2002-11-27 - 00:29 - Baby's got a gun ...

Der von mir so hochgelobte Film "Bowling for Columbine" weckte Erinnerungen an mein Austausch-Jahr in den USA ... damals (ja, lang ist's her). Nicht zuletzt, weil ein gro�er Teil des Films von den sonderbaren Bewohnern des mittleren Westens und ihrer unglaublichen Liebe zu Handfeuerwaffen handelt.

Da meine Austausch-Organisation in einem Anfall von Sadismus (vielleicht hab ich aber einfach auch keinen Sinn f�r Humor) beschlossen hatte, mich ins Zentrum des Bible Belts zu verbannen, durfte ich also ein Jahr in Wichita, Kansas verbringen. Und dort gibt es sicherlich sowohl mehr Schu�waffen als auch mehr Bibeln als Einwohner (was nicht weiter verwunderlich ist, da den meisten Raum dort die endlosen Maisfelder einnehmen).

Nun waren Waffen im Haus f�r mich an sich keine neue Erfahrung, schlie�lich komme ich aus einem J�ger-Haushalt (Protestbriefe diesbez�glich bitte mit "Jagd" kennzeichnen, damit ich sie ungelesen an meinen Vater weiterleiten kann). Die Aufbewahrung und der laxe Umgang damit erstaunten mich jedoch schon in der ersten Stunde nach meiner Ankunft.

In meinem Elternhaus wurden Waffen n�mlich immer in einem speziellen Tresor aufbewahrt - selbstverst�ndlich ungeladen. In Kansas habe ich in keinem Haushalt etwas gesehen, das auch nur entfernt einem Waffenschrank �hneln w�rde.

Ich kam irgendwann am sp�ten Abend nach einem langen Flug bei meiner ersten Gastfamilie an und wollte eigentlich nur noch schnell meine Sachen verstauen. Aber im ansonsten leeren Kleiderschrank in dem mir zugedachten Zimmer stand ein Gewehr, ein geladenes Gewehr. Meine Gasteltern waren allerdings grad schon ins Bett gegangen, und so blieb mir nichts anderes �brig, als das Ding vorsichtig herauszunehmen und vorl�ufig in einer anderen Ecke unterzubringen.

Ich h�tte es vielleicht besser gleich unter das Bett legen sollen, denn dort h�tte es sich prima mit dem anderen Gewehr anfreunden k�nnen, das ganz offensichtlich dort beheimatet war und schon ordentlich Staub angesetzt hatte. Gefunden hatte ich das eigentlich nur, weil ich hoffte, meinen Koffer unter dem Bett verstauen zu k�nnen.

Die lapidare Auskunft meiner Gasteltern am n�chsten Morgen lautete, da� ich schlie�lich das Zimmer zur Stra�e h�tte, und man w��te ja nie, wer da so alles vorbeik�me ... Wirklich sehr beruhigend, ich f�hlte mich gleich viel wohler! Au�erdem sollte die gut zweij�hrige Tochter nicht versehentlich an das Gewehr gelangen und sich wom�glich beim Spielen verletzen (offensichtlich bestand f�r Austausch-Sch�ler keine derartige Gefahr).

Auch bei meiner n�chsten Gastfamilie, einer sehr strenggl�ubigen Baptisten-Pfarrer-Familie, nahm man es mit der Sicherheit im Haushalt nicht so genau (daf�r aber mit allem anderen um so genauer - absolutely no sex, no drugs and nonono rock'n'roll). Bevorzugter Parkplatz f�r aktuell unbenutzte Gewehre war irgendwo hinter der Waschmaschine. Eine Flinte mu�te jedoch immer griffbereit neben dem Bett meiner Gasteltern stehen.

Das hatte auch seinen guten Grund, denn wir wohnten ziemlich weit au�erhalb des Ortes auf einem riesigen, teilweise bewaldeten Grundst�ck. Im wirklich eisigen kansanischen Winter schlichen sich dann hungrige Kojoten bis an unser Haus und rissen die fr�stelnden G�nse und Schafe, an denen speziell meine Gastmutter sehr hing.

Also stapfte sie, vom Geheul der Kojoten geweckt, in kalten Wintern�chten die Treppe herunter, stellte sich auf die Veranda und br�llte laut: "You're gonna die, you bloody bastards! Sorry Lord." Dann schwang sie das Gewehr und ballerte in bester Wildwest-Manier in der Gegend rum. Das Zufallsprodukt einer dieser n�chtlichen Wyatt-Earp-Aktionen konnte man wenige Monate sp�ter ausgestopft im Wohnzimmer bewundern (und ja, sie hatte tats�chlich einen Kojoten und nicht etwa ein armes Schaf erwischt).

Das Sch�nste an diesen erstaunlichen Auftritten war allerdings ihre Kost�mierung. Auch wenn sie sonst den harten Kerl mimte, bevorzugte sie doch einen sehr femininen Kleidungsstil, wie er in der Gegend dort �blich ist. Soll hei�en, sie trug ein rosa Nachthemd, dar�ber einen gleichfarbigen Morgenmantel und dazu passend rosa Pl�sch-Pantoffeln mit kleinen Troddeln dran.

Das perfekte Outfit also, um laut fluchend bei minus 20�C von der Veranda aus Kojoten zu schie�en. Wirklich ein Land der unbegrenzten M�glichkeiten ...

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Baby's got a gun ... 2002-11-27 00:29 Der von mir so hochgelobte Film "Bowling for Columbine" weckte Erinnerungen an mein Austausch-Jahr in den USA ... damals (ja, lang ist's her). Nicht zuletzt, weil ein gro�er Teil des Films von den sonderbaren Bewohnern des mittleren Westens und ihrer unglaublichen Liebe zu Handfeuerwaffen handelt.

Da meine Austausch-Organisation in einem Anfall von Sadismus (vielleicht hab ich aber einfach auch keinen Sinn f�r Humor) beschlossen hatte, mich ins Zentrum des Bible Belts zu verbannen, durfte ich also ein Jahr in Wichita, Kansas verbringen. Und dort gibt es sicherlich sowohl mehr Schu�waffen als auch mehr Bibeln als Einwohner (was nicht weiter verwunderlich ist, da den meisten Raum dort die endlosen Maisfelder einnehmen).

Nun waren Waffen im Haus f�r mich an sich keine neue Erfahrung, schlie�lich komme ich aus einem J�ger-Haushalt (Protestbriefe diesbez�glich bitte mit "Jagd" kennzeichnen, damit ich sie ungelesen an meinen Vater weiterleiten kann). Die Aufbewahrung und der laxe Umgang damit erstaunten mich jedoch schon in der ersten Stunde nach meiner Ankunft.

In meinem Elternhaus wurden Waffen n�mlich immer in einem speziellen Tresor aufbewahrt - selbstverst�ndlich ungeladen. In Kansas habe ich in keinem Haushalt etwas gesehen, das auch nur entfernt einem Waffenschrank �hneln w�rde.

Ich kam irgendwann am sp�ten Abend nach einem langen Flug bei meiner ersten Gastfamilie an und wollte eigentlich nur noch schnell meine Sachen verstauen. Aber im ansonsten leeren Kleiderschrank in dem mir zugedachten Zimmer stand ein Gewehr, ein geladenes Gewehr. Meine Gasteltern waren allerdings grad schon ins Bett gegangen, und so blieb mir nichts anderes �brig, als das Ding vorsichtig herauszunehmen und vorl�ufig in einer anderen Ecke unterzubringen.

Ich h�tte es vielleicht besser gleich unter das Bett legen sollen, denn dort h�tte es sich prima mit dem anderen Gewehr anfreunden k�nnen, das ganz offensichtlich dort beheimatet war und schon ordentlich Staub angesetzt hatte. Gefunden hatte ich das eigentlich nur, weil ich hoffte, meinen Koffer unter dem Bett verstauen zu k�nnen.

Die lapidare Auskunft meiner Gasteltern am n�chsten Morgen lautete, da� ich schlie�lich das Zimmer zur Stra�e h�tte, und man w��te ja nie, wer da so alles vorbeik�me ... Wirklich sehr beruhigend, ich f�hlte mich gleich viel wohler! Au�erdem sollte die gut zweij�hrige Tochter nicht versehentlich an das Gewehr gelangen und sich wom�glich beim Spielen verletzen (offensichtlich bestand f�r Austausch-Sch�ler keine derartige Gefahr).

Auch bei meiner n�chsten Gastfamilie, einer sehr strenggl�ubigen Baptisten-Pfarrer-Familie, nahm man es mit der Sicherheit im Haushalt nicht so genau (daf�r aber mit allem anderen um so genauer - absolutely no sex, no drugs and nonono rock'n'roll). Bevorzugter Parkplatz f�r aktuell unbenutzte Gewehre war irgendwo hinter der Waschmaschine. Eine Flinte mu�te jedoch immer griffbereit neben dem Bett meiner Gasteltern stehen.

Das hatte auch seinen guten Grund, denn wir wohnten ziemlich weit au�erhalb des Ortes auf einem riesigen, teilweise bewaldeten Grundst�ck. Im wirklich eisigen kansanischen Winter schlichen sich dann hungrige Kojoten bis an unser Haus und rissen die fr�stelnden G�nse und Schafe, an denen speziell meine Gastmutter sehr hing.

Also stapfte sie, vom Geheul der Kojoten geweckt, in kalten Wintern�chten die Treppe herunter, stellte sich auf die Veranda und br�llte laut: "You're gonna die, you bloody bastards! Sorry Lord." Dann schwang sie das Gewehr und ballerte in bester Wildwest-Manier in der Gegend rum. Das Zufallsprodukt einer dieser n�chtlichen Wyatt-Earp-Aktionen konnte man wenige Monate sp�ter ausgestopft im Wohnzimmer bewundern (und ja, sie hatte tats�chlich einen Kojoten und nicht etwa ein armes Schaf erwischt).

Das Sch�nste an diesen erstaunlichen Auftritten war allerdings ihre Kost�mierung. Auch wenn sie sonst den harten Kerl mimte, bevorzugte sie doch einen sehr femininen Kleidungsstil, wie er in der Gegend dort �blich ist. Soll hei�en, sie trug ein rosa Nachthemd, dar�ber einen gleichfarbigen Morgenmantel und dazu passend rosa Pl�sch-Pantoffeln mit kleinen Troddeln dran.

Das perfekte Outfit also, um laut fluchend bei minus 20�C von der Veranda aus Kojoten zu schie�en. Wirklich ein Land der unbegrenzten M�glichkeiten ...