2002-11-18 - 19:51 - Swing, baby

Unsere obersten Verwaltungsfachleute vom Bundesverwaltungsgericht haben vor einigen Tagen in ihrer unendlichen Weisheit entschieden, da� einem Swingerclub nicht per se der Makel des Sittenwidrigen anhaftet. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: "Allein der Umstand, da� mit der Erm�glichung geschlechtsbezogener Handlungen finanzielle Vorteile verbunden sind, mu� nicht zwingend zu einem rechtlichen Unwerturteil f�hren."

Da die Damen und Herren in ihren Roben nicht eben daf�r bekannt sind, zur absoluten Speerspitze sexueller Reformer zu geh�ren, kann man wohl getrost davon ausgehen, da� sie diese Entscheidung mit R�cksicht auf einen gr��eren gesellschaftlichen Konsens getroffen haben.

Darum f�hren sie vorsichtig an, da� zumindest "eine eindeutig negative Reaktion der Bev�lkerung nicht festgestellt" werden konnte. Aber eben dieser Punkt f�hrte heute zu meiner gro�en �berraschung in einem uni-nahen Caf� zu heftigen Diskussion unter angehenden und soeben fertiggestellten Juristen.

Ich war zwar noch nie in einem Swingerclub und bezweifle sehr, da� ich in absehbarer Zeit einen besuchen werde, aber ich kann nun wirklich nicht behaupten, da� ihre gerichtlich abgesegnete Existenz mich auch nur im geringsten aufzuregen vermag. Meinetwegen sollen Erwachsene ihre Freizeit so miteinander gestalten, wie es ihnen Spa� macht.

Und wenn ihre Vorstellung von Freizeitvergn�gen regelm��ige Orgien mit diversen unbekannten Teilnehmern in eigens daf�r eingerichteten Etablissements beinhaltet, so what? Warum sollte mich das st�ren? Ich kann mir nicht vorstellen, da� ausgerechnet diese Form des Am�sements unsere Gesellschaft in ein Sodom und Gomorrha biblischen Ausma�es verwandeln wird.

Ganz anders jedoch meine lieben Kollegen in spe. Sie waren relativ �bereinstimmend der Ansicht, da� dieser Sittenverfall unm�glich gesellschaftlich akzeptiert, geschweige denn gerichtlich abgesegnet werden d�rfe. Es klang so, als sei der vielfach prophezeite Untergang des Abendlandes nun endg�ltig eingel�utet worden.

Ein frisch examinierter Jurist auf der Karriere�berholspur verstieg sich gar zu der Aussage, da� man Prostitution seinetwegen ja grad noch tolerieren solle, schlie�lich handele es sich dabei um das �lteste Gewerbe der Welt, und das sei erfahrungsgem�� einfach nicht auszurotten. Aber Partnertausch in munterer Runde? No way! Absolut unvorstellbar! Er erbleichte sogar kurz bei der Vorstellung, bevor er vor rechtschaffener Emp�rung wieder rot anlief.

Das war dann der Punkt, der mich wiederum ziemlich aus der Fassung brachte. Offensichtlich hat die k�nftige juristische Elite unseres Landes v�llig andere Wertma�st�be als meine Wenigkeit (was ihnen ja auch herzlich geg�nnt sei, ich hatte es nur nicht so erwartet).

Ich habe auch gegen Prostitution nichts einzuwenden und finde die scheinheilige Art, wie allgemein auf die Frauen herabgesehen wird, besch�mend. Die soziale Absicherung von Prostituierten kommt viel zu langsam und schleppend voran.

Aber ganz objektiv betrachtet ist es doch so, da� ein liierter Mann (und darum drehte sich die Diskussion) seine Frau mit einer Prostituierten hintergeht, w�hrend er sich im Swingerclub im Zweifel gemeinsam mit ihr oder zumindest mit ihrer ausdr�cklichen Billigung mit anderen vergn�gt. Warum ist dann jedoch ein Besuch im Swingerclub so f�rchterlich verwerflich, der bei einer Prostituierten hingegen irgendwie so als "l�stiges, aber notwendiges �bel" hinzunehmen?

Aber nat�rlich brachte dieser kleine Einwand keinen der Anwesenden vom rechten Pfad ab. Sie warfen gar noch allerhand christliche Grundwerte und das eben darauf aufbauende Fundament unserer abendl�ndischen Kultur in die Waagschale, um die absolute Verwerflichkeit sexueller Ausschweifungen zu belegen - solange daf�r nicht Frauen mit barer M�nze bezahlt werden.

Ergebnis 1: Prostitution mu� als unausl�schliches �bel notgedrungen toleriert werden (aber bitte in speziellen Rotlichtbezirken) - das hat angeblich irgendwas mit der unterschiedlichen Triebst�rke bei M�nnern und Frauen zu tun, also mit der Evolution und so, ganz klar. Swingerclubs hingegen sind so eine Art ICE zur H�lle, untergraben auf perfide Weise die gesellschaftliche Moral, f�hren zu sittlicher Verrohung (hach, ich liebe diesen Ausdruck) und Verwahrlosung und geh�ren dringend verboten.

Ergebnis 2: Lyssa hat (mal wieder) den Glauben an ganz andere Werte wie etwa Toleranz in unserer Generation verloren, sich vor Schreck an hei�em Cappuccino verschluckt und wird wohl fortan in gewissen Kreisen als eine Art moralische Auss�tzige gelten (ob es Hoffnung gibt, da� das ansteckend ist?).

Aber jetzt werde ich erst mal wieder von meiner kleinen soap box steigen und nach diesem Sermon zur Beruhigung mit Marc allen moralischen Anfechtungen zum Trotz die schwulen Bars dieser Stadt unsicher machen.

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Swing, baby 2002-11-18 19:51 Unsere obersten Verwaltungsfachleute vom Bundesverwaltungsgericht haben vor einigen Tagen in ihrer unendlichen Weisheit entschieden, da� einem Swingerclub nicht per se der Makel des Sittenwidrigen anhaftet. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: "Allein der Umstand, da� mit der Erm�glichung geschlechtsbezogener Handlungen finanzielle Vorteile verbunden sind, mu� nicht zwingend zu einem rechtlichen Unwerturteil f�hren."

Da die Damen und Herren in ihren Roben nicht eben daf�r bekannt sind, zur absoluten Speerspitze sexueller Reformer zu geh�ren, kann man wohl getrost davon ausgehen, da� sie diese Entscheidung mit R�cksicht auf einen gr��eren gesellschaftlichen Konsens getroffen haben.

Darum f�hren sie vorsichtig an, da� zumindest "eine eindeutig negative Reaktion der Bev�lkerung nicht festgestellt" werden konnte. Aber eben dieser Punkt f�hrte heute zu meiner gro�en �berraschung in einem uni-nahen Caf� zu heftigen Diskussion unter angehenden und soeben fertiggestellten Juristen.

Ich war zwar noch nie in einem Swingerclub und bezweifle sehr, da� ich in absehbarer Zeit einen besuchen werde, aber ich kann nun wirklich nicht behaupten, da� ihre gerichtlich abgesegnete Existenz mich auch nur im geringsten aufzuregen vermag. Meinetwegen sollen Erwachsene ihre Freizeit so miteinander gestalten, wie es ihnen Spa� macht.

Und wenn ihre Vorstellung von Freizeitvergn�gen regelm��ige Orgien mit diversen unbekannten Teilnehmern in eigens daf�r eingerichteten Etablissements beinhaltet, so what? Warum sollte mich das st�ren? Ich kann mir nicht vorstellen, da� ausgerechnet diese Form des Am�sements unsere Gesellschaft in ein Sodom und Gomorrha biblischen Ausma�es verwandeln wird.

Ganz anders jedoch meine lieben Kollegen in spe. Sie waren relativ �bereinstimmend der Ansicht, da� dieser Sittenverfall unm�glich gesellschaftlich akzeptiert, geschweige denn gerichtlich abgesegnet werden d�rfe. Es klang so, als sei der vielfach prophezeite Untergang des Abendlandes nun endg�ltig eingel�utet worden.

Ein frisch examinierter Jurist auf der Karriere�berholspur verstieg sich gar zu der Aussage, da� man Prostitution seinetwegen ja grad noch tolerieren solle, schlie�lich handele es sich dabei um das �lteste Gewerbe der Welt, und das sei erfahrungsgem�� einfach nicht auszurotten. Aber Partnertausch in munterer Runde? No way! Absolut unvorstellbar! Er erbleichte sogar kurz bei der Vorstellung, bevor er vor rechtschaffener Emp�rung wieder rot anlief.

Das war dann der Punkt, der mich wiederum ziemlich aus der Fassung brachte. Offensichtlich hat die k�nftige juristische Elite unseres Landes v�llig andere Wertma�st�be als meine Wenigkeit (was ihnen ja auch herzlich geg�nnt sei, ich hatte es nur nicht so erwartet).

Ich habe auch gegen Prostitution nichts einzuwenden und finde die scheinheilige Art, wie allgemein auf die Frauen herabgesehen wird, besch�mend. Die soziale Absicherung von Prostituierten kommt viel zu langsam und schleppend voran.

Aber ganz objektiv betrachtet ist es doch so, da� ein liierter Mann (und darum drehte sich die Diskussion) seine Frau mit einer Prostituierten hintergeht, w�hrend er sich im Swingerclub im Zweifel gemeinsam mit ihr oder zumindest mit ihrer ausdr�cklichen Billigung mit anderen vergn�gt. Warum ist dann jedoch ein Besuch im Swingerclub so f�rchterlich verwerflich, der bei einer Prostituierten hingegen irgendwie so als "l�stiges, aber notwendiges �bel" hinzunehmen?

Aber nat�rlich brachte dieser kleine Einwand keinen der Anwesenden vom rechten Pfad ab. Sie warfen gar noch allerhand christliche Grundwerte und das eben darauf aufbauende Fundament unserer abendl�ndischen Kultur in die Waagschale, um die absolute Verwerflichkeit sexueller Ausschweifungen zu belegen - solange daf�r nicht Frauen mit barer M�nze bezahlt werden.

Ergebnis 1: Prostitution mu� als unausl�schliches �bel notgedrungen toleriert werden (aber bitte in speziellen Rotlichtbezirken) - das hat angeblich irgendwas mit der unterschiedlichen Triebst�rke bei M�nnern und Frauen zu tun, also mit der Evolution und so, ganz klar. Swingerclubs hingegen sind so eine Art ICE zur H�lle, untergraben auf perfide Weise die gesellschaftliche Moral, f�hren zu sittlicher Verrohung (hach, ich liebe diesen Ausdruck) und Verwahrlosung und geh�ren dringend verboten.

Ergebnis 2: Lyssa hat (mal wieder) den Glauben an ganz andere Werte wie etwa Toleranz in unserer Generation verloren, sich vor Schreck an hei�em Cappuccino verschluckt und wird wohl fortan in gewissen Kreisen als eine Art moralische Auss�tzige gelten (ob es Hoffnung gibt, da� das ansteckend ist?).

Aber jetzt werde ich erst mal wieder von meiner kleinen soap box steigen und nach diesem Sermon zur Beruhigung mit Marc allen moralischen Anfechtungen zum Trotz die schwulen Bars dieser Stadt unsicher machen.