2003-01-08 - 23:57 - Gro�stadt-Survival

Als ich heute nachmittag die Post betrat, empfing mich eine leicht gereizte Warteschlange, die fast bis zum Eingang reichte. Man r�ckte nur alle paar Minuten wieder ein paar Zentimeter voran, und w�hrenddessen machte sich der gewaltige Temperaturunterschied zwischen drinnen und drau�en deutlich bemerkbar.

Die Wollm�tzen der Hinteren begannen nach kurzer Zeit zu dampfen. Schneereste schmolzen langsam von den Schuhen und vergr��erten die Wasserlache, in der wir alle langsam gen Schalter schlurften. Die Vorderen hatten irgendwann in den letzten zwanzig Minuten oder so bereits einen Teil ihrer mehrlagigen wolligen Schutzschicht abgestreift.

Ich vertrieb mir die Zeit mit der Beobachtung Umstehender. Zum Gl�ck stand unmittelbar vor mir ein dankbares Forschungsobjekt. Die Frau mittleren Alters reichte mir knapp bis zu den Achseln und hatte frisch get�nte, orange-rote Haare. Eindeutig Heimarbeit.

Ihr violetter Kunstfaser-Mantel mit Knittereinsatz hob sich farblich sehr deutlich sowohl von den Haaren als auch von der gr�nen Hose und den braunen Schuhen ab. Am beeindruckendsten aber war der Weidenkorb, den sie anstelle einer Handtasche l�ssig unter dem Arm trug.

Ich konnte mir zun�chst nicht erkl�ren, warum jemand seine Habseligkeiten bei Schnee und K�lte ungesch�tzt durch die Gegend tragen wollte. Noch weniger aber verstand ich, warum sie neben ihrem Handy auch ihr rotes Portemonnaie aus Kroko-Imitat so offen darin mit sich durch die Gro�stadt trug. Ein beherzter Griff und ein schnelles Paar Beine w�rden ausreichen, um ihr den Tag gr�ndlich zu verderben.

Vermutlich befanden sich deshalb au�erdem eine Art metallener Totschl�ger in Form eines Mini-Baseball-Schl�gers sowie eine gro�e Flasche Reizgas in dem Korb. Der Berg an gebrauchten Taschent�chern allein w�rde zumindest niemanden abschrecken k�nnen.

Ich war noch in meine Betrachtungen versunken, als der vordere Teil der Warteschlange pl�tzlich zu rumoren begann. Eine andere Frau in den Vierzigern war des Wartens offensichtlich �berdr�ssig und hatte sich aufs P�beln verlegt. Nachdem sie sich eine Runde warmgekreischt hatte, kam sie richtig in Fahrt:

"Ihr seid doch alles faule Wichser hier. Eine einzige Saubande. Ihr wollt uns doch nur fertigmachen mit dieser Warterei. Kleinkriegen wollt ihr uns. Aber ich hab euch durchschaut. Jahaaa! Aber die Aktion�re werden es den Bonzen von der Telekom schon heimzahlen. Eines Tages werden wir sie alle erschie�en. Und euch gleich mit dazu."

Dann galoppierte sie mit wildem Triumphgeheul durch den Saal. Hey, mir war auch schon den ganzen Tag nach Schreien zumute. Aber so? Und was bitte hatte die Telekom mit unserem aktuellen Ungemach zu tun. Ausnahmsweise konnte nicht mal ich der Telekom etwas anlasten.

Aber bevor ich mich weiter wundern konnte, hatte sich der Farbklecks vor mir umgedreht und mir den Totschl�ger in die Hand gedr�ckt. "Da!" Sie selbst bewaffnete sich mit dem Reizgas, schob das Unterkinn vor und blickte der vermeintlich gef�hrlichen Irren entschlossen entgegen.

Die Bewaffnung wurde auch erst wieder eingesammelt, als sich die Telekom-Hasserin endg�ltig schreiend in die winterliche Dunkelheit verabschiedet hatte. Da wanderten die Ger�tschaften zur�ck in den Weidenkorb, und die Rothaarige nahm seelenruhig wieder ihren Platz in der tropfenden und dampfenden Schlange ein.

Jetzt war mir auch klar, warum sie es sich leisten konnte, ihr gro�es Portemonnaie offen spazieren zu f�hren. Vermutlich hatten schon einige Leichtsinnige den Versuch, sie zu bestehlen, mit etlichen Handknochen oder kr�ftigen Beulen am Kopf bezahlt. Wer wei�, vielleicht verbirgt sich unter den Knitterfalten noch eine Axt f�r den Scharia-Instant-Vollzug vor Ort ...

0 Zwischenrufe

Prev, Next

Schon gelesen?

2004-03-11 - Umzug!

2004-03-09 - Wenn man sie nur lie�e ...

2004-03-08 - C.

2004-03-05 - Brot, so oder so

2004-03-04 - Aus die Maus

hosted by DiaryLand.com

Gro�stadt-Survival 2003-01-08 23:57 Als ich heute nachmittag die Post betrat, empfing mich eine leicht gereizte Warteschlange, die fast bis zum Eingang reichte. Man r�ckte nur alle paar Minuten wieder ein paar Zentimeter voran, und w�hrenddessen machte sich der gewaltige Temperaturunterschied zwischen drinnen und drau�en deutlich bemerkbar.

Die Wollm�tzen der Hinteren begannen nach kurzer Zeit zu dampfen. Schneereste schmolzen langsam von den Schuhen und vergr��erten die Wasserlache, in der wir alle langsam gen Schalter schlurften. Die Vorderen hatten irgendwann in den letzten zwanzig Minuten oder so bereits einen Teil ihrer mehrlagigen wolligen Schutzschicht abgestreift.

Ich vertrieb mir die Zeit mit der Beobachtung Umstehender. Zum Gl�ck stand unmittelbar vor mir ein dankbares Forschungsobjekt. Die Frau mittleren Alters reichte mir knapp bis zu den Achseln und hatte frisch get�nte, orange-rote Haare. Eindeutig Heimarbeit.

Ihr violetter Kunstfaser-Mantel mit Knittereinsatz hob sich farblich sehr deutlich sowohl von den Haaren als auch von der gr�nen Hose und den braunen Schuhen ab. Am beeindruckendsten aber war der Weidenkorb, den sie anstelle einer Handtasche l�ssig unter dem Arm trug.

Ich konnte mir zun�chst nicht erkl�ren, warum jemand seine Habseligkeiten bei Schnee und K�lte ungesch�tzt durch die Gegend tragen wollte. Noch weniger aber verstand ich, warum sie neben ihrem Handy auch ihr rotes Portemonnaie aus Kroko-Imitat so offen darin mit sich durch die Gro�stadt trug. Ein beherzter Griff und ein schnelles Paar Beine w�rden ausreichen, um ihr den Tag gr�ndlich zu verderben.

Vermutlich befanden sich deshalb au�erdem eine Art metallener Totschl�ger in Form eines Mini-Baseball-Schl�gers sowie eine gro�e Flasche Reizgas in dem Korb. Der Berg an gebrauchten Taschent�chern allein w�rde zumindest niemanden abschrecken k�nnen.

Ich war noch in meine Betrachtungen versunken, als der vordere Teil der Warteschlange pl�tzlich zu rumoren begann. Eine andere Frau in den Vierzigern war des Wartens offensichtlich �berdr�ssig und hatte sich aufs P�beln verlegt. Nachdem sie sich eine Runde warmgekreischt hatte, kam sie richtig in Fahrt:

"Ihr seid doch alles faule Wichser hier. Eine einzige Saubande. Ihr wollt uns doch nur fertigmachen mit dieser Warterei. Kleinkriegen wollt ihr uns. Aber ich hab euch durchschaut. Jahaaa! Aber die Aktion�re werden es den Bonzen von der Telekom schon heimzahlen. Eines Tages werden wir sie alle erschie�en. Und euch gleich mit dazu."

Dann galoppierte sie mit wildem Triumphgeheul durch den Saal. Hey, mir war auch schon den ganzen Tag nach Schreien zumute. Aber so? Und was bitte hatte die Telekom mit unserem aktuellen Ungemach zu tun. Ausnahmsweise konnte nicht mal ich der Telekom etwas anlasten.

Aber bevor ich mich weiter wundern konnte, hatte sich der Farbklecks vor mir umgedreht und mir den Totschl�ger in die Hand gedr�ckt. "Da!" Sie selbst bewaffnete sich mit dem Reizgas, schob das Unterkinn vor und blickte der vermeintlich gef�hrlichen Irren entschlossen entgegen.

Die Bewaffnung wurde auch erst wieder eingesammelt, als sich die Telekom-Hasserin endg�ltig schreiend in die winterliche Dunkelheit verabschiedet hatte. Da wanderten die Ger�tschaften zur�ck in den Weidenkorb, und die Rothaarige nahm seelenruhig wieder ihren Platz in der tropfenden und dampfenden Schlange ein.

Jetzt war mir auch klar, warum sie es sich leisten konnte, ihr gro�es Portemonnaie offen spazieren zu f�hren. Vermutlich hatten schon einige Leichtsinnige den Versuch, sie zu bestehlen, mit etlichen Handknochen oder kr�ftigen Beulen am Kopf bezahlt. Wer wei�, vielleicht verbirgt sich unter den Knitterfalten noch eine Axt f�r den Scharia-Instant-Vollzug vor Ort ...