2003-03-21 - 19:07 - Wir unterbrechen das Programm ...

Jetzt ist es also so weit. Der Tag X ist da und die ersten Bomben sind auf Bagdad gefallen. Jetzt schl�gt die Stunde der Fernsehzuschauer, die insgeheim schon sehns�chtig auf Abwechslung warten. Statt sich vom Fr�hst�cksfernsehen �ber Homeshopping bis zu diversen Gerichtsshows durchzuhangeln (ob es wohl demn�chst auch eine tv-taugliche Version des Internationalen Strafgerichtshofes mit einem multikulturellen Alexander-Holt-Klon gibt?), kann man jetzt in zahllosen Sondersendungen Krieg gucken.

Man erschauert ehrf�rchtig, wenn man die ruckelig-gr�nen Nachtsicht-Kamera-Bomben-Bilder sieht, von denen niemand so genau wei�, ob sie noch aus dem ersten Golfkrieg, aus Afghanistan oder vielleicht doch aus den Miramax-Studios stammen. Schnell noch eine Stulle und ein K�ffchen, und dann wieder im Eiltempo quer durch alle Sender gezappt (wobei CNN erfahrungsgem�� mit den sensationellsten Schlagzeilen und den passenden Logos aufwarten kann).

Nein, nat�rlich ist man ganz schrecklich betroffen, f�rchtet sich gar vor Terroranschl�gen in unserer bis dato so friedlichen Heimat. Wenn man Gl�ck hat, wird man sogar von MTV oder einem Regionalsender interviewt und darf dann seine Ansichten zum Krieg selbst der �ffentlichkeit pr�sentieren ("finde ich voll schei�e, da� der Bush da jetzt ..."). Wenn man Pech hat, mu� man statt dessen selbst aktiv werden und bei einem der zahlreichen Radiosender anrufen ("finde ich immer noch voll schei�e, da� ..."), die ihr vorabendliches Gru�programm auf allgemeine Betroffenheitsprosa umgestellt haben.

Derweil wei� niemand so genau, was nun Wahrheit und was gezielt verbreitete Unwahrheit ist. Saddam ist tot, es lebe Saddam. Wer hat in all dem straff durchorganisierten Trubel schlie�lich noch den �berblick? Auch die Agenturen werden gr��tenteils von staatlichen Informations-B�ros mit Nachrichten versorgt oder haben einen eigenen "embedded correspondent", der von irgendeiner Infanterie-Einheit mit durch den hei�en W�stensand geschleift wird.

Aber ob es so viel besser ist, als Journalist direkt vor Ort in Bagdad zu sein, so aufregend (und gef�hrlich) das auch klingen mag? Was sieht man denn, au�er dem Medienzentrum, gro�artig von der Stadt und der Situation ihrer Bev�lkerung, wenn man sich nie ohne einen staatlichen Aufpasser ("minder") bewegen darf. Bezieht man einen Gro�teil seiner Informationen nicht auch nur �ber CNN & Co.? Wirklich aufkl�ren werden uns wohl erst die Historiker in etlichen Jahren - und selbst die neigen bekanntlich dazu, sich �ber Fakten und deren Interpretation heftig zu streiten.

So scheint eigentlich nur eins gewi�, am meisten d�rfte die Bev�lkerung vor Ort und die Angeh�rigen gefallener Soldaten leiden. Aber die Iraker haben schon seit Jahren ein Abo auf Leid (eben nur meist au�erhalb der Welt der Fernsehzuschauer, weswegen ihre Lebensbedingungen in der pro-und-contra-Kriegsrechnung allzu oft herausfielen aus der Gleichung) und niemand wei� so genau, welcher Abschnitt ihrer Staatsbiographie ihnen am meisten Ungl�ck bringen wird.

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Wir unterbrechen das Programm ... 2003-03-21 19:07 Jetzt ist es also so weit. Der Tag X ist da und die ersten Bomben sind auf Bagdad gefallen. Jetzt schl�gt die Stunde der Fernsehzuschauer, die insgeheim schon sehns�chtig auf Abwechslung warten. Statt sich vom Fr�hst�cksfernsehen �ber Homeshopping bis zu diversen Gerichtsshows durchzuhangeln (ob es wohl demn�chst auch eine tv-taugliche Version des Internationalen Strafgerichtshofes mit einem multikulturellen Alexander-Holt-Klon gibt?), kann man jetzt in zahllosen Sondersendungen Krieg gucken.

Man erschauert ehrf�rchtig, wenn man die ruckelig-gr�nen Nachtsicht-Kamera-Bomben-Bilder sieht, von denen niemand so genau wei�, ob sie noch aus dem ersten Golfkrieg, aus Afghanistan oder vielleicht doch aus den Miramax-Studios stammen. Schnell noch eine Stulle und ein K�ffchen, und dann wieder im Eiltempo quer durch alle Sender gezappt (wobei CNN erfahrungsgem�� mit den sensationellsten Schlagzeilen und den passenden Logos aufwarten kann).

Nein, nat�rlich ist man ganz schrecklich betroffen, f�rchtet sich gar vor Terroranschl�gen in unserer bis dato so friedlichen Heimat. Wenn man Gl�ck hat, wird man sogar von MTV oder einem Regionalsender interviewt und darf dann seine Ansichten zum Krieg selbst der �ffentlichkeit pr�sentieren ("finde ich voll schei�e, da� der Bush da jetzt ..."). Wenn man Pech hat, mu� man statt dessen selbst aktiv werden und bei einem der zahlreichen Radiosender anrufen ("finde ich immer noch voll schei�e, da� ..."), die ihr vorabendliches Gru�programm auf allgemeine Betroffenheitsprosa umgestellt haben.

Derweil wei� niemand so genau, was nun Wahrheit und was gezielt verbreitete Unwahrheit ist. Saddam ist tot, es lebe Saddam. Wer hat in all dem straff durchorganisierten Trubel schlie�lich noch den �berblick? Auch die Agenturen werden gr��tenteils von staatlichen Informations-B�ros mit Nachrichten versorgt oder haben einen eigenen "embedded correspondent", der von irgendeiner Infanterie-Einheit mit durch den hei�en W�stensand geschleift wird.

Aber ob es so viel besser ist, als Journalist direkt vor Ort in Bagdad zu sein, so aufregend (und gef�hrlich) das auch klingen mag? Was sieht man denn, au�er dem Medienzentrum, gro�artig von der Stadt und der Situation ihrer Bev�lkerung, wenn man sich nie ohne einen staatlichen Aufpasser ("minder") bewegen darf. Bezieht man einen Gro�teil seiner Informationen nicht auch nur �ber CNN & Co.? Wirklich aufkl�ren werden uns wohl erst die Historiker in etlichen Jahren - und selbst die neigen bekanntlich dazu, sich �ber Fakten und deren Interpretation heftig zu streiten.

So scheint eigentlich nur eins gewi�, am meisten d�rfte die Bev�lkerung vor Ort und die Angeh�rigen gefallener Soldaten leiden. Aber die Iraker haben schon seit Jahren ein Abo auf Leid (eben nur meist au�erhalb der Welt der Fernsehzuschauer, weswegen ihre Lebensbedingungen in der pro-und-contra-Kriegsrechnung allzu oft herausfielen aus der Gleichung) und niemand wei� so genau, welcher Abschnitt ihrer Staatsbiographie ihnen am meisten Ungl�ck bringen wird.