2003-03-29 - 15:11 - Kriegsfolgen

Tag zehn des Irak-Krieg-Remakes: Man steht morgens auf und h�rt vom Krieg, liest zum Kaffee vom Krieg und sieht im Laufe des Tages immer wieder Bilder vom Krieg. Aber was davon kommt denn wirklich an? Nat�rlich stellt man auf einer sehr rationalen Ebene fest, da� die alliierten Truppen hier wieder x-Kilometer in Richtung Bagdad vorgedrungen sind, dort daf�r eine Br�cke eingeb��t und soundsoviele Soldaten durch "friendly fire" verloren haben.

Aber an den meisten Tagen nehme ich das mit der gleichen n�chternen Geisteshaltung zur Kenntnis wie die aktuellen B�rsenwerte oder die Sonderangebotspreise von Plus. Es sind eben Zahlen, und so interessant sie auch sein m�gen, die sicherlich oft tragischen Geschichten dahinter kann ich nicht st�ndig f�r mich zum Leben erwecken. Ohne eigene Betroffenheit gewinnt der Alltag schnell wieder die Oberhand �ber das anf�ngliche Entsetzen.

Manchmal erwischt es mich dann aber doch. Vor allem abends, wenn ich im Bett liege und sich der Schutzpanzer aus Distanz und Zynismus schon vor mir in den wohlverdienten Schlaf verabschiedet hat, dann erwachen die Fernsehbilder pl�tzlich zum Leben und aus anonymen Zahlen werden entsetzliche Einzelschicksale, die sich gleicherma�en in Herz und Verstand bohren.

Pl�tzlich bin ich �berw�ltigt von dem unerme�lichen Leid, das aus den verzerrten Gesichtern der Menschen spricht, die gerade bei einer Bombenexplosion Freunde und Angeh�rige verloren haben. Es ist so, als h�tte sich kurz ein winziges Fenster ge�ffnet, um ein wenig frische Luft in mein sonst so vom Verstand dominiertes Inneres zu lassen, und all das Elend des Krieges nutzt die Gelegenheit, um mich binnen einiger Minuten zu �berfluten.

Die ver�ngstigten Gesichter der Soldaten, die mit 19 Jahren unvorbereitet in Kriegsgefangenschaft geraten sind, kann ich kaum ertragen (ja, meine abgekl�rte Schutzschicht wei� auch, da� sie selbst diesen Beruf gew�hlt haben, aber ob sie das �ber Nacht in dem Alter f�r eine solche Erfahrung festigt?), erst recht mag ich nicht an ihre Angeh�rigen denken.

Endg�ltig den Schlaf rauben mir aber die Bilder all derer, die sich mit nur einer kleinen Reisetasche voller Kleidung, aber g�nzlich ohne Hoffnung auf die Flucht begeben mu�ten. Deren Leben auf unabsehbare Zeit nicht mehr von ihnen selbst, sondern von Kriegsparteien und internationalen Hilfsorganisationen bestimmt werden wird. Deren gesamte sorgf�ltige Lebensplanung binnen weniger Tage zunichte gemacht wurde, blo� weil sie am falschen Ort planten.

Man f�hlt sich meist so sehr Herr seines eigenen Lebens, hat schlie�lich f�r seinen Erfolg gearbeitet, eine gute Ausbildung absolviert, ein Haus gebaut, eine Familie gegr�ndet, viele Anstrengungen zur Zukunftssicherung unternommen - und pl�tzlich sitzt man als Nummer in einem staubigen Fl�chtlingslager, wo die eigene Vergangenheit nichts z�hlt und man auf zwei Quadratmetern zur Unt�tigkeit verdammt ist, egal ob man vorher 20 oder 200 hatte und v�llig egal was f�r ein Mensch man bis dato war.

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Kriegsfolgen 2003-03-29 15:11 Tag zehn des Irak-Krieg-Remakes: Man steht morgens auf und h�rt vom Krieg, liest zum Kaffee vom Krieg und sieht im Laufe des Tages immer wieder Bilder vom Krieg. Aber was davon kommt denn wirklich an? Nat�rlich stellt man auf einer sehr rationalen Ebene fest, da� die alliierten Truppen hier wieder x-Kilometer in Richtung Bagdad vorgedrungen sind, dort daf�r eine Br�cke eingeb��t und soundsoviele Soldaten durch "friendly fire" verloren haben.

Aber an den meisten Tagen nehme ich das mit der gleichen n�chternen Geisteshaltung zur Kenntnis wie die aktuellen B�rsenwerte oder die Sonderangebotspreise von Plus. Es sind eben Zahlen, und so interessant sie auch sein m�gen, die sicherlich oft tragischen Geschichten dahinter kann ich nicht st�ndig f�r mich zum Leben erwecken. Ohne eigene Betroffenheit gewinnt der Alltag schnell wieder die Oberhand �ber das anf�ngliche Entsetzen.

Manchmal erwischt es mich dann aber doch. Vor allem abends, wenn ich im Bett liege und sich der Schutzpanzer aus Distanz und Zynismus schon vor mir in den wohlverdienten Schlaf verabschiedet hat, dann erwachen die Fernsehbilder pl�tzlich zum Leben und aus anonymen Zahlen werden entsetzliche Einzelschicksale, die sich gleicherma�en in Herz und Verstand bohren.

Pl�tzlich bin ich �berw�ltigt von dem unerme�lichen Leid, das aus den verzerrten Gesichtern der Menschen spricht, die gerade bei einer Bombenexplosion Freunde und Angeh�rige verloren haben. Es ist so, als h�tte sich kurz ein winziges Fenster ge�ffnet, um ein wenig frische Luft in mein sonst so vom Verstand dominiertes Inneres zu lassen, und all das Elend des Krieges nutzt die Gelegenheit, um mich binnen einiger Minuten zu �berfluten.

Die ver�ngstigten Gesichter der Soldaten, die mit 19 Jahren unvorbereitet in Kriegsgefangenschaft geraten sind, kann ich kaum ertragen (ja, meine abgekl�rte Schutzschicht wei� auch, da� sie selbst diesen Beruf gew�hlt haben, aber ob sie das �ber Nacht in dem Alter f�r eine solche Erfahrung festigt?), erst recht mag ich nicht an ihre Angeh�rigen denken.

Endg�ltig den Schlaf rauben mir aber die Bilder all derer, die sich mit nur einer kleinen Reisetasche voller Kleidung, aber g�nzlich ohne Hoffnung auf die Flucht begeben mu�ten. Deren Leben auf unabsehbare Zeit nicht mehr von ihnen selbst, sondern von Kriegsparteien und internationalen Hilfsorganisationen bestimmt werden wird. Deren gesamte sorgf�ltige Lebensplanung binnen weniger Tage zunichte gemacht wurde, blo� weil sie am falschen Ort planten.

Man f�hlt sich meist so sehr Herr seines eigenen Lebens, hat schlie�lich f�r seinen Erfolg gearbeitet, eine gute Ausbildung absolviert, ein Haus gebaut, eine Familie gegr�ndet, viele Anstrengungen zur Zukunftssicherung unternommen - und pl�tzlich sitzt man als Nummer in einem staubigen Fl�chtlingslager, wo die eigene Vergangenheit nichts z�hlt und man auf zwei Quadratmetern zur Unt�tigkeit verdammt ist, egal ob man vorher 20 oder 200 hatte und v�llig egal was f�r ein Mensch man bis dato war.