2003-04-10 - 14:36 - Die Geisterj�ger

Es ist 2:43 Uhr, zumindest wenn man den roten Zahlen trauen darf, die mein Wecker an die Decke wirft. Ich mu� mich also in meinem Schlafzimmer befinden und von irgend etwas geweckt worden sein. Um mich herum nur Stille und Dunkelheit. Und mein schl�friges, erk�ltungsumnebeltes Hirn ist nicht sonderlich hilfreich bei der Analyse der Situation.

Hinter mir ert�nt pl�tzlich ein leises Knurren, und ich kann den Hund irgendwo hinter meinem Kopf ertasten. Er zittert am ganzen Leib und macht den Eindruck, als wollte er sich hinter mir verstecken. Aber wovor?

Ich bleibe still liegen und warte, bis die Augen sich allm�hlich an die Dunkelheit gew�hnen und einzelne Umrisse aus dem Nichts auftauchen. Mir f�llt nichts Ungew�hnliches auf, nichts, was den Hund so erschrecken k�nnte. Aber als ich mich gerade aufrichten will, um den Hund zu beruhigen, springt er mit einem Satz nach hinten und knurrt noch eindringlicher als zuvor.

Ich bleibe erstarrt liegen. Es ist 2:46, und mein Puls beschleunigt sich. Was hat der Hund blo�? Und warum lasse ich mich davon anstecken? Eine lebhafte Phantasie in Kombination mit einer �berdosis gruseliger B�cher und Filme d�rfte daf�r verantwortlich sein. Ich kenne diese Situation. Wenn ich jetzt nichts unternehme, sondern den Bildern in meinem Kopf freien Lauf lasse, dann bin ich in sp�testens f�nf Minuten soweit, da� ich mir am liebsten den Teddy schnappen und mich ins Schlafzimmer meiner Eltern retten w�rde.

Aber ich bin mindestens zwanzig Jahre zu alt f�r derartige Veranstaltungen, und au�erdem trennen uns fast 400 km. 2:47 steht rot an der Decke. Der Hund schleicht sich langsam wieder an, robbt auf dem Bauch an meinen Kopf heran, und ich kann sein Zittern �berdeutlich sp�ren.

Ich starre verbissen in die Dunkelheit vor mir, mit all ihren Schatten, die sich im Tageslicht als v�llig harmlose Alltagsgegenst�nde und Kleiderhaufen entpuppen werden. Warum habe ich blo� nicht besser aufger�umt und damit einen Teil der Schatten vorher beseitigt? Als ich mich langsam hinsetzen will, bellt pl�tzlich wieder der Hund. Hell und panisch, direkt neben mir.

Dann macht er erneut einen gro�en Satz nach hinten, und das Bellen verwandelt sich in ein tiefes Grollen, das ich so noch nie von ihm geh�rt habe. Einen tollen Wachhund habe ich da. Erst schl�gt er an, steckt mich mit seiner Aufregung an und versteckt sich dann hinter mir, um mir die Auseinandersetzung mit den Eindringlingen zu �berlassen. Nur mit wem oder was soll ich es hier aufnehmen?

Warum sollte jemand nachts in meine Wohnung kommen, um sich dann hinter der T�r zum Schlafzimmer zu verstecken? Vielleicht ist Hamburg doch gef�hrlicher als ich dachte, und ein Wahnsinniger ist gekommen, um mich zu t�ten. Oder wartet er, bis ich vor Angst gestorben bin, um dann mein Sparbuch und die etwa zehn Jahre alte Stereo-Anlage zu stehlen? Yeah, right!

Und Geister gibt es schlie�lich au�erhalb Hollywoods nur in alten englischen Schl�ssern, nicht aber in gew�hnlichen Hamburger Hinterhofh�usern. Aber was, wenn all die komischen Leute mit ihren Vorstellungen von den Geistern Verstorbener, die gelegentlich die Lebenden heimsuchen, doch recht haben? Vielleicht ist Stephen King doch nicht nur ein brillanter, aber latent wahnsinniger Geschichtenerz�hler? Vielleicht kann mein Hund die Pr�senz irgendwelcher b�sen Geister sp�ren und ist deshalb so verst�rt?

Es ist 2:49 Uhr und alles, was ich h�re, ist mein eigener, unwirklich lauter Herzschlag. Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, das einer erwachsenen Frau w�rdig ist, werde ich mich komplett in meiner wilden Phantasie verlieren und beim Morgengrauen endg�ltig reif f�r die geschlossene Anstalt sein. Und falls doch jemand hier ist, der auf Unheil sinnt, so m�ge er es gef�lligst jetzt hinter sich bringen. Man kann sich schlie�lich nicht ewig Zeit lassen, auch mit dem Sterben nicht.

Ich krieche ganz vorsichtig unter meiner Bettdecke hervor und setze mich aufrecht hin. Der Hund jault panisch auf und dr�ckt sich �ngstlich gegen die Wand. Kein gutes Zeichen. Aber ich stehe auf und tapse mit nackten F��en leise �ber den Teppichboden. Das Licht bleibt aus, schlie�lich will ich mich nicht selbst blenden. Mit einer Reitgerte "bewaffnet" schleiche ich leise in den Flur.

Niemand zu sehen. Auch die Inspektion der �brigen Zimmer f�rdert keine Eindringlinge aus Fleisch und Blut zutage. Sollten je Geister in meiner Wohnung gewesen sein, so verschwinden sie sp�testens dann, als ich jedes verf�gbare Licht einschalte. Zumindest funktioniert da mein Verstand wieder und weigert sich strikt, die m�gliche Existenz �bernat�rlicher Wesen auch nur in Erw�gung zu ziehen.

Trotzdem sitzt der Hund immer noch zitternd in der Ecke und l��t sich nicht dazu bewegen, auch nur eine Hundel�nge in meine Richtung zu kommen. Das vermeintliche Unheil mu� also irgendwo zwischen der Ecke und der T�r lauern, und au�er meinem Bett kommt da nicht viel in Frage. Nach kurzer �berlegung wird alles klar. Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen?

Ein gr��erer Zipfel meiner Bettdecke steht am Fu�ende hoch und sieht entfernt aus wie ein Gartenzwerg oder ein kleiner Gnom. Wahrscheinlich hat das zun�chst die besorgte Aufmerksamkeit meines kleinen Hundes erregt. Dann bin ich wachgeworden, und zugleich mit jeder meiner vorsichtigen Bewegungen r�hrte sich nat�rlich auch der Bettdecken-Troll und reckte scheinbar drohend sein gemustertes Haupt.

Der Hund will das nat�rlich nicht so einfach einsehen (was kann man auch anderes erwarten von einem Hund, der Hartplastik-K�he attackiert). Er beruhigt sich erst wieder, als ich die Bettdecke aussch�ttle, den Gnom erfolgreich vernichte und den Hund in den Arm nehme. Nach minutenlangen Streicheleinheiten l��t das Zittern endlich nach, und das Mini-Monster schlie�t entspannt die Augen.

Das ist mir nicht verg�nnt, denn ich bin inzwischen hellwach. Da hilft nur n�chtliche Krimi-Lekt�re zur Ablenkung und Entspannung. Ich ignoriere einfach, da� ich damit vermutlich nur die Saat f�r weitere N�chte voller paranoider Anwandlungen und �berfl�ssiger Aufregung lege.

Als ich heute morgen aufwache, brennt immer noch das Licht, auf meiner Wange zeichnet sich deutlich die Relief-Schrift des Buchdeckels ab, und der Hund schnarcht zufrieden in meinem Arm statt in seinem K�rbchen. Von Geistern keine Spur ...

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Die Geisterj�ger 2003-04-10 14:36 Es ist 2:43 Uhr, zumindest wenn man den roten Zahlen trauen darf, die mein Wecker an die Decke wirft. Ich mu� mich also in meinem Schlafzimmer befinden und von irgend etwas geweckt worden sein. Um mich herum nur Stille und Dunkelheit. Und mein schl�friges, erk�ltungsumnebeltes Hirn ist nicht sonderlich hilfreich bei der Analyse der Situation.

Hinter mir ert�nt pl�tzlich ein leises Knurren, und ich kann den Hund irgendwo hinter meinem Kopf ertasten. Er zittert am ganzen Leib und macht den Eindruck, als wollte er sich hinter mir verstecken. Aber wovor?

Ich bleibe still liegen und warte, bis die Augen sich allm�hlich an die Dunkelheit gew�hnen und einzelne Umrisse aus dem Nichts auftauchen. Mir f�llt nichts Ungew�hnliches auf, nichts, was den Hund so erschrecken k�nnte. Aber als ich mich gerade aufrichten will, um den Hund zu beruhigen, springt er mit einem Satz nach hinten und knurrt noch eindringlicher als zuvor.

Ich bleibe erstarrt liegen. Es ist 2:46, und mein Puls beschleunigt sich. Was hat der Hund blo�? Und warum lasse ich mich davon anstecken? Eine lebhafte Phantasie in Kombination mit einer �berdosis gruseliger B�cher und Filme d�rfte daf�r verantwortlich sein. Ich kenne diese Situation. Wenn ich jetzt nichts unternehme, sondern den Bildern in meinem Kopf freien Lauf lasse, dann bin ich in sp�testens f�nf Minuten soweit, da� ich mir am liebsten den Teddy schnappen und mich ins Schlafzimmer meiner Eltern retten w�rde.

Aber ich bin mindestens zwanzig Jahre zu alt f�r derartige Veranstaltungen, und au�erdem trennen uns fast 400 km. 2:47 steht rot an der Decke. Der Hund schleicht sich langsam wieder an, robbt auf dem Bauch an meinen Kopf heran, und ich kann sein Zittern �berdeutlich sp�ren.

Ich starre verbissen in die Dunkelheit vor mir, mit all ihren Schatten, die sich im Tageslicht als v�llig harmlose Alltagsgegenst�nde und Kleiderhaufen entpuppen werden. Warum habe ich blo� nicht besser aufger�umt und damit einen Teil der Schatten vorher beseitigt? Als ich mich langsam hinsetzen will, bellt pl�tzlich wieder der Hund. Hell und panisch, direkt neben mir.

Dann macht er erneut einen gro�en Satz nach hinten, und das Bellen verwandelt sich in ein tiefes Grollen, das ich so noch nie von ihm geh�rt habe. Einen tollen Wachhund habe ich da. Erst schl�gt er an, steckt mich mit seiner Aufregung an und versteckt sich dann hinter mir, um mir die Auseinandersetzung mit den Eindringlingen zu �berlassen. Nur mit wem oder was soll ich es hier aufnehmen?

Warum sollte jemand nachts in meine Wohnung kommen, um sich dann hinter der T�r zum Schlafzimmer zu verstecken? Vielleicht ist Hamburg doch gef�hrlicher als ich dachte, und ein Wahnsinniger ist gekommen, um mich zu t�ten. Oder wartet er, bis ich vor Angst gestorben bin, um dann mein Sparbuch und die etwa zehn Jahre alte Stereo-Anlage zu stehlen? Yeah, right!

Und Geister gibt es schlie�lich au�erhalb Hollywoods nur in alten englischen Schl�ssern, nicht aber in gew�hnlichen Hamburger Hinterhofh�usern. Aber was, wenn all die komischen Leute mit ihren Vorstellungen von den Geistern Verstorbener, die gelegentlich die Lebenden heimsuchen, doch recht haben? Vielleicht ist Stephen King doch nicht nur ein brillanter, aber latent wahnsinniger Geschichtenerz�hler? Vielleicht kann mein Hund die Pr�senz irgendwelcher b�sen Geister sp�ren und ist deshalb so verst�rt?

Es ist 2:49 Uhr und alles, was ich h�re, ist mein eigener, unwirklich lauter Herzschlag. Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, das einer erwachsenen Frau w�rdig ist, werde ich mich komplett in meiner wilden Phantasie verlieren und beim Morgengrauen endg�ltig reif f�r die geschlossene Anstalt sein. Und falls doch jemand hier ist, der auf Unheil sinnt, so m�ge er es gef�lligst jetzt hinter sich bringen. Man kann sich schlie�lich nicht ewig Zeit lassen, auch mit dem Sterben nicht.

Ich krieche ganz vorsichtig unter meiner Bettdecke hervor und setze mich aufrecht hin. Der Hund jault panisch auf und dr�ckt sich �ngstlich gegen die Wand. Kein gutes Zeichen. Aber ich stehe auf und tapse mit nackten F��en leise �ber den Teppichboden. Das Licht bleibt aus, schlie�lich will ich mich nicht selbst blenden. Mit einer Reitgerte "bewaffnet" schleiche ich leise in den Flur.

Niemand zu sehen. Auch die Inspektion der �brigen Zimmer f�rdert keine Eindringlinge aus Fleisch und Blut zutage. Sollten je Geister in meiner Wohnung gewesen sein, so verschwinden sie sp�testens dann, als ich jedes verf�gbare Licht einschalte. Zumindest funktioniert da mein Verstand wieder und weigert sich strikt, die m�gliche Existenz �bernat�rlicher Wesen auch nur in Erw�gung zu ziehen.

Trotzdem sitzt der Hund immer noch zitternd in der Ecke und l��t sich nicht dazu bewegen, auch nur eine Hundel�nge in meine Richtung zu kommen. Das vermeintliche Unheil mu� also irgendwo zwischen der Ecke und der T�r lauern, und au�er meinem Bett kommt da nicht viel in Frage. Nach kurzer �berlegung wird alles klar. Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen?

Ein gr��erer Zipfel meiner Bettdecke steht am Fu�ende hoch und sieht entfernt aus wie ein Gartenzwerg oder ein kleiner Gnom. Wahrscheinlich hat das zun�chst die besorgte Aufmerksamkeit meines kleinen Hundes erregt. Dann bin ich wachgeworden, und zugleich mit jeder meiner vorsichtigen Bewegungen r�hrte sich nat�rlich auch der Bettdecken-Troll und reckte scheinbar drohend sein gemustertes Haupt.

Der Hund will das nat�rlich nicht so einfach einsehen (was kann man auch anderes erwarten von einem Hund, der Hartplastik-K�he attackiert). Er beruhigt sich erst wieder, als ich die Bettdecke aussch�ttle, den Gnom erfolgreich vernichte und den Hund in den Arm nehme. Nach minutenlangen Streicheleinheiten l��t das Zittern endlich nach, und das Mini-Monster schlie�t entspannt die Augen.

Das ist mir nicht verg�nnt, denn ich bin inzwischen hellwach. Da hilft nur n�chtliche Krimi-Lekt�re zur Ablenkung und Entspannung. Ich ignoriere einfach, da� ich damit vermutlich nur die Saat f�r weitere N�chte voller paranoider Anwandlungen und �berfl�ssiger Aufregung lege.

Als ich heute morgen aufwache, brennt immer noch das Licht, auf meiner Wange zeichnet sich deutlich die Relief-Schrift des Buchdeckels ab, und der Hund schnarcht zufrieden in meinem Arm statt in seinem K�rbchen. Von Geistern keine Spur ...