2003-05-10 - 13:15 - Sterben, reichlich konstruiert

"For truth is always strange. Stranger than fiction." Die Worte Lord Byrons dr�ngten sich bei der t�glichen Zeitungslekt�re in dieser Woche ganz unweigerlich auf. Ausnahmsweise erregen morgens mal nicht die aktuellen Arbeitslosenzahlen das nationale Gem�t, sondern eine bis dato g�nzlich unbekannte Kleinstadt bei Aachen schafft den Sprung auf die Titelseite. Ein gereizter Kleinst�dter entledigt sich gewaltsam seiner Schw�gerin, nicht ohne sich einen letzten gemeinsamen Spaziergang mit ihrem abgetrennten Kopf durch die Fu�g�ngerzone zu g�nnen.

Irgendwie scheint mir das eine sehr zeitgem��e Form des Verbrechens zu sein - sehr medienwirksam, da dramatisch und mit ausreichend Schockeffekten versehen. Andererseits aber auch schon wieder so bizarr, da� man eher das Gef�hl hat einen aktuellen amerikanischen Krimi-Bestseller statt der Tageszeitung in der Hand zu halten. Man kann sich bei der Lekt�re emp�ren und zugleich heimlich angenehm gruseln, ohne jedoch wirklich Angst vor Nachahmern in der eigenen Nachbarschaft haben zu m�ssen (anders als beim 0815-Raubm�rder im Supermarkt).

Wesentlich "altmodischer" wirkte da ein anderer Todesfall, von dem vermutlich nur in Hamburg zu lesen war, und der wohl auch kaum moderner Krimi-Lekt�re zu Ruhm und hohen Verkaufszahlen verhelfen w�rde. Einen derartigen Fall w�rde man eher im Archiv von Sherlock Holmes vermuten (dem gro�en Idol meiner Kindheit - seinetwegen dachte ich im Alter von etwa zehn Jahren, da� Koksen unverzichtbarer Bestandteil eines intellektuell-aufgekl�rten Lebens w�re).

Allerdings wirkt der folgende Fall schon wieder derma�en konstruiert, da� kaum ein Mensch mit Anspruch auf Glaubw�rdigkeit eine solche Geschichte zu Papier bringen w�rde (so etwas bekommen normalerweise blo� Jura-Studenten im ersten Semester Strafrecht vorgesetzt).

Ein Mann (57) wird von einem Hund in die Hand gebissen und regt sich ganz f�rchterlich dar�ber auf. Also rennt er, leicht blutend, in die n�chste Kneipe und bittet um Hilfe bei Ma�nahmen gegen den uneinsichtigen Hundehalter. Er wartet die Reaktion der zumeist schon reichlich alkoholisierten Anwesenden allerdings gar nicht erst ab, sondern st�rzt wieder auf die Stra�e zum Schauplatz des Geschehens.

Als der besorgte Wirt schlie�lich dort eintrifft, findet er den Mann in einer Blutlache liegend zwischen geparkten Autos vor. �ber der linken Augenbraue hat der Bewu�tlose ein kreisf�rmiges Loch. Der kurz darauf eintreffende Notarzt k�mpft um das Leben des Rentners, doch vergeblich.

Die Polizei geht von einem Mord mit Schu�waffeneinsatz aus, sperrt die Gegend gro�z�gig ab, ermittelt in k�rzester Zeit den Hundehalter und holt diesen in Handschellen aus einer Wohnung in Tatortn�he. Der bissige Hund und sein offensichtlich ebenfalls blutr�nstiges Herrchen werden getrennt voneinander untergebracht.

Doch die gerichtsmedizinische Untersuchung ergibt ein v�llig anderes Bild des Tathergangs (zu dem Sherlock mit etwas anderen Methoden und dank seiner �berragenden geistigen F�higkeiten sicherlich ebenso gelangt w�re). Der eigentlich nur geringf�gig verletzte Rentner hatte offensichtlich ein geschw�chtes Herz, welches all der Aufregung nicht gewachsen war. Er erlitt also einen Herzinfarkt und fiel dabei recht ungl�cklich auf seinen Regenschirm.

Ausgerechnet dieser Schirm stanzte ihm dann das runde Loch in die Stirn, aus welchem er stark blutete, was wiederum allen Beteiligten sofort Anla� zu der Annahme gab, er sei erschossen worden. (Warum niemand gleich den blutigen Schirm fand und sich so seine Gedanken dazu machte, ist leider nicht bekannt.)

Umgebracht hat ihn also letztlich sein schwaches Herz, nicht aber der Hundebi� oder die Kopfverletzung. Tja, darauf mu� man erst mal kommen.

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Sterben, reichlich konstruiert 2003-05-10 13:15 "For truth is always strange. Stranger than fiction." Die Worte Lord Byrons dr�ngten sich bei der t�glichen Zeitungslekt�re in dieser Woche ganz unweigerlich auf. Ausnahmsweise erregen morgens mal nicht die aktuellen Arbeitslosenzahlen das nationale Gem�t, sondern eine bis dato g�nzlich unbekannte Kleinstadt bei Aachen schafft den Sprung auf die Titelseite. Ein gereizter Kleinst�dter entledigt sich gewaltsam seiner Schw�gerin, nicht ohne sich einen letzten gemeinsamen Spaziergang mit ihrem abgetrennten Kopf durch die Fu�g�ngerzone zu g�nnen.

Irgendwie scheint mir das eine sehr zeitgem��e Form des Verbrechens zu sein - sehr medienwirksam, da dramatisch und mit ausreichend Schockeffekten versehen. Andererseits aber auch schon wieder so bizarr, da� man eher das Gef�hl hat einen aktuellen amerikanischen Krimi-Bestseller statt der Tageszeitung in der Hand zu halten. Man kann sich bei der Lekt�re emp�ren und zugleich heimlich angenehm gruseln, ohne jedoch wirklich Angst vor Nachahmern in der eigenen Nachbarschaft haben zu m�ssen (anders als beim 0815-Raubm�rder im Supermarkt).

Wesentlich "altmodischer" wirkte da ein anderer Todesfall, von dem vermutlich nur in Hamburg zu lesen war, und der wohl auch kaum moderner Krimi-Lekt�re zu Ruhm und hohen Verkaufszahlen verhelfen w�rde. Einen derartigen Fall w�rde man eher im Archiv von Sherlock Holmes vermuten (dem gro�en Idol meiner Kindheit - seinetwegen dachte ich im Alter von etwa zehn Jahren, da� Koksen unverzichtbarer Bestandteil eines intellektuell-aufgekl�rten Lebens w�re).

Allerdings wirkt der folgende Fall schon wieder derma�en konstruiert, da� kaum ein Mensch mit Anspruch auf Glaubw�rdigkeit eine solche Geschichte zu Papier bringen w�rde (so etwas bekommen normalerweise blo� Jura-Studenten im ersten Semester Strafrecht vorgesetzt).

Ein Mann (57) wird von einem Hund in die Hand gebissen und regt sich ganz f�rchterlich dar�ber auf. Also rennt er, leicht blutend, in die n�chste Kneipe und bittet um Hilfe bei Ma�nahmen gegen den uneinsichtigen Hundehalter. Er wartet die Reaktion der zumeist schon reichlich alkoholisierten Anwesenden allerdings gar nicht erst ab, sondern st�rzt wieder auf die Stra�e zum Schauplatz des Geschehens.

Als der besorgte Wirt schlie�lich dort eintrifft, findet er den Mann in einer Blutlache liegend zwischen geparkten Autos vor. �ber der linken Augenbraue hat der Bewu�tlose ein kreisf�rmiges Loch. Der kurz darauf eintreffende Notarzt k�mpft um das Leben des Rentners, doch vergeblich.

Die Polizei geht von einem Mord mit Schu�waffeneinsatz aus, sperrt die Gegend gro�z�gig ab, ermittelt in k�rzester Zeit den Hundehalter und holt diesen in Handschellen aus einer Wohnung in Tatortn�he. Der bissige Hund und sein offensichtlich ebenfalls blutr�nstiges Herrchen werden getrennt voneinander untergebracht.

Doch die gerichtsmedizinische Untersuchung ergibt ein v�llig anderes Bild des Tathergangs (zu dem Sherlock mit etwas anderen Methoden und dank seiner �berragenden geistigen F�higkeiten sicherlich ebenso gelangt w�re). Der eigentlich nur geringf�gig verletzte Rentner hatte offensichtlich ein geschw�chtes Herz, welches all der Aufregung nicht gewachsen war. Er erlitt also einen Herzinfarkt und fiel dabei recht ungl�cklich auf seinen Regenschirm.

Ausgerechnet dieser Schirm stanzte ihm dann das runde Loch in die Stirn, aus welchem er stark blutete, was wiederum allen Beteiligten sofort Anla� zu der Annahme gab, er sei erschossen worden. (Warum niemand gleich den blutigen Schirm fand und sich so seine Gedanken dazu machte, ist leider nicht bekannt.)

Umgebracht hat ihn also letztlich sein schwaches Herz, nicht aber der Hundebi� oder die Kopfverletzung. Tja, darauf mu� man erst mal kommen.