2003-04-03 - 18:25 - Gruesse aus dem Schnee

Hier also wie versprochen ein erster kurzer Bericht aus St. Petersburg - erste Eindruecke, ziemlich unedited (und fuer die, die es schon immer wissen wollten, man kann die Tastatur mit einer Taste umschalten auf das kyrillische Alphabet, was mir leider versehentlich alle paar Zeilen passiert) und mit steifgefrorenen Fingern geschrieben, denn die Reise hat mich mitten in den Winter zurueckgeworfen. Bei unserer Ankunft gestern war es knackig-kalt, aber dafuer absolut klar und sonnig. Heute hingegen treibt ein biestiger Wind uns den Schnee waagerecht ins vereiste Gesicht, und ich bin sehr versucht, mir eine dieser Pelzmuetzen zu kaufen, mit denen ich leider aussehe, als sei mein Kopf soeben explodiert.

Dementsprechend haben wir den heutigen Tag ueberwiegend in Kirchen und Kathedralen, respektive in der Eremitage verbracht. Mir ist das sehr recht, denn ich liebe orthodoxe Kirchen mit ihrer sehr ernsten, erhabenen Atmosphaere, den betenden Menschen, zahllosen Ikonen und der weihrauchgeschwaengerten Luft. Gerade wenn man aus der klaren Kaelte kommt, ist man im ersten Moment ueberwaeltigt vom Weihrauch, der in dichten Schwaden durch den dunklen Raum zieht.

In der Eremitage kann man natuerlich ganze Tage verbringen, aber wir haben uns vor allem auf die Moderne konzentriert, denn ich wollte unbedingt die Sammlung Sergei Schtschukins erneut sehen, von der Teile bereits vor fast zehn Jahren im Folkwang Museum in Essen ausgestellt waren. Natuerlich haben wir auch mehr als nur einen Blick in die Gemaelde-Sammlung und die prunkvollen Raeume des Winterpalastes geworfen.

Dafuer sind wir gestern stundenlang durch die Stadt gelaufen, was mit nicht geringen Gefahren verbunden ist. Zumindest ist mir immer noch nicht klar, nach welchen Regeln hier der Verkehr funktioniert. Fuer Autos mit guter Hupe scheint es so gut wie keine Regeln zu geben und Fussgaenger (eine Spezies, die hier dringend auf die rote Liste der gefaehrdeten Arten gehoert) bewegen sich nach hakenschlagend nach dem Hasen-Prinzip vorwaerts. Meist halte ich mich an die Einheimischen und jage ihnen beim Ueberqueren der Strasse einfach hinterher.

Die Stadt wird auf den ersten Blick vor allem von den vielen Kanaelen und oft wunderschoenen Bruecken gepraegt, was Marc dazu verleitet, alle paar Minuten laut zu rufen: "Hier ist doch damals James Bond langgejagt." Die Kanaele sind uebrigens alle noch zugefroren oder zumindest von dicken Eisschollen bedeckt.

Kein Wunder also, dass man uns hier im ersten Cafe gleich einen kleinen Vodka zum Tee serviert hat (nach dem dritten Tee wurde mir auch wieder wohlig warm). Auch die sehr deftige russische Kueche entspricht durchaus den Beduerfnissen bei diesen Temperaturen. Wir haben uns natuerlich sofort eine Portion Blini mit Kaviar zum Vodka-Tee gegoennt und uns abends durch haufenweise Piroggen (gefuellte Teigtaschen) und Pelmeni (ein urspruenglich sibirisches Gericht mit Fisch- oder Fleischkloessen in Suppe)geschlemmt. Was mich daran erinnert, dass ich dringend los muss.

Auf mich wartet ein riesiger, dampfender Topf mit Soljanka (einer wundervollen Fischsuppe) und ein verfrorener Marc, der vermutlich schon einen ganzen "Gentleman's Kit" verdrueckt hat (bestehend aus eingelegten Champignons, Sauerkraut, sauren Gurken, Hering und einem grossen Glas Vodka - der "large kit" beinhaltet sogar einen ganzen Liter Vodka und eine kostenlose Taxi-Fahrt ins naechste Krankenhaus).

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Gruesse aus dem Schnee 2003-04-03 18:25 Hier also wie versprochen ein erster kurzer Bericht aus St. Petersburg - erste Eindruecke, ziemlich unedited (und fuer die, die es schon immer wissen wollten, man kann die Tastatur mit einer Taste umschalten auf das kyrillische Alphabet, was mir leider versehentlich alle paar Zeilen passiert) und mit steifgefrorenen Fingern geschrieben, denn die Reise hat mich mitten in den Winter zurueckgeworfen. Bei unserer Ankunft gestern war es knackig-kalt, aber dafuer absolut klar und sonnig. Heute hingegen treibt ein biestiger Wind uns den Schnee waagerecht ins vereiste Gesicht, und ich bin sehr versucht, mir eine dieser Pelzmuetzen zu kaufen, mit denen ich leider aussehe, als sei mein Kopf soeben explodiert.

Dementsprechend haben wir den heutigen Tag ueberwiegend in Kirchen und Kathedralen, respektive in der Eremitage verbracht. Mir ist das sehr recht, denn ich liebe orthodoxe Kirchen mit ihrer sehr ernsten, erhabenen Atmosphaere, den betenden Menschen, zahllosen Ikonen und der weihrauchgeschwaengerten Luft. Gerade wenn man aus der klaren Kaelte kommt, ist man im ersten Moment ueberwaeltigt vom Weihrauch, der in dichten Schwaden durch den dunklen Raum zieht.

In der Eremitage kann man natuerlich ganze Tage verbringen, aber wir haben uns vor allem auf die Moderne konzentriert, denn ich wollte unbedingt die Sammlung Sergei Schtschukins erneut sehen, von der Teile bereits vor fast zehn Jahren im Folkwang Museum in Essen ausgestellt waren. Natuerlich haben wir auch mehr als nur einen Blick in die Gemaelde-Sammlung und die prunkvollen Raeume des Winterpalastes geworfen.

Dafuer sind wir gestern stundenlang durch die Stadt gelaufen, was mit nicht geringen Gefahren verbunden ist. Zumindest ist mir immer noch nicht klar, nach welchen Regeln hier der Verkehr funktioniert. Fuer Autos mit guter Hupe scheint es so gut wie keine Regeln zu geben und Fussgaenger (eine Spezies, die hier dringend auf die rote Liste der gefaehrdeten Arten gehoert) bewegen sich nach hakenschlagend nach dem Hasen-Prinzip vorwaerts. Meist halte ich mich an die Einheimischen und jage ihnen beim Ueberqueren der Strasse einfach hinterher.

Die Stadt wird auf den ersten Blick vor allem von den vielen Kanaelen und oft wunderschoenen Bruecken gepraegt, was Marc dazu verleitet, alle paar Minuten laut zu rufen: "Hier ist doch damals James Bond langgejagt." Die Kanaele sind uebrigens alle noch zugefroren oder zumindest von dicken Eisschollen bedeckt.

Kein Wunder also, dass man uns hier im ersten Cafe gleich einen kleinen Vodka zum Tee serviert hat (nach dem dritten Tee wurde mir auch wieder wohlig warm). Auch die sehr deftige russische Kueche entspricht durchaus den Beduerfnissen bei diesen Temperaturen. Wir haben uns natuerlich sofort eine Portion Blini mit Kaviar zum Vodka-Tee gegoennt und uns abends durch haufenweise Piroggen (gefuellte Teigtaschen) und Pelmeni (ein urspruenglich sibirisches Gericht mit Fisch- oder Fleischkloessen in Suppe)geschlemmt. Was mich daran erinnert, dass ich dringend los muss.

Auf mich wartet ein riesiger, dampfender Topf mit Soljanka (einer wundervollen Fischsuppe) und ein verfrorener Marc, der vermutlich schon einen ganzen "Gentleman's Kit" verdrueckt hat (bestehend aus eingelegten Champignons, Sauerkraut, sauren Gurken, Hering und einem grossen Glas Vodka - der "large kit" beinhaltet sogar einen ganzen Liter Vodka und eine kostenlose Taxi-Fahrt ins naechste Krankenhaus).