2002-11-15 - 23:20 - Klapperndes Leichtmetall

Es ist mal wieder so weit. Meine allj�hrliche November-Depression hat mich fest im Griff. Und das obwohl ich (wie naiv!) glaubte, ihr in diesem Jahr geschickt entgehen zu k�nnen. Durch viel heitere Ablenkung hatte ich es immerhin schon geschafft, den �blichen Zeitpunkt des Beginns von Anfang November nach hinten zu verschieben.

Aber das verha�te Biest hat sich heimlich von hinten angeschlichen und dann in einem sorglosen Moment seine Klauen in mich geschlagen. Ich hasse den November. Ein v�llig nutzloser, tr�bsinniger, krankmachender Monat auf dem Weg vom goldenen Herbst zur kuschligen Adventszeit. Warum kann ich nicht einfach in den Winterschlaf fallen?

Ich hab ohnehin ein gigantisches Schlafbed�rfnis und ansonsten zu nichts mehr Lust. Au�erdem kann ich grad weder mich noch die eingemummelten, gesichtslosen Massen auf der Stra�e ausstehen. Der einzige Mensch, der mich wirklich versteht, ist Gottfried Benn - und der ist nun auch schon geraume Zeit tot.

Leider funktioniert auch keine der ausgekl�gelte Abwehr-Strategien wirklich zuverl�ssig. Mein Arzt hat mir eines dieser Lichttherapie-Ger�te empfohlen, da der November-Blues angeblich nichts mit einer fragilen Psyche, daf�r aber viel mit Lichtmangel und den daraus resultierenden k�rperlichen Mangelerscheinungen zu tun hat.

Also sitze ich jetzt morgens immer brav mit der Zeitung vor dieser omin�sen Leuchte, die meinem K�rper durch die Simulation von Tageslicht zu irgendwelchen biochemischen Vorg�ngen inspirieren soll. Nur leider ist mein K�rper ganz und gar nicht dumm und l��t sich nicht so leicht �berlisten.

Vielleicht liegt es aber auch daran, da� der Erfinder dieses Ger�ts und ich grundlegend andere Vorstellungen von Tageslicht haben. Ich denke dabei an strahlend blauen Himmel, Lichtreflexe auf der Alster oder auch an kleine Sonnenflecken, die Rechtecke auf meinem Holzfu�boden w�rmen.

Er scheint dabei eher an lange, unterirdische Korridore in ost-europ�ischen Schlachth�fen zu denken. Zumindest wirkt das "Tageslicht", das mein tolles Ger�t verbreitet, immer wie etwas, das ansonsten nur H�hner in Legebatterien als Tageslicht bezeichnen w�rden. Kein Wunder also, da� sich mein K�rper da nix vorgaukeln l��t.

Ich wei� zwar, da� mir - wie eigentlich immer - Walking einigerma�en gut helfen w�rde. Aber es ist leider verdammt schwer, sich an tr�ben, regnerischen Tagen ausreichend selbst zu motivieren, um unverdrossen durch die schlammigen Pfade an der Alster zu waten. Au�erdem ist es meist schon wieder dunkel, wenn ich endlich gen�gend Energie angesammelt habe. Und Nachtspazierg�nge standen nicht in den �rztlichen Empfehlungen.

Au�erdem sind Alster-Ausfl�ge im Dunkeln nicht ganz ungef�hrlich. Man wird zwar nicht �berfallen, daf�r l�uft man st�ndig Gefahr, von rasenden Fahrr�dern umgefahren oder von Joggern �ber den Haufen gerannt zu werden (erst recht, wenn die meisten Jogger schneller sind als man selbst).

Na gut, es w�rde vermutlich helfen, wenn ich nicht ausgerechnet ganz in Schwarz gekleidet dort rumh�pfen w�rde. Aber selbst in Phasen tiefer Niedergeschlagenheit funktioniert mein Sinn f�r �sthetik noch so gut, da� ich es einfach nicht �ber mich bringe, diese schicken neonfarbenen 80er-Jahre-Relikte zu tragen, in denen heute gerne noch Rentnerinnen im Ruhrpott rumlaufen (nat�rlich immer mit M�nne im Partnerlook).

Auch diese tollen Reflektor-Streifen an der Kleidung bringen herzlich wenig, da die Alsterwege nicht beleuchtet sind, also auch kein Licht reflektiert werden kann. Au�erdem haben diese Extrastreifen mit Klettverschlu� die unangenehme Angewohnheit, meine langen Haare gefangenzunehmen. Fr�her oder sp�ter haben sich mehrere Str�hnen in dem klettigen Material verknotet und zwingen mich, mit einer gl�ckner-gleichen K�rperhaltung die Wege entlangzuhasten. Das mag zwar alle anderen erheitern, motiviert mich jedoch nicht unbedingt.

Aber genug gejammert. Es reicht, wenn ich knietief in Selbstmitleid wate, ich mu� es nun wirklich nicht noch �ber Euch aussch�tten. Zumal einige von Euch so lieb waren, mir auf den hundertsten Eintrag hin Eure Adressen zu mailen, damit ich meine Schokoladenvorr�te auf Euch verteilen konnte anstatt sie gefrustet selbst zu vertilgen.

Also werde ich jetzt mit Benn und Coldplay ins Bett gehen, von helleren Tagen tr�umen, meine Lichtmaschine an H�hnerz�chter verschenken und mich ab morgen wieder an den skurrilen Seiten des Alltags erfreuen. Herrjeh, die Irren dieser Stadt k�nnen sich doch nicht alle im Winter verstecken. Ich geh ab morgen wieder h�ufiger raus und such Euch einen f�r neue Berichte. Versprochen ;-)

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Klapperndes Leichtmetall 2002-11-15 23:20 Es ist mal wieder so weit. Meine allj�hrliche November-Depression hat mich fest im Griff. Und das obwohl ich (wie naiv!) glaubte, ihr in diesem Jahr geschickt entgehen zu k�nnen. Durch viel heitere Ablenkung hatte ich es immerhin schon geschafft, den �blichen Zeitpunkt des Beginns von Anfang November nach hinten zu verschieben.

Aber das verha�te Biest hat sich heimlich von hinten angeschlichen und dann in einem sorglosen Moment seine Klauen in mich geschlagen. Ich hasse den November. Ein v�llig nutzloser, tr�bsinniger, krankmachender Monat auf dem Weg vom goldenen Herbst zur kuschligen Adventszeit. Warum kann ich nicht einfach in den Winterschlaf fallen?

Ich hab ohnehin ein gigantisches Schlafbed�rfnis und ansonsten zu nichts mehr Lust. Au�erdem kann ich grad weder mich noch die eingemummelten, gesichtslosen Massen auf der Stra�e ausstehen. Der einzige Mensch, der mich wirklich versteht, ist Gottfried Benn - und der ist nun auch schon geraume Zeit tot.

Leider funktioniert auch keine der ausgekl�gelte Abwehr-Strategien wirklich zuverl�ssig. Mein Arzt hat mir eines dieser Lichttherapie-Ger�te empfohlen, da der November-Blues angeblich nichts mit einer fragilen Psyche, daf�r aber viel mit Lichtmangel und den daraus resultierenden k�rperlichen Mangelerscheinungen zu tun hat.

Also sitze ich jetzt morgens immer brav mit der Zeitung vor dieser omin�sen Leuchte, die meinem K�rper durch die Simulation von Tageslicht zu irgendwelchen biochemischen Vorg�ngen inspirieren soll. Nur leider ist mein K�rper ganz und gar nicht dumm und l��t sich nicht so leicht �berlisten.

Vielleicht liegt es aber auch daran, da� der Erfinder dieses Ger�ts und ich grundlegend andere Vorstellungen von Tageslicht haben. Ich denke dabei an strahlend blauen Himmel, Lichtreflexe auf der Alster oder auch an kleine Sonnenflecken, die Rechtecke auf meinem Holzfu�boden w�rmen.

Er scheint dabei eher an lange, unterirdische Korridore in ost-europ�ischen Schlachth�fen zu denken. Zumindest wirkt das "Tageslicht", das mein tolles Ger�t verbreitet, immer wie etwas, das ansonsten nur H�hner in Legebatterien als Tageslicht bezeichnen w�rden. Kein Wunder also, da� sich mein K�rper da nix vorgaukeln l��t.

Ich wei� zwar, da� mir - wie eigentlich immer - Walking einigerma�en gut helfen w�rde. Aber es ist leider verdammt schwer, sich an tr�ben, regnerischen Tagen ausreichend selbst zu motivieren, um unverdrossen durch die schlammigen Pfade an der Alster zu waten. Au�erdem ist es meist schon wieder dunkel, wenn ich endlich gen�gend Energie angesammelt habe. Und Nachtspazierg�nge standen nicht in den �rztlichen Empfehlungen.

Au�erdem sind Alster-Ausfl�ge im Dunkeln nicht ganz ungef�hrlich. Man wird zwar nicht �berfallen, daf�r l�uft man st�ndig Gefahr, von rasenden Fahrr�dern umgefahren oder von Joggern �ber den Haufen gerannt zu werden (erst recht, wenn die meisten Jogger schneller sind als man selbst).

Na gut, es w�rde vermutlich helfen, wenn ich nicht ausgerechnet ganz in Schwarz gekleidet dort rumh�pfen w�rde. Aber selbst in Phasen tiefer Niedergeschlagenheit funktioniert mein Sinn f�r �sthetik noch so gut, da� ich es einfach nicht �ber mich bringe, diese schicken neonfarbenen 80er-Jahre-Relikte zu tragen, in denen heute gerne noch Rentnerinnen im Ruhrpott rumlaufen (nat�rlich immer mit M�nne im Partnerlook).

Auch diese tollen Reflektor-Streifen an der Kleidung bringen herzlich wenig, da die Alsterwege nicht beleuchtet sind, also auch kein Licht reflektiert werden kann. Au�erdem haben diese Extrastreifen mit Klettverschlu� die unangenehme Angewohnheit, meine langen Haare gefangenzunehmen. Fr�her oder sp�ter haben sich mehrere Str�hnen in dem klettigen Material verknotet und zwingen mich, mit einer gl�ckner-gleichen K�rperhaltung die Wege entlangzuhasten. Das mag zwar alle anderen erheitern, motiviert mich jedoch nicht unbedingt.

Aber genug gejammert. Es reicht, wenn ich knietief in Selbstmitleid wate, ich mu� es nun wirklich nicht noch �ber Euch aussch�tten. Zumal einige von Euch so lieb waren, mir auf den hundertsten Eintrag hin Eure Adressen zu mailen, damit ich meine Schokoladenvorr�te auf Euch verteilen konnte anstatt sie gefrustet selbst zu vertilgen.

Also werde ich jetzt mit Benn und Coldplay ins Bett gehen, von helleren Tagen tr�umen, meine Lichtmaschine an H�hnerz�chter verschenken und mich ab morgen wieder an den skurrilen Seiten des Alltags erfreuen. Herrjeh, die Irren dieser Stadt k�nnen sich doch nicht alle im Winter verstecken. Ich geh ab morgen wieder h�ufiger raus und such Euch einen f�r neue Berichte. Versprochen ;-)