Ich hab heute an der Alster eine Puppe gefunden, die irgendein Kind verloren haben mu�. Die Puppe ist eine dieser Stoffpuppen, kaum gr��er als meine Hand und mit aufgesticktem Mund und Augen. Der Kopf ist aus hautfarbenem Material gemacht und sieht ein wenig aus wie ein winziger, gef�llter Strumpf.
Sie lag einfach da auf dem Weg. In ihren kurzen, eng an den Kopf gekn�pften blonden Haaren hatten sich Staub und kleine Steinchen verfangen.
Es wirkte aber nicht so, als sei sie einfach weggeworfen worden. Dazu ist sie viel zu abgeliebt. Der K�rper ist nicht mehr fest wie frisch nach der F�llung, sondern bereits ganz weich, ja geradezu schlapp. Wenn man sie hinsetzt, dann sackt sie in sich zusammen und l��t den Kopf h�ngen.
Und genau der hat mich auch am meisten ber�hrt. Sie hat an der Stirn eine Stelle, die irgendwann kaputtgegangen sein mu� und anschlie�end sorgsam geflickt wurde. Deswegen konnte ich sie auch nicht einfach liegenlassen. Sie wirkt so pers�nlich geliebt. Es ist fast so, als h�tte ihr die liebevolle Behandlung eine gewisse Lebendigkeit eingehaucht, die den meisten Spielzeugen fehlt.
Vielleicht leide ich aber auch nur an fr�hzeitiger Altersr�hrseligkeit. Als Kind habe ich, sehr zum Leidwesen meiner Mutter, Puppen rein gar nichts abgewinnen k�nnen. Die wenigen, die mir hoffnungsvolle Tanten geschenkt hatten, staubten in einer dunklen Ecke des Kinderzimmers vor sich hin (der dazugeh�rige Kinderwagen lie� sich allerdings bestens f�r den Dackel zweckentfremden).
Ich habe lieber Phantasiest�dte aus Lego und Holzkl�tzen gebaut und mit Playmobil-Figuren bev�lkert. Oder aber gleich die Nachbarkinder auf unserem Hof herumgescheucht (oh ja, ich war ein schrecklicher Tyrann ... damals) und sie zu Nebenrollen in meiner imagin�ren Burg in der Strohscheune verdammt. F�r Puppen war da kein Platz.
Und trotzdem sitzt die kleine Puppe jetzt neben meinem Schreibtisch im Regal und zieht an meinem kleinen eisernen Herz, weil vermutlich heute irgendwo ein ungl�ckliches Kind einschlafen mu�te, ohne seine Puppe in der Hand halten zu k�nnen.
Himmel, ich mu� an einer besonders aggressiven Form von fr�hsommerlicher Schwermut leiden.
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