2002-12-31 - 18:08 - Happy New Year!

Silvester ist ein sonderbarer Tag, den ich noch nicht mal als Kind besonders gut ausstehen konnte - trotz all seiner Verhei�ungen: nahezu unbegrenztes Aufbleiben, Matjessalat und Berliner, Bleigie�en mit dem Risiko lebensgef�hrlicher Verbrennungen und nat�rlich einem ordentlichen Feuerwerk.

Dazu kam damals, da� sich die Leute, die bei uns auf dem Hof arbeiteten, zu einem letzten Umtrunk im alten Jahr trafen. An diesem Tag wurden mehrere der �lteren Frauen von hellsichtigen Anwandlungen gebeutelt, und sie verstiegen sich nicht selten zu gewagten Prognosen �ber das kommende Jahr.

Je �lter die Orakelnde, desto d�sterer die Zukunftsaussichten. Und so lauschte ich, sicher und beh�tet in meinen Lieblingssessel gekuschelt, mit einem leichten Schauer wohligen Entsetzens ihren Vorhersagen.

F�r 1982 etwa sahen sie eine schreckliche Pest-Epidemie voraus (was r�ckblickend angesichts der gerade aufkommenden Aids-Problematik gar nicht mal so fernliegend erscheint), und 1983 drohte ein neuerlicher Weltkrieg unser aller Leben grundlegend zu �ndern. Letzteres wollten meine Eltern damals leider nicht als guten Grund f�r eine vorzeitige Beendigung meiner schulischen Karriere anerkennen.

Feuerwerk liebe ich noch heute, aber die Aufregung um den vermeintlich letzten Tag des Jahres bleibt mir weiterhin �u�erst suspekt. Blo� weil ein nicht gerader geringer Teil der Menschheit beschlossen hat, heute ihren kalendarischen Zyklus zu beenden, mu� man doch nicht so tun, als w�re das Leben morgen nicht wieder genau dieselbe alte Routine.

Und doch neigen die Menschen zu Hamsterk�ufen und verfallen in eine geradezu zwanghafte Weltuntergangs-Partystimmung. Gleichzeitig aber versuchen sie, einen kleinen Moment innezuhalten und gedenken all der verpa�ten Chancen des letzten Jahres.

Das f�hrt nicht selten zu neuen "guten" Vors�tzen, die meist zugleich mit den aufgeweichten Resten von China-B�llern und Konfetti aus dem Ged�chtnis gewischt werden. Und Ende n�chsten Jahres, wenn der Mensch immer noch raucht, trinkt, seine Frau betr�gt, keinen Sport treibt, 10 kg zuviel wiegt und dem Staat irgendwo 100 Euro vorenth�lt, werden in einem obligatorischen Anfall f�nfmin�tiger Instant-Reue genau die gleichen Vors�tze wieder gefa�t, gepriesen und vergessen.

Trotz allem w�nsche ich Euch nat�rlich einen sch�nen Abend und einen guten Rutsch ins Jahr 2003, in dem nat�rlich vieles anders und das meiste besser werden wird.

Ich werde jetzt mein melancholisches und zugleich schreckliches inkonsequentes Selbst auf die n�chste Party schleifen, anstatt einfach mit einem guten Buch ins Bett zu gehen und hoffe, da� Ihr mir auch im n�chsten Jahr gewogen bleibt. Spart Euch also die Liste mit den ewiggleichen Vors�tzen, behaltet Eure �berfl�ssigen Pfunde, aber bleibt mir treu ;-)

0 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Happy New Year! 2002-12-31 18:08 Silvester ist ein sonderbarer Tag, den ich noch nicht mal als Kind besonders gut ausstehen konnte - trotz all seiner Verhei�ungen: nahezu unbegrenztes Aufbleiben, Matjessalat und Berliner, Bleigie�en mit dem Risiko lebensgef�hrlicher Verbrennungen und nat�rlich einem ordentlichen Feuerwerk.

Dazu kam damals, da� sich die Leute, die bei uns auf dem Hof arbeiteten, zu einem letzten Umtrunk im alten Jahr trafen. An diesem Tag wurden mehrere der �lteren Frauen von hellsichtigen Anwandlungen gebeutelt, und sie verstiegen sich nicht selten zu gewagten Prognosen �ber das kommende Jahr.

Je �lter die Orakelnde, desto d�sterer die Zukunftsaussichten. Und so lauschte ich, sicher und beh�tet in meinen Lieblingssessel gekuschelt, mit einem leichten Schauer wohligen Entsetzens ihren Vorhersagen.

F�r 1982 etwa sahen sie eine schreckliche Pest-Epidemie voraus (was r�ckblickend angesichts der gerade aufkommenden Aids-Problematik gar nicht mal so fernliegend erscheint), und 1983 drohte ein neuerlicher Weltkrieg unser aller Leben grundlegend zu �ndern. Letzteres wollten meine Eltern damals leider nicht als guten Grund f�r eine vorzeitige Beendigung meiner schulischen Karriere anerkennen.

Feuerwerk liebe ich noch heute, aber die Aufregung um den vermeintlich letzten Tag des Jahres bleibt mir weiterhin �u�erst suspekt. Blo� weil ein nicht gerader geringer Teil der Menschheit beschlossen hat, heute ihren kalendarischen Zyklus zu beenden, mu� man doch nicht so tun, als w�re das Leben morgen nicht wieder genau dieselbe alte Routine.

Und doch neigen die Menschen zu Hamsterk�ufen und verfallen in eine geradezu zwanghafte Weltuntergangs-Partystimmung. Gleichzeitig aber versuchen sie, einen kleinen Moment innezuhalten und gedenken all der verpa�ten Chancen des letzten Jahres.

Das f�hrt nicht selten zu neuen "guten" Vors�tzen, die meist zugleich mit den aufgeweichten Resten von China-B�llern und Konfetti aus dem Ged�chtnis gewischt werden. Und Ende n�chsten Jahres, wenn der Mensch immer noch raucht, trinkt, seine Frau betr�gt, keinen Sport treibt, 10 kg zuviel wiegt und dem Staat irgendwo 100 Euro vorenth�lt, werden in einem obligatorischen Anfall f�nfmin�tiger Instant-Reue genau die gleichen Vors�tze wieder gefa�t, gepriesen und vergessen.

Trotz allem w�nsche ich Euch nat�rlich einen sch�nen Abend und einen guten Rutsch ins Jahr 2003, in dem nat�rlich vieles anders und das meiste besser werden wird.

Ich werde jetzt mein melancholisches und zugleich schreckliches inkonsequentes Selbst auf die n�chste Party schleifen, anstatt einfach mit einem guten Buch ins Bett zu gehen und hoffe, da� Ihr mir auch im n�chsten Jahr gewogen bleibt. Spart Euch also die Liste mit den ewiggleichen Vors�tzen, behaltet Eure �berfl�ssigen Pfunde, aber bleibt mir treu ;-)