alkoholgehalts auf mein �berreiztes Gehirn erkl�ren.

Immer noch kichernd zog ich auf der Toilette meinen Slip aus, kn�llte ihn in der rechten Hand zu einem kleinen Ball zusammen und machte mich auf den R�ckweg zu meinem m�nnlichen Helden. Dort angelangt strich ich ihm von hinten mit der linken Hand sanft �ber sein Gesicht und s�uselte: "Augen zu und den Mund gaaanz weit �ffnen." Ich schnappte mir Buch und Tasche, schob ihm m�glichst unauff�llig (ha!) den textilen Knebel in den Mund und fl�sterte zum Abschied: "Stimmt, manchmal verzichte ich tats�chlich gerne auf meine Unterw�sche."

Ich sagte ja: Hollywood l��t gr��en. Nur leider handelte es sich hier um keinen Film. Und derartige Exaltiertheit im Alltag wird wohl nur echten Filmdiven gern verziehen, das gilt erst recht f�r seri�se hanseatische Wohnviertel. Es sieht also so aus, als m��te ich eine Weile auf Cocktails nebenan verzichten.

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Der Morgen danach ... 2002-09-14 11:53 Ich habe mich ja schon h�ufiger ge�rgert, weil mir die perfekte Erwiderung auf einen dummen Kommentar oder eine besonders plumpe Anmache nat�rlich erst Stunden sp�ter auf dem heimischen Sofa eingefallen ist. Neu war mir das Gef�hl, mit dem ich heute morgen aufwachte. Heute morgen habe ich mir wohl zum ersten Mal wirklich gew�nscht, am Abend zuvor doch nicht ganz so schlagfertig reagiert zu haben. Was ich gestern abend f�r eine vielleicht etwas exzentrische, aber doch enorm gelungene Aktion hielt, schien, bei Licht betrachtet, einem schlechten Hollywood Film entliehen zu sein. Und es sieht so aus, als m��te ich meine Stammadresse f�r Sundowner eine Weile meiden.

Gestern abend bekam ich ganz pl�tzlich Lust auf Cocktails, gepaart mit einem Anfall extremer Arbeitsunwilligkeit. Ich fand, der Tag war lang und anstrengend genug, und ich hatte mir eine Pause mit guter Lekt�re und noch besserem Mojito redlich verdient (au�erdem schl�ft man mit ausreichend Alkohol im Blut trotz nachbarlicher Bel�stigung bekanntlich besser). Zum Gl�ck gibt es ja ein paar Meter die Stra�e hoch wirklich gute Cocktails, und so sa� ich schon kurze Zeit sp�ter mit einem Buch in der Hand und einem Mojito vor mir in besagtem Restaurant.

Der Frieden w�hrte jedoch nicht lange, da der Laden relativ gut besetzt war, und sich ein Neuank�mmling offensichtlich durch den Platzmangel ermutigt f�hlte, an meinem Tisch Platz zu nehmen. Das an sich h�tte mich gar nicht weiter gest�rt, schlie�lich war ich mit Buch und Drink hinreichend besch�ftigt. Nur leider war der Gute anscheinend von seiner Anziehungskraft derma�en unersch�tterlich �berzeugt, da� er mich trotz Buch immer wieder in eine Unterhaltung zu verwickeln versuchte - und das nicht eben auf die geschickteste Art.

Erschwerend kam hinzu, da� auch die Optik des Mannes nicht sonderlich geeignet war, mich milde zu stimmen oder gar ein gesteigertes Interesse zu wecken. Der Typ "aalglatter Werbefuzzi / Neue-Medien-Held" mit sorgsam pomadiertem Schopf, trendigen Turnschuhen, hipper Lederjacke und Ray-Ban-Gl�sern f�llt leider komplett aus meinem Beuteschema heraus. Dies gilt um so mehr, wenn er, bereits leicht alkoholisiert, allgemeine H�flichkeitsregeln und nonverbale Signale komplett mi�achtet.

Aber ach, alle freundliche Nichtachtung meinerseits war offensichtlich noch viel zu subtil, um bis zu ihm durchzudringen. Er monologisierte selbstvergessen weiter und schlug dabei recht z�gig - Zeit ist schlie�lich Geld - eine eindeutige Richtung ein. Die sonst so beliebte Phase mit Berichten eigener beruflicher Heldentaten wurde dabei erstaunlich z�gig abgewickelt. Nat�rlich zugunsten des Lehrbuchabschnitts "Ann�herung an das andere Geschlecht im waghalsigen Tempo f�r Fortgeschrittene".

Bereits nach zwanzig Minuten einseitigen Redeflusses war er fest davon �berzeugt, mein sexuelles Selbst erkannt zu haben und, wie k�nnte es anders sein, der einzig Richtige f�r die Befriedigung meiner intimsten Bed�rfnisse zu sein. (Womit er nat�rlich nicht ganz unrecht hatte. Er h�tte einfach nur die Klappe halten m�ssen, um mich f�r weitere drei�ig Minuten gl�cklich zu machen.)

Aber eigentlich konnte ich mich nicht beschweren. Er gab eine wirklich erheiternde Parodie des Typs "unwiderstehlicher Charmeur", Schmachtblick und tiefergelegte Zigarren-und-Whisky-Stimme im Fl�stermodus inklusive. Leider verbot mir meine gute Kinderstube, allzu offensichtlich �ber seine Darbietung zu lachen (da zeigten sie sich wieder, die von meinem Vater so oft angef�hrten "b�rgerlichen Milieusch�den").

Irgendwann hatte er den Bogen jedoch deutlich �berspannt. Sp�testens als er sich verschw�rerisch zu mir her�berbeugte und mit einem kleinen Zucken im rechten Auge leise murmelte: "Ich hab gleich erkannt, da� in dir eine ganz abenteuerlustige und verruchte Frau schlummert. So was seh ich sofort. Ich wette, du geh�rst zu den Frauen, die gerne mal ohne Unterw�sche aus dem Haus gehen." (Oh nein, nicht schon wieder Unterw�sche ...)

Damit war es ihm aber endlich gelungen, tats�chlich meine abenteuerlustige Seite wachzukitzeln - wenn auch nicht ganz mit dem von ihm erhofften Resultat. Ich zwinkerte ihm m�glichst verf�hrerisch zu, hauchte leise "bis gleich, Casanova", und verschwand vergn�gt kichernd auf der Damentoilette. Die nun folgende Szene kann ich mir wirklich nur mit der Wirkung des hohen Alkoholgehalts auf mein �berreiztes Gehirn erkl�ren.

Immer noch kichernd zog ich auf der Toilette meinen Slip aus, kn�llte ihn in der rechten Hand zu einem kleinen Ball zusammen und machte mich auf den R�ckweg zu meinem m�nnlichen Helden. Dort angelangt strich ich ihm von hinten mit der linken Hand sanft �ber sein Gesicht und s�uselte: "Augen zu und den Mund gaaanz weit �ffnen." Ich schnappte mir Buch und Tasche, schob ihm m�glichst unauff�llig (ha!) den textilen Knebel in den Mund und fl�sterte zum Abschied: "Stimmt, manchmal verzichte ich tats�chlich gerne auf meine Unterw�sche."

Ich sagte ja: Hollywood l��t gr��en. Nur leider handelte es sich hier um keinen Film. Und derartige Exaltiertheit im Alltag wird wohl nur echten Filmdiven gern verziehen, das gilt erst recht f�r seri�se hanseatische Wohnviertel. Es sieht also so aus, als m��te ich eine Weile auf Cocktails nebenan verzichten.