2002-11-09 - 21:59 - Lesbischer Samenraub

Wenngleich ich sonst bekannterma�en treue FAZ-Leserin bin, gibt es doch Tage, an denen ich nicht umhin komme, am Verstand der Blattmacher zu zweifeln. Gestern war ich dann ausnahmsweise sogar so weit, da� ich schlie�lich an meinem Verstand zweifelte ... wie sonst kann man einen solch haneb�chenen Schund lesen, ohne auf der Stelle das Abo zu k�ndigen?

Gestern n�mlich (und nein, ich kann Euch leider nicht damit verschonen, irgendwo mu� man sich ja Luft machen) brachte die FAZ einen Artikel von Prof. Gerhard Amendt, seines Zeichens Direktor des Instituts f�r Geschlechter- und Generationenforschung an der Uni Bremen.

Unter dem Titel "Aggressive Persiflage - Kultur, Kindeswohl und homosexuelle Fortpflanzung" kommt der Autor nach einem ganzseitigen, schwer verdaulichen Ergu� zu dem Ergebnis, da� der Kinderwunsch homosexueller Paare (egal ob durch Adoption, Leihmutterschaft oder k�nstliche Befruchtung) unbedingt abzulehnen ist und zwar aus "Interesse am Wohl der Kinder und der Kultur". Und da� dieser Wunsch nat�rlich "als aggressive Parodie kritisiert und diskursiv geb�ndigt" geh�rt (ok, immerhin pl�diert er nicht f�r Einsperren ...).

Nat�rlich kann man bei diesem Thema sehr geteilter Meinung sein, selbst in meinem schwulen Umfeld l��t sich kein Konsens finden. Schlie�lich prallen hier sehr unterschiedliche Eltern- und Familienbilder, wenn nicht gar v�llig unterschiedliche Weltbilder ungebremst aufeinander. Und ich bin die letzte, die einer intensiven Diskussion, bei der viel Herzblut flie�t, ausweichen w�rde.

Aber die Argumente, die Prof. Amendt anf�hrt, kann man nicht einfach so stehen lassen. Und meiner Meinung nach sollte eine seri�se Zeitung sie auch nicht einfach so unkommentiert ver�ffentlichen - was nichts mit Meinungsfreiheit, aber daf�r viel mit meinen eigenen Vorstellungen von gutem Journalismus und auch von Wissenschaftlichkeit zu tun hat (schlie�lich gibt sich der Autor ausdr�cklich als forschender Wissenschaftler aus). Ok, Ihr merkt schon, das Herzblut flie�t ...

Aber ich will nat�rlich nicht nur Behauptungen aufstellen, sondern sie durch einige besonders schmackhafte Zitate untermauern (und ja, ich gebe mir gr��te M�he, nicht einfach sinnentstellend zu zitieren).

Solange er nur Prof. Amendt nur "Vermutungen" von sich gibt, kann man sich zwar an die Stirn tippen, aber dagegen ist noch nicht allzuviel zu sagen. Selbst wenn er vermutet, "da� homosexuelles Fortpflanzungsbegehren Ausdruck von Verwundungen und Verwirrungen in der eigenen Kindheit ist." Das ist eben auch eine Meinung.

Aber wenn er schwule Elternschaft mit einem Handstreich zu p�dophilem Begehren in Beziehung setzt, indem er beides unter dem Begriff "aus sexueller Neigung abgeleitete Elternschaftsphantasie" subsumiert, dann halte ich das f�r absolut unseri�s und das dahinter stehende Weltbild f�r mehr als nur bedenklich.

Ich darf noch mal zitieren: "Dem Hinweis auf das Kindeswohl l��t sich auch nicht mit dem naiven Bekenntnis begegnen, Homosexuelle h�tten so viel Liebe zu verschenken. Ginge es nach solchen Zuordnungen, dann m��te man auch P�dophilen den Wunsch nach sexuellen Handlungen mit Kindern erf�llen. ... Doch der wissenschaftliche und therapeutische Diskurs �ber das Kindeswohl hat gezeigt, da� viele Formen erwachsener Liebe f�r Kinder sch�dlich sind." Und ich verkneife mir mit viel M�he und Not eine sehr polemische Antwort, auch wenn ich mir daf�r auf die Zunge bei�en mu�. Argh.

Vers�hnt hat mich der Autor allerdings mit einer ganz anderen Absurdit�t solchen Ausma�es, da� ich auch heute noch beim Gedanken daran in Lachkr�mpfe ausbrechen mu� und den guten Mann seither leider nicht mehr ganz ernst nehmen kann (was zu sofortiger Gelassenheit bei der Restlekt�re f�hrte). Ich bin ihm sogar geradezu dankbar f�r diesen wertvollen Ausspruch, der binnen der letzten 24 Stunden sofort zu einer Art running gag in meinem Umfeld geworden ist.

Der kluge Professor zieht n�mlich einen wirklich erheiternden Vergleich heran, um endg�ltig zu begr�nden, warum auch lesbische Frauen nicht einfach durch einen Besuch in der n�chstgelegenen Samenbank schwanger werden d�rfen. Kurz gesagt: Sie empfinden eben nicht so wie heterosexuelle Frauen (ui, wer h�tte das gedacht?), und daher ist ihre k�nstliche Befruchtung eben nicht eine solche, sondern schlicht und einfach: Samenraub.

Aber lest doch selbst: "Der folgenreichste Unterschied besteht darin, da� die heterosexuelle Frau schwanger wird, weil sie mit einem Mann Geschlechtsverkehr hatte. Sie ist f�hig, M�nner zu begehren ... Die homosexuelle Frau hingegen wurde schwanger, weil sie besamt wurde. Dem ging voraus, da� sie einem zumeist anonymen Mann das Sperma weggenommen hat, weil sie es sich nicht schenken lassen konnte."

Ja, tats�chlich, er schreibt allen Ernstes "weggenommen". Unfa�bar. Ich verzichte jetzt mal gro�z�gig darauf, mich erneut dar�ber aufzuregen, da� er Lesben hier quasi zu Menschen zweiter Klasse herabstuft, weil sie eben anders empfinden (als ob sie das boshafterweise gew�hlt h�tten, blo� um ihn und seine Mitstreiter zu �rgern, die doch so viel Sperma zu verschenken h�tten) und daher besser nicht schwanger werden sollten. Sie k�nnen, so f�hrt er weiter aus, n�mlich keine Kinder erziehen, weil sie alle von einer "Angst vor dem M�nnlichen" beherrscht werden und so keine tauglichen Vorbilder abgeben.

Nein, ich lehne mich statt dessen halbwegs entspannt zur�ck und stelle mir vor, welche tiefsitzenden �ngste diesen Mann wohl umtreiben m�ssen, wenn er in diesem Kontext von "Sperma wegnehmen" spricht. Einfach zu sch�n! Vermutlich wird er von eben jenen "Verwundungen und Verwirrungen in der eigenen Kindheit" geplagt, die er kollektiven allen homosexuellen Eltern unterstellt.

Danke, besten Dank Prof. Amendt. Sie haben meinen ohnehin viel zu niedrigen Blutdruck ganz ohne Sport erheblich in die H�he getrieben und mir dazu noch einige Stunden unverge�licher Heiterkeit beschert, an die ich sicherlich noch oft zur�ckdenken werde. Honey, you made my day.

Ok, noch jemand da? Dann werde ich jetzt mal wieder von meiner kleinen soap box herabklettern und verspreche Euch, diesen anstrengenden Monolog in den n�chsten Tagen mit einer heiteren Geschichte wieder auszugleichen. Und pa�t gut auf Euer Sperma auf, Jungs, die verwirrten Frauen lauern �berall!

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Lesbischer Samenraub 2002-11-09 21:59 Wenngleich ich sonst bekannterma�en treue FAZ-Leserin bin, gibt es doch Tage, an denen ich nicht umhin komme, am Verstand der Blattmacher zu zweifeln. Gestern war ich dann ausnahmsweise sogar so weit, da� ich schlie�lich an meinem Verstand zweifelte ... wie sonst kann man einen solch haneb�chenen Schund lesen, ohne auf der Stelle das Abo zu k�ndigen?

Gestern n�mlich (und nein, ich kann Euch leider nicht damit verschonen, irgendwo mu� man sich ja Luft machen) brachte die FAZ einen Artikel von Prof. Gerhard Amendt, seines Zeichens Direktor des Instituts f�r Geschlechter- und Generationenforschung an der Uni Bremen.

Unter dem Titel "Aggressive Persiflage - Kultur, Kindeswohl und homosexuelle Fortpflanzung" kommt der Autor nach einem ganzseitigen, schwer verdaulichen Ergu� zu dem Ergebnis, da� der Kinderwunsch homosexueller Paare (egal ob durch Adoption, Leihmutterschaft oder k�nstliche Befruchtung) unbedingt abzulehnen ist und zwar aus "Interesse am Wohl der Kinder und der Kultur". Und da� dieser Wunsch nat�rlich "als aggressive Parodie kritisiert und diskursiv geb�ndigt" geh�rt (ok, immerhin pl�diert er nicht f�r Einsperren ...).

Nat�rlich kann man bei diesem Thema sehr geteilter Meinung sein, selbst in meinem schwulen Umfeld l��t sich kein Konsens finden. Schlie�lich prallen hier sehr unterschiedliche Eltern- und Familienbilder, wenn nicht gar v�llig unterschiedliche Weltbilder ungebremst aufeinander. Und ich bin die letzte, die einer intensiven Diskussion, bei der viel Herzblut flie�t, ausweichen w�rde.

Aber die Argumente, die Prof. Amendt anf�hrt, kann man nicht einfach so stehen lassen. Und meiner Meinung nach sollte eine seri�se Zeitung sie auch nicht einfach so unkommentiert ver�ffentlichen - was nichts mit Meinungsfreiheit, aber daf�r viel mit meinen eigenen Vorstellungen von gutem Journalismus und auch von Wissenschaftlichkeit zu tun hat (schlie�lich gibt sich der Autor ausdr�cklich als forschender Wissenschaftler aus). Ok, Ihr merkt schon, das Herzblut flie�t ...

Aber ich will nat�rlich nicht nur Behauptungen aufstellen, sondern sie durch einige besonders schmackhafte Zitate untermauern (und ja, ich gebe mir gr��te M�he, nicht einfach sinnentstellend zu zitieren).

Solange er nur Prof. Amendt nur "Vermutungen" von sich gibt, kann man sich zwar an die Stirn tippen, aber dagegen ist noch nicht allzuviel zu sagen. Selbst wenn er vermutet, "da� homosexuelles Fortpflanzungsbegehren Ausdruck von Verwundungen und Verwirrungen in der eigenen Kindheit ist." Das ist eben auch eine Meinung.

Aber wenn er schwule Elternschaft mit einem Handstreich zu p�dophilem Begehren in Beziehung setzt, indem er beides unter dem Begriff "aus sexueller Neigung abgeleitete Elternschaftsphantasie" subsumiert, dann halte ich das f�r absolut unseri�s und das dahinter stehende Weltbild f�r mehr als nur bedenklich.

Ich darf noch mal zitieren: "Dem Hinweis auf das Kindeswohl l��t sich auch nicht mit dem naiven Bekenntnis begegnen, Homosexuelle h�tten so viel Liebe zu verschenken. Ginge es nach solchen Zuordnungen, dann m��te man auch P�dophilen den Wunsch nach sexuellen Handlungen mit Kindern erf�llen. ... Doch der wissenschaftliche und therapeutische Diskurs �ber das Kindeswohl hat gezeigt, da� viele Formen erwachsener Liebe f�r Kinder sch�dlich sind." Und ich verkneife mir mit viel M�he und Not eine sehr polemische Antwort, auch wenn ich mir daf�r auf die Zunge bei�en mu�. Argh.

Vers�hnt hat mich der Autor allerdings mit einer ganz anderen Absurdit�t solchen Ausma�es, da� ich auch heute noch beim Gedanken daran in Lachkr�mpfe ausbrechen mu� und den guten Mann seither leider nicht mehr ganz ernst nehmen kann (was zu sofortiger Gelassenheit bei der Restlekt�re f�hrte). Ich bin ihm sogar geradezu dankbar f�r diesen wertvollen Ausspruch, der binnen der letzten 24 Stunden sofort zu einer Art running gag in meinem Umfeld geworden ist.

Der kluge Professor zieht n�mlich einen wirklich erheiternden Vergleich heran, um endg�ltig zu begr�nden, warum auch lesbische Frauen nicht einfach durch einen Besuch in der n�chstgelegenen Samenbank schwanger werden d�rfen. Kurz gesagt: Sie empfinden eben nicht so wie heterosexuelle Frauen (ui, wer h�tte das gedacht?), und daher ist ihre k�nstliche Befruchtung eben nicht eine solche, sondern schlicht und einfach: Samenraub.

Aber lest doch selbst: "Der folgenreichste Unterschied besteht darin, da� die heterosexuelle Frau schwanger wird, weil sie mit einem Mann Geschlechtsverkehr hatte. Sie ist f�hig, M�nner zu begehren ... Die homosexuelle Frau hingegen wurde schwanger, weil sie besamt wurde. Dem ging voraus, da� sie einem zumeist anonymen Mann das Sperma weggenommen hat, weil sie es sich nicht schenken lassen konnte."

Ja, tats�chlich, er schreibt allen Ernstes "weggenommen". Unfa�bar. Ich verzichte jetzt mal gro�z�gig darauf, mich erneut dar�ber aufzuregen, da� er Lesben hier quasi zu Menschen zweiter Klasse herabstuft, weil sie eben anders empfinden (als ob sie das boshafterweise gew�hlt h�tten, blo� um ihn und seine Mitstreiter zu �rgern, die doch so viel Sperma zu verschenken h�tten) und daher besser nicht schwanger werden sollten. Sie k�nnen, so f�hrt er weiter aus, n�mlich keine Kinder erziehen, weil sie alle von einer "Angst vor dem M�nnlichen" beherrscht werden und so keine tauglichen Vorbilder abgeben.

Nein, ich lehne mich statt dessen halbwegs entspannt zur�ck und stelle mir vor, welche tiefsitzenden �ngste diesen Mann wohl umtreiben m�ssen, wenn er in diesem Kontext von "Sperma wegnehmen" spricht. Einfach zu sch�n! Vermutlich wird er von eben jenen "Verwundungen und Verwirrungen in der eigenen Kindheit" geplagt, die er kollektiven allen homosexuellen Eltern unterstellt.

Danke, besten Dank Prof. Amendt. Sie haben meinen ohnehin viel zu niedrigen Blutdruck ganz ohne Sport erheblich in die H�he getrieben und mir dazu noch einige Stunden unverge�licher Heiterkeit beschert, an die ich sicherlich noch oft zur�ckdenken werde. Honey, you made my day.

Ok, noch jemand da? Dann werde ich jetzt mal wieder von meiner kleinen soap box herabklettern und verspreche Euch, diesen anstrengenden Monolog in den n�chsten Tagen mit einer heiteren Geschichte wieder auszugleichen. Und pa�t gut auf Euer Sperma auf, Jungs, die verwirrten Frauen lauern �berall!

Steffi - 2004-01-24 15:35:10
Hallo, hab den Artikel leider nicht gelesen, nur voller entsetzen vorhin festgestellt dass er als literatur an div. katholischen fachhochschulen in der bibliothek angeboten wird. So ein bl�dsinn... danke f�r deinen tollen schreibstil MfG Stephanie
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Hallo, hab den Artikel leider nicht gelesen, nur voller entsetzen vorhin festgestellt dass er als literatur an div. katholischen fachhochschulen in der bibliothek angeboten wird. So ein bl�dsinn... danke f�r deinen tollen schreibstil MfG Stephanie Lyssa - 2004-01-24 16:14:34
Hallo Steffi, da kann man nur hoffen, da� die Menschen an den FHs ihre Kritikf�higkeit nicht bei der Immatrikulation abgegeben haben.
Und danke f�r das Kompliment.
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Hallo Steffi, da kann man nur hoffen, da� die Menschen an den FHs ihre Kritikf�higkeit nicht bei der Immatrikulation abgegeben haben.
Und danke f�r das Kompliment.