2002-11-28 - 11:52 - ... and Dad knows how to shoot it

Die gestrige Geschichte mit den waffengl�ubigen, gottesf�rchtigen Menschen aus Kansas endete aber keineswegs mit dem Tod eines hungrigen Kojoten, sondern kulminierte in einem Loch in der Wand und einer Bibel, die vor weiterem Schaden bewahrte.

Meine Gastmutter Sharon, besagte Frau mit einem Faible f�r rosafarbene Nachtw�sche, bekam n�mlich im Laufe des Winters erhebliche R�ckenprobleme, mu�te fast st�ndig das Bett h�ten und durfte sich ansonsten nur in einem St�tzkorsett fortbewegen.

Um aber das Tagesgeschehen dennoch weiterhin kontrollieren zu k�nnen, verlegte sie ihre Krankenst�tte kurzerhand in das G�stezimmer im Erdgescho�. Und nat�rlich zog das Gewehr mit ihr um, schlie�lich nehmen frierende Kojoten keine R�cksicht auf menschliche Zipperlein.

Wenn nun die heulende Meute nachts das Haus umkreiste, griff sie einfach nach der Waffe, zog sich am Bettrahmen ein St�ck hoch, �ffnete das Fenster �ber ihrem Kopf und scho� daraus wild in die dunkle Nacht. Im Fr�hjahr zog sie, nunmehr genesen, wieder ins Schlafzimmer im ersten Stock, aber das Gewehr geriet irgendwie unter das Bett und dort auch sofort in Vergessenheit.

Auftauchen sollte es erst wieder, um meinem Vater eine Schrecksekunde zur Begr��ung zu verschaffen. Mein Vater kam mich im April besuchen und wurde nat�rlich in das G�stezimmer einquartiert. Leider hatte sein Flug Versp�tung, so da� er erst bei uns eintraf, als meine Gasteltern schon l�ngst im Bett waren.

Wir zogen uns dann zum ausf�hrlichen Nachtgespr�ch ins G�stezimmer zur�ck, wo ich mich auf dem Bett niederlie�, w�hrend mein Vater seinen Koffer auspackte. Pl�tzlich b�ckte er sich und hob erstaunt eine Patrone hoch, die auf dem Fu�boden gelegen haben mu�. Ich, mittlerweile einigerma�en assimiliert, erwiderte nur lapidar: "Ach ja, das passende Gewehr dazu liegt vermutlich noch irgendwo unter dem Bett."

Das wiederum konnte mein sicherheitsfanatischer, waffenschrankgew�hnter Vater nun gar nicht fassen. Kopfsch�ttelnd krabbelte er halb unter das Bett und tauchte mit einem uralten Schie�eisen wieder auf, das sich sicherlich schon seit drei Generationen in der Gastfamilie befand.

Er begutachtete es fachm�nnisch und kommentierte grad das Alter des Gewehrs, als es pl�tzlich furchtbar laut "Peng" machte und Staub uns einh�llte. Das Ding lag tats�chlich geladen und entsichert unter dem Bett und war nun von ganz allein losgegangen! Die Finger meines Vaters zumindest waren nicht mal in die N�he des Abzugs gekommen.

Es erwies sich als gro�es Gl�ck, da� mein Vater seit Jugendjahren jagt, denn so hatte er die Waffe automatisch weg von mir in Richtung Wand gehalten. Andernfalls k�mt Ihr heute wohl kaum in den zweifelhaften Genu� meines Geschreibsels hier.

Statt also seine Tochter zu erschie�en, hatte er ein riesiges Loch in die Wand gejagt (das Haus hatte, wie alle dort, nur d�nne Holzw�nde mit Hohlr�umen dazwischen). Und zwar direkt unter das geheiligte "Graduation-Picture" meiner �lteren Gastschwester. Zus�tzlich hatten die vielen kleinen Schrotk�rner ein h�bsches Muster rund um das Loch in die nagelneue Tapete gesprengt.

Meinem Vater war die Sache nat�rlich entsetzlich peinlich, er w�re am liebsten gleich wieder abgereist. Da meine Gasteltern aber offensichtlich auch durch eine Schie�erei in ihrem Haus nicht wachzukriegen waren, vertagten wir das Eingest�ndnis unseres Mi�geschicks auf den n�chsten Morgen.

Leider erwischten wir niemanden mehr, bevor ich zur Schule mu�te, so da� wir die Unterredung erneut bis auf den Mittag verschoben. Ungl�cklicherweise beschlo� meine Gastmutter aber im Laufe des Vormittags, ihre B�gelarbeit fortzusetzen. Das B�geleisen war kurz zuvor vom G�stezimmer in das danebenliegende B�ro meines Gastvaters gewandert.

Als Sharon nun aber ins B�ro kam, lagen mehrere Bibeln auf dem Fu�boden verstreut herum, und das B�gelbrett war von Staub und Teilen der Wand bedeckt. Daf�r konnte sie nun vom B�ro direkt ins G�stezimmer gucken. Die Bibeln hatten �brigens die Schrotk�rner geschickt abgefangen, so da� wenigstens das gegen�berliegende Fenster nicht noch Opfer der Attacke wurde. Saved by the Bible ...

Da es nun zwei S�hne im Teenager-Alter gab, fiel der Verdacht naturgem�� zun�chst auf sie und nicht auf meinen verzweifelten Vater. Also lie� Sharon ihre S�hne wutschnaubend aus dem Unterricht holen (die Schule lag direkt nebenan) und zerrte sie schimpfend zu dem Loch in der Wand. Beide beharrten jedoch trotz Androhung �belster Strafen (was dort soviel wie zus�tzliche Dienste in der Kirche und Hausarrest bedeutete) tapfer auf ihrer Unschuld.

Beim Mittagessen inklusive Gest�ndnis der strange Germans brach die Familie dann in schallendes Gel�chter aus, rannte zur Begutachtung des Lochs und best�tigte die Unzuverl�ssigkeit der Waffe. Sie m�sse wohl versehentlich beim Saugen irgendwie entsichert worden sein und ginge h�ufiger mal einfach so los. F�r meinen Vater der ultimative Kulturschock, nachdem er den ersten am fr�hen Morgen beim Probieren des Gebr�us erlitten hatte, das man dort f�r Kaffee hielt (Starbucks harrte damals noch seiner Erfindung).

In den n�chsten Tagen wurde allen G�sten des Hauses stolz die Geschichte erz�hlt und anschlie�end das Loch vorgef�hrt. Wahre Pilgerscharen zogen durch unser G�stezimmer und bestaunten abwechselnd meinen immer noch sichtlich unangenehm ber�hrten Vater und das frische Loch. Ich f�rchte nur, wir haben so dazu beigetragen, alte Vorurteile �ber gef�hrliche Deutsche zu manifestieren, die nachts in fremde L�nder eindringen und wild um sich schie�en ;-)

Die anderen G�ste zeigten sich schlie�lich so begeistert von dem Loch, da� meine Gastfamilie beschlo�, die Wand nicht zu reparieren. Statt dessen wurde ein Bilderrahmen mit Namen meines Vaters und Datum seines Besuchs versehen und um das Loch geh�ngt. Irgendwie doch origineller als eine Fettecke ...

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... and Dad knows how to shoot it 2002-11-28 11:52 Die gestrige Geschichte mit den waffengl�ubigen, gottesf�rchtigen Menschen aus Kansas endete aber keineswegs mit dem Tod eines hungrigen Kojoten, sondern kulminierte in einem Loch in der Wand und einer Bibel, die vor weiterem Schaden bewahrte.

Meine Gastmutter Sharon, besagte Frau mit einem Faible f�r rosafarbene Nachtw�sche, bekam n�mlich im Laufe des Winters erhebliche R�ckenprobleme, mu�te fast st�ndig das Bett h�ten und durfte sich ansonsten nur in einem St�tzkorsett fortbewegen.

Um aber das Tagesgeschehen dennoch weiterhin kontrollieren zu k�nnen, verlegte sie ihre Krankenst�tte kurzerhand in das G�stezimmer im Erdgescho�. Und nat�rlich zog das Gewehr mit ihr um, schlie�lich nehmen frierende Kojoten keine R�cksicht auf menschliche Zipperlein.

Wenn nun die heulende Meute nachts das Haus umkreiste, griff sie einfach nach der Waffe, zog sich am Bettrahmen ein St�ck hoch, �ffnete das Fenster �ber ihrem Kopf und scho� daraus wild in die dunkle Nacht. Im Fr�hjahr zog sie, nunmehr genesen, wieder ins Schlafzimmer im ersten Stock, aber das Gewehr geriet irgendwie unter das Bett und dort auch sofort in Vergessenheit.

Auftauchen sollte es erst wieder, um meinem Vater eine Schrecksekunde zur Begr��ung zu verschaffen. Mein Vater kam mich im April besuchen und wurde nat�rlich in das G�stezimmer einquartiert. Leider hatte sein Flug Versp�tung, so da� er erst bei uns eintraf, als meine Gasteltern schon l�ngst im Bett waren.

Wir zogen uns dann zum ausf�hrlichen Nachtgespr�ch ins G�stezimmer zur�ck, wo ich mich auf dem Bett niederlie�, w�hrend mein Vater seinen Koffer auspackte. Pl�tzlich b�ckte er sich und hob erstaunt eine Patrone hoch, die auf dem Fu�boden gelegen haben mu�. Ich, mittlerweile einigerma�en assimiliert, erwiderte nur lapidar: "Ach ja, das passende Gewehr dazu liegt vermutlich noch irgendwo unter dem Bett."

Das wiederum konnte mein sicherheitsfanatischer, waffenschrankgew�hnter Vater nun gar nicht fassen. Kopfsch�ttelnd krabbelte er halb unter das Bett und tauchte mit einem uralten Schie�eisen wieder auf, das sich sicherlich schon seit drei Generationen in der Gastfamilie befand.

Er begutachtete es fachm�nnisch und kommentierte grad das Alter des Gewehrs, als es pl�tzlich furchtbar laut "Peng" machte und Staub uns einh�llte. Das Ding lag tats�chlich geladen und entsichert unter dem Bett und war nun von ganz allein losgegangen! Die Finger meines Vaters zumindest waren nicht mal in die N�he des Abzugs gekommen.

Es erwies sich als gro�es Gl�ck, da� mein Vater seit Jugendjahren jagt, denn so hatte er die Waffe automatisch weg von mir in Richtung Wand gehalten. Andernfalls k�mt Ihr heute wohl kaum in den zweifelhaften Genu� meines Geschreibsels hier.

Statt also seine Tochter zu erschie�en, hatte er ein riesiges Loch in die Wand gejagt (das Haus hatte, wie alle dort, nur d�nne Holzw�nde mit Hohlr�umen dazwischen). Und zwar direkt unter das geheiligte "Graduation-Picture" meiner �lteren Gastschwester. Zus�tzlich hatten die vielen kleinen Schrotk�rner ein h�bsches Muster rund um das Loch in die nagelneue Tapete gesprengt.

Meinem Vater war die Sache nat�rlich entsetzlich peinlich, er w�re am liebsten gleich wieder abgereist. Da meine Gasteltern aber offensichtlich auch durch eine Schie�erei in ihrem Haus nicht wachzukriegen waren, vertagten wir das Eingest�ndnis unseres Mi�geschicks auf den n�chsten Morgen.

Leider erwischten wir niemanden mehr, bevor ich zur Schule mu�te, so da� wir die Unterredung erneut bis auf den Mittag verschoben. Ungl�cklicherweise beschlo� meine Gastmutter aber im Laufe des Vormittags, ihre B�gelarbeit fortzusetzen. Das B�geleisen war kurz zuvor vom G�stezimmer in das danebenliegende B�ro meines Gastvaters gewandert.

Als Sharon nun aber ins B�ro kam, lagen mehrere Bibeln auf dem Fu�boden verstreut herum, und das B�gelbrett war von Staub und Teilen der Wand bedeckt. Daf�r konnte sie nun vom B�ro direkt ins G�stezimmer gucken. Die Bibeln hatten �brigens die Schrotk�rner geschickt abgefangen, so da� wenigstens das gegen�berliegende Fenster nicht noch Opfer der Attacke wurde. Saved by the Bible ...

Da es nun zwei S�hne im Teenager-Alter gab, fiel der Verdacht naturgem�� zun�chst auf sie und nicht auf meinen verzweifelten Vater. Also lie� Sharon ihre S�hne wutschnaubend aus dem Unterricht holen (die Schule lag direkt nebenan) und zerrte sie schimpfend zu dem Loch in der Wand. Beide beharrten jedoch trotz Androhung �belster Strafen (was dort soviel wie zus�tzliche Dienste in der Kirche und Hausarrest bedeutete) tapfer auf ihrer Unschuld.

Beim Mittagessen inklusive Gest�ndnis der strange Germans brach die Familie dann in schallendes Gel�chter aus, rannte zur Begutachtung des Lochs und best�tigte die Unzuverl�ssigkeit der Waffe. Sie m�sse wohl versehentlich beim Saugen irgendwie entsichert worden sein und ginge h�ufiger mal einfach so los. F�r meinen Vater der ultimative Kulturschock, nachdem er den ersten am fr�hen Morgen beim Probieren des Gebr�us erlitten hatte, das man dort f�r Kaffee hielt (Starbucks harrte damals noch seiner Erfindung).

In den n�chsten Tagen wurde allen G�sten des Hauses stolz die Geschichte erz�hlt und anschlie�end das Loch vorgef�hrt. Wahre Pilgerscharen zogen durch unser G�stezimmer und bestaunten abwechselnd meinen immer noch sichtlich unangenehm ber�hrten Vater und das frische Loch. Ich f�rchte nur, wir haben so dazu beigetragen, alte Vorurteile �ber gef�hrliche Deutsche zu manifestieren, die nachts in fremde L�nder eindringen und wild um sich schie�en ;-)

Die anderen G�ste zeigten sich schlie�lich so begeistert von dem Loch, da� meine Gastfamilie beschlo�, die Wand nicht zu reparieren. Statt dessen wurde ein Bilderrahmen mit Namen meines Vaters und Datum seines Besuchs versehen und um das Loch geh�ngt. Irgendwie doch origineller als eine Fettecke ...